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5. Jul 2023

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Wirtschaft

Neue Blickwinkel

Journalist: Julia Butz

Was essen wir in Zukunft? Welche Veränderungen kommen auf uns zu und begleiten uns die nächsten 20, 25 Jahre? Und was bedeutet heute Luxus in der Topgastronomie?

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Heiko Antoniewicz plädiert für Veränderungen auf dem Speiseplan, um neue Geschmackserlebnisse zu bekommen.

Heiko Antoniewicz, Koch, Buchautor und einer der fortschrittlichsten Ideengeber für viele Spitzenköche sagt: „Wir müssen uns von alten Geschmacksbildern lösen. Und anfangen zu verstehen, dass wir nicht mehr alles essen können.“ Denn natürlich ändern sich Geschmäcker, wenn nicht mehr auf Gas, sondern mit Induktion gekocht wird; wenn der gute alte Erbseneintopf nicht mehr mit ausgekochtem Schinkenknochen zubereitet wird – eben, weil man kaum noch Schinkenknochen bekommt; wenn es immer weniger Fische im Meer gibt.

„Eine alte Schwarzwurzel ist eine Rarität und für mich ein Luxusgut. Warum kann nicht auch ein Gemüse ein Luxusgut sein, genauso wie ein alter Parmesan oder Rotwein?“ Heiko Antoniewicz plädiert für neue, offene Blickwinkel, weiß aber auch, dass wir an tief verwurzelten Traditionen und romantischen Vorstellungen unserer Kindheit festhalten wollen. Denn „Gerichte sind immer auch ein Versprechen. Wenn ich aber nur den bekannten Geschmack erwarte, kann nichts Neues entstehen.“ Zukünftig würden daher Gerichte auf pflanzlicher Basis für sich stehen und es keiner veganen Ersatzprodukte oder „Schmeckt-wie…- Alternativen mehr bedürfen: „Ähnlich wie die Light-Produkte, die aus den Supermarktregalen verschwunden sind. Einfach weil sie nicht mehr dem Zeitgeist entsprechen.“

Heiko Antoniewicz ist sich sicher: „Essen ist Erlebnis. Essen ist Freude. Und wie erzeuge ich das? Nicht nur mit Fleisch oder Fisch als Hauptgang, nicht nur mit Wein als Speisenbegleiter. Zu einem kulinarischen Erlebnis gehört es, Spannung einzuarbeiten. Und offen für Neues zu sein, sowohl als Gastgeber, als auch als Gast.

„Wir müssen uns von alten Geschmacksbildern lösen. Und anfangen zu verstehen, dass wir nicht mehr alles essen können.“

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.