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2. Sep 2024

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Wirtschaft

Proaktiv in Sicherheit investieren – mit Florian Jörgens

Journalist: Julia Butz

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Foto: Presse

Heute lautet in Bezug auf potenzielle Cyberangriffe nicht die Frage, ob, sondern wann ein Unternehmen angegriffen werden wird. Florian Jörgens, Chief Information Security Officer (CISO) bei Vorwerk im Interview.

Herr Jörgens, mit der verbindlichen EU-Richtlinie NIS-2 wird Cybersicherheit und -Resilienz nach der KRITIS-Gesetzgebung – die bislang nur auf größere Organisationen im Bereich der kritischen Infrastrukturen wirkte – auch für die breite Masse der Unternehmen in Deutschland zum Topthema. Was umfasst die NIS2 und welche wichtige Neuerung bringt sie mit sich? Die NIS-2-Richtlinie erweitert den Anwendungsbereich der Cybersicherheitsanforderungen erheblich. Sie umfasst nun auch Organisationen verschiedenster Sektoren. Unternehmen müssen jetzt umfassende Maßnahmen zur Risikominderung und Cybersicherheit implementieren, einschließlich der regelmäßigen Bewertung und Verbesserung ihrer Sicherheitspraktiken. Zudem sind sie verpflichtet, signifikante Cybervorfälle innerhalb von 24 Stunden zu melden und detailliert über den Vorfall und die ergriffenen Maßnahmen zu informieren. Das bedeutet, dass jetzt proaktiv in Sicherheitsstrategien investiert werden muss, um den neuen gesetzlichen Anforderungen gerecht zu werden. Andernfalls drohen Bußgelder von bis zu 10 Mio. Euro.

Auch der Cyber Resilience Act (CRA) soll als Teil der EU-Cybersicherheitsstrategie noch in diesem Jahr verabschiedet werden. Er unterscheidet sich allerdings von der NIS-2-Richtlinie in seinem Fokus und Anwendungsbereich. Während die NIS-2-Richtlinie auf die Sicherstellung der Cybersicherheit und Resilienz in einer breiten Palette von Sektoren abzielt, konzentriert sich der CRA spezifisch auf die Sicherheitsanforderungen für digitale Produkte und Dienstleistungen, einschließlich IoT-Geräten mit dem Ziel, Produkte von Anfang an sicher zu gestalten. Dazu zählen Anforderungen an die sichere Entwicklung, Produktion und Wartung sowie an das Patch-Management und, besonders spannend, die Offenlegung von Sicherheitslücken. Betroffen sind dabei alle Unternehmen, die digitale Produkte und Dienstleistungen innerhalb der EU entwickeln, herstellen oder vertreiben.

Wie können sich Unternehmen vorbereiten? Zunächst sollte dringend eine Bestandsaufnahme der aktuellen Sicherheitsmaßnahmen durchgeführt und eine Gap-Analyse erstellt werden. Darauf basierend können sie einen detaillierten Compliance-Plan entwickeln. Dazu gehören erfahrungsgemäß Investitionen in Sicherheitstechnologien und regelmäßige Schulungen der Mitarbeitenden. Eine weitere Herausforderung wird das Aufstellen eines dedizierten Incident-Response-Team sein, um schnell und effektiv auf Vorfälle reagieren zu können. Dafür braucht es qualifiziertes Personal. Der CISO sollte hier im Lead sein und die Führung übernehmen.

Wie setzen Sie dies in der Praxis um? Die rasante Zunahme an Cyberangriffen erfordert, dass ich als CISO die Informationssicherheit eng mit den Geschäftsprozessen verknüpfe. Mein Team und ich arbeiten daher Hand in Hand mit Abteilungen wie Vorstand, Vertrieb, Produktion und Personalwesen zusammen, um Sicherheitsanforderungen zu verstehen und Lösungen zu entwickeln, die den Geschäftsbetrieb nicht behindern. Dabei setzen wir auf eine Sicherheitsstrategie, die Risiken in einem unternehmerischen Kontext bewertet. Das Sicherheitsbewusstsein muss als Wettbewerbsvorteil positioniert werden, um Vertrauen bei Kunden zu schaffen und die Marke zu stärken. Dazu gehört auch eine Aufnahme des CISO in den Vorstand, um die Weichen für die geschäftliche Zukunft zu stellen: Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und natürlich Cybersicherheit.

Auch die Anzahl an Angriffen auf IoT-Geräte steigen. Welche Cyberrisiken verbergen smarte Haushaltsgeräte und warum sind Hacker daran überhaupt interessiert? Zum einen ermöglichen diese Zugriff auf sensible Geräte- und Kundendaten wie beispielsweise persönliche Informationen über Nutzerverhalten und -gewohnheiten. Diese Informationen bieten häufig eine solide Grundlage für gezielte Angriffe oder Identitätsdiebstahl. Auf der anderen Seite können übernommene Geräte als Teil eines sogenannten Bot-Netzwerks zweckentfremdet und für Angriffe missbraucht werden. So wird schnell der smarte TV als Cyberwaffe gegen andere Computersysteme benutzt, ohne dass der Benutzer etwas davon mitbekommt. Darüber hinaus bieten ungesicherte Geräte perfekte Einfallstore in Heimnetzwerke, was zu weiteren Sicherheitsproblemen führt.

Interessanter Fakt:

Florian Jörgens arbeitet seit über 12 Jahren in der Informationssicherheit. 2020 gewann er den Digital Leader Award in der Kategorie Cybersecurity. In seiner Freizeit hält er Fachvorträge auf Konferenzen, schreibt Fachbücher und ist als Dozent an mehreren Hochschulen tätig.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.