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14. Nov 2024

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Wirtschaft

Nachhaltigkeit ist ein Gewinn für alle – mit Udo Gattenlöhner

Journalist: Katharina Petzholdt

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Foto: Bernd Dittrich/unsplash, Presse

Nachhaltiges Wirtschaften in der Landwirtschaft ist Grundlage für die dauerhafte Erzeugung von Lebensmitteln im Einklang mit der Natur.

Udo Gattenlöhner ist Agrarwissenschaftler und Geschäftsführer von Global Nature Fund (GNF), einer gemeinnützigen Stiftung, die sich für eine nachhaltige Entwicklung innerhalb der planetarischen Grenzen einsetzt. So soll die biologische Vielfalt als Basis der Lebensgrundlagen erhalten und wiederhergestellt werden.

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Udo Gattenlöhner, Agrarwissenschaftler und Geschäftsführer von Global Nature Fund (GNF)

Was bedeutet nachhaltiges Wirtschaften für Sie?

Nachhaltiges Wirtschaften schützt Umwelt und Biodiversität als die Basis sozialer und wirtschaftlicher Stabilität und sichert die Lebensgrundlagen zukünftiger Generationen.

Warum sollte gerade die Landwirtschaft nachhaltig(er) wirtschaften?

Die Landbewirtschaftung war über Jahrtausende nachhaltig. Erst die Industrialisierung der Landwirtschaft hat zu dramatischen Veränderungen mit negativen Wirkungen geführt. Heute ist die Landwirtschaft zentraler Mitverursacher aber auch Betroffener globaler Krisen wie Klimawandel, Biodiversitätsverlust, Wasserknappheit oder geopolitischer Konflikte.

Was bedeutet mehr Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft?

Die Maßnahmen sind bekannt und werden in der ökologischen und biologischen Landwirtschaft erfolgreich umgesetzt: Durch vielfältige Fruchtfolgen wird die Speicherung von CO2 im Boden gesteigert. Untersaaten verbessern die Bodenfruchtbarkeit. Konsequenter Integrierter Pflanzenschutz verringert den Einsatz von chemischen Pestiziden. Der Schutz natürlicher Lebensräume begünstigt Nützlinge und schützt Wasserressourcen.

Ist Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft ein attraktives Geschäftsmodell?

Angesichts einer ständig wachsenden Weltbevölkerung und begrenzter natürlicher Ressourcen ist nachhaltige Landwirtschaft der Weg, um eine ausreichende Nahrungsmittelversorgung für aktuelle und zukünftige Generationen zu gewährleisten. Würden alle externen Kosten der intensiven Landwirtschaft, z. B. Zerstörung von Ökosystemen oder Auswirkungen von Massentierhaltung, in die Produktion eingepreist, wäre nachhaltige Landwirtschaft auch ökonomisch immer die bessere Variante.

Warum ist Biodiversität wichtig?

Biodiversität ist die Grundlage für dauerhaft stabile, produktive und gesunde Ökosysteme und sichert unverzichtbare Ökosystemleistungen wie z. B. Pflanzenbestäubung, Wasserreinigung, Bodenfruchtbarkeit und Klimaregulation. Artenreiche und vielfältige Ökosysteme sind widerstandsfähiger gegenüber den Folgen des Klimawandels. Laut Weltbiodiversitätsrat IPBES sind aktuell eine Million Tier- und Pflanzenarten vom Aussterben bedroht.

Wie können Verbraucher erkennen, ob Produkte nachhaltig sind?

Fünf einfache Kriterien geben Orientierungen für eine nachhaltige Ernährung: frisch, saisonal, regional, pflanzenbasiert und ökologisch erzeugt. Gerade bei Produkten aus dem Ausland sollte man auf anerkannte Zertifizierungen achten, z. B. Fairtrade, Rainforest Alliance oder MSC für Fisch. Weitergehende Informationen bieten Einkaufsratgeber von WWF und Greenpeace, die Webseite Siegelklarheit.de oder Plattformen wie Utopia.

Zu welchen ersten Schritten raten Sie Unternehmen?

Basierend auf einer Analyse der ökologischen und sozialen Auswirkungen des Unternehmens sollte eine Strategie mit Maßnahmen zur Erreichung klar definierter und messbarer Nachhaltigkeitsziele umgesetzt werden. Das Angebot an Initiativen und Plattformen zur Kooperation wie „Food for Biodiversity“ oder „Unternehmen Biologische Vielfalt“ ist groß. Global Nature Fund bietet kostenfreie Veranstaltungen, Webinare und Publikationen für Unternehmen, wie z. B. „Zukunftsfähig Wirtschaften“.

Über den Global Nature Fund:

Seit der Club of Rome vor gut 50 Jahren die „Grenzen des Wachstums“ thematisierte, sind viele Initiativen für ein nachhaltigeres Wirtschaften entstanden. Die Stiftung Global Nature Fund hat mit ihren 26 Mitarbeitenden im Jahr 2023 rund 40 Projekte in über 20 Ländern umgesetzt.

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.