5. Jul 2023
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Lifestyle
Journalist: Julia Butz
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Foto: pexels, Robert Schlesinger, Ricarda Spiegel, Volker Debus
4 Experten über das Zusammenspiel von hoher Produktqualität und Nachhaltigkeit.
Felix Schneider (Restaurant ETZ 2*, Nürnberg)
Felix Schneider, Inhaber und Küchenchef
Wie lassen sich Produktqualität und Nachhaltigkeit vereinen?
Die Frage impliziert, dass dies ein Gegensatz sei – unsere Erfahrung ist anders: wir erleben, dass sich beides ergänzt und Nachhaltigkeit ein wichtiger Faktor für Qualität ist. Indem sich unsere Partner bemühen, z. B. alte Rassen zu erhalten oder besondere Haltungsformen zu praktizieren. Es ist die Nachhaltigkeit, die Qualität schafft.
Kann man bei 100 % Nachhaltigkeit höchste Weihen erreichen?
Es ist schwieriger, denn man übernimmt mehr Verantwortung für den gesamten Prozess, den die Lebensmittel durchlaufen. Aber erhält gleichzeitig ein neues Spektrum an Möglichkeiten, das einen förmlich zu Kreativität und anderen Perspektiven zwingt. Und etwas Neues, Besonderes zu machen, gehört zur „Spitze“ dazu. Genauso wie die Verantwortung, zu zeigen, wo es hingehen soll.
Macht der Grüne Stern des Guide Michelin Sinn?
Ich finde jede Auszeichnung, die Nachhaltigkeit oder neue Art der Gastronomie in den Mittelpunkt stellt, gut. Wobei hier, wie auch bei vielen anderen, die Kriterien nicht ganz klar sind. Ich sehe es daher eher als einen Hinweis für einen bestimmten Küchenstil oder andere Art der Beschäftigung mit Naturprodukten und Nachhaltigkeit.
Max Strohe (Restaurant Tulus Lotrek 1*, Berlin)
Max Strohe, Chef des Berliner Trendrestaurants Tulus Lotrek
Wie lassen sich Produktqualität und Nachhaltigkeit vereinen?
Das fängt bei der Auswahl der Produkte an. Wir achten auf nachhaltige Fischerei, Aufzucht der Tiere, schauen wo unsere Ware herkommt. Und kochen immer saisonal. Oftmals gehen Aufzucht und kurze Wege auch einher mit Produktqualität. Produktscouting und die persönliche Nähe zum Produzenten werden dadurch immer wichtiger. Der respektvolle Umgang mit den Ressourcen der Mitarbeiter und ein energieeffizientes Arbeiten gehören aber sicherlich mit dazu.
Kann man bei 100 % Nachhaltigkeit höchste Weihen erreichen?
Selbstverständlich. Wenn man sein Konzept darauf ausrichtet, funktioniert das. Sven Wassmer zum Beispiel kocht im Schweizer „Memories“ mittlerweile drei Sterne, streng regional und nachhaltig. Ebenso Norbert Niederkofler im St. Hubertus in Südtirol. Obwohl ich es mir leichter vorstelle, wenn man am Meer lebt und da aus den Vollen schöpfen kann. René Redzepi hat es mit dem NOMA vorgemacht.
Macht der grüne Stern des Guide Michelin Sinn?
Ich mag den Gedanken dieser Auszeichnung sehr. Weil es ein Ansporn ist, eine Motivation. Wie der grüne Stern allerdings geprüft wird, ist mir unklar. Nachhaltigkeit lässt sich schließlich nicht schmecken.
Marco Müller (Restaurant Rutz 3* + Grüner*, Berlin)
Marco Müller, Executive Küchenchef
Wie lassen sich Produktqualität und Nachhaltigkeit vereinen?
Indem wir bekannte Wertmaßstäbe hinterfragen, uns von alten Denkweisen verabschieden und unsere Esskultur noch weiterentwickeln. Woher kommt ein Produkt? Wieso schmeckt es so? Welches Wasser, welcher Boden wurde genutzt? Wir setzen z. B. schon beim Saatgut an, arbeiten mit verschiedenen Klein-Erzeugern, verkosten, probieren. Bis wir die herausragende Qualität erhalten, die wir brauchen.
Kann man bei 100 % Nachhaltigkeit höchste Weihen erreichen?
Wenn höchster Genuss immer im Vordergrund steht, ja. Dazu gehört es zu analysieren, sich mit dem Produkt auseinandersetzen – und mit Vorurteilen aufzuräumen. Auch unser Signature Dish, der Karpfen, war eine echte Challenge, an der ich Jahre getüftelt habe. Heute beschäftigen wir uns z. B. mit den Kugeln von Kiefernblüten, die wir sauer einlegen, gewinnen Öl aus geschreddertem Johannisbeerholz, nutzen Triebe der Linde wie Salat … das Ganze ist doch ein Riesen-Abenteuer!
Macht der grüne Stern des Guide Michelin Sinn?
Ich liebe diese Idee. Es steht für eine Vision. Man wird für etwas belohnt, worauf früher kaum jemand geachtet hat. Eine enorme Motivation und Anerkennung für zeitgemäße Gastronomie.
Sigi Schelling (Restaurant Werneckhof Sigi Schelling 1*, München)
Sigi Schelling, Inhaberin und Küchenchefin
Wie lassen sich Produktqualität und Nachhaltigkeit vereinen?
Top-Produkte, Qualität und Nachhaltigkeit sind die Voraussetzungen für Spitzenküche. Ich habe dies in der Küche seit jeher verinnerlicht. So nachhaltig und produktbezogen zu arbeiten wie möglich, war für mich immer ein Selbstverständnis. Wie z. B. von „Nose-to-tail“ alles vom Tier zu verarbeiten, sehr viel regional beziehen oder persönliche Beziehungen zu den Lieferanten aufzubauen.
Kann man bei 100 % Nachhaltigkeit höchste Weihen erreichen?
Ich denke, wir kommen diesem Anspruch im Werneckhof schon sehr nah. Natürlich steht die regionale, saisonale Küche im Fokus. Bestimmte Edelprodukte aber bekommt man nicht in Deutschland. Und man muss auch realistisch sein und schauen, was wirtschaftlich umsetzbar ist. Auch unabhängig von der Küche: die hygienischen Anforderungen, Bezug und Reinigung von Tischwäsche, Gläsern, etc. – da steckt ein ziemlicher Energieaufwand dahinter.
Macht der grüne Stern des Guide Michelin Sinn?
Es ist eine neue Form der Auszeichnung und auf alle Fälle Ansporn, sich dem Thema mehr zu widmen, mehr zu machen. Und kann vor allem für junge Köche auch ein Weg sein, Aufmerksamkeit zu erhalten.