Hier sieht man Schweine beim fressen

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28. Mär 2024

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Wirtschaft

Nützlich statt lästig

Journalist: Christiane Meyer-Spittler

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Foto: Amber Kipp/unsplash

Während bei uns Menschen Insekten als Nahrungsquelle immer noch Unbehagen hervorrufen, könnten sie als Tierfutter zum Gamechanger werden.

Etwa 11 Millionen Rinder, 21 Millionen Schweine und über 173 Millionen Hühner, Puten, Enten und Gänse brauchen in Deutschland jeden Tag ihr Futter. Davon sind mengenmäßig Mais, Gras, Getreide, Raps und Soja die wichtigsten Futtermittel. 95 Prozent davon stammt aus heimischem Anbau. Rund 60 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche Deutschlands wird zum Futteranbau genutzt. Nur für eine ausreichende Eiweißversorgung sind tierhaltende Betriebe auf Importe angewiesen. Besonders für die Schweine- und Geflügelmast ist Soja elementar für die Eiweißversorgung. Auch Legehennen, Milchkühe und Mastrinder erhalten in der Regel Soja, denn der hohe Eiweißgehalt und die besonders günstige Eiweißzusammensetzung sind bisher unschlagbar.

Zwar wächst die wärmeliebende Sojabohne inzwischen auch in einigen süddeutschen Gebieten, doch der Ertrag reicht bei weitem nicht aus, um den Gesamtbedarf zu decken. So wurden 2022 rund 3,4 Millionen Tonnen nach Deutschland importiert. Damit ist Soja das mit Abstand wichtigste Importfuttermittel. Die bedeutendsten Anbauländer dafür sind die USA und Brasilien. Hinzu kommen die niedrigen Weltmarktpreise, denn für tierhaltende Betriebe ist das Futter neben dem Stallbau der größte Kostenblock. Die Soja-Kulturen werden in Süd- und Nordamerika auf riesigen Flächen angebaut. Zusammen sind sie mehr als dreieinhalb Mal so groß wie Deutschland. Das bringt bekanntlich weitreichende Probleme für Umwelt und Klima mit sich. Zwar ist man bestrebt, verstärkt Soja aus süd- und osteuropäischen Ländern zu beziehen, die gentechnikfrei und nach höheren Umweltstandards produzieren, doch bei uns hat die Soja-Bohne inzwischen heimische Eiweißpflanzen wie Erbsen, Ackerbohnen, Lupinen oder Gras größtenteils verdrängt.

Nun wurde die sogenannte Eiweißpflanzenstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft entwickelt (BMEL), die Züchtung und Anbau heimischer Eiweißpflanzen wieder intensivieren soll. Dadurch nehmen die Anbauflächen von Eiweißpflanzen seit einigen Jahren wieder zu – auch der Sojaanbau unter mitteleuropäischen Klimaverhältnissen – dennoch bleiben die meisten Betriebe weiterhin auf Import-Soja angewiesen.

Um die Abhängigkeiten von Import-Soja langfristig und nachhaltig zu minimieren, denkt Wissenschaft und Wirtschaft zunehmend über alternative Proteinquellen nach und sprechen den Algen- und Insektenproteinen ein besonders hohes Potenzial zu. Gerade mit Insektenlarven lassen sich hochwertige tierische Eiweißkomponenten regional erzeugen, ohne dass lange kraftstoffintensive Transporte nötig sind.

Zudem können sogenannte Nutzinsekten vor Ort eine neue Kreislaufwirtschaft in Gang bringen: Alle in der EU für die Verfütterung zugelassenen Rest- und Nebenstoffe aus landwirtschaftlichen Produktionsketten (Mühlen, Brauereien, u. ä.) können Insektenlarven nicht nur verwerten, sondern in hochwertige Nährstoffe umwandeln, die dann wieder der Nahrungskette in Form von Tierfutter zugeführt werden. Dabei verbrauchen zum Beispiel Larven der Schwarzen Soldatenfliege nur einen Bruchteil an Trinkwasser oder anderen wertvollen Rohstoffen. Ihre Zucht spart nicht nur Ressourcen ein, sie gibt auch landwirtschaftliche Nutzflächen frei für die Herstellung von Lebensmitteln statt Tierfutter und fördert dabei die wirtschaftliche Wertschöpfung einer Region.

Nice to know Aus Sicht der Bundesregierung darf für die Herstellung von Futtermitteln für Nutztiere, verarbeitetes tierisches Protein nur von folgenden Insektenarten gewonnen werden: Soldatenfliege, Stubenfliege, Mehlkäfer, Getreideschimmelkäfer, Heimchen, Kurzflügelgrille, Steppengrille und Seidenspinner

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.