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16. Dez 2022

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Wirtschaft

Resilienz durch Digitalisierung

Journalist: Armin Fuhrer

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Foto: Wolfgang Weber, Global Head of Engineering and Industry 4.0 bei Henkel.

Die Verwendung digitaler Tools hat viele Vorteile dennoch gibt es noch Luft nach oben, sagt Wolfgang Weber, Global Head of Engineering and Industry 4.0 bei Henkel.

Herr Weber, wo steht Deutschland mit Blick auf die Digitalisierung?
Um diese Frage beantworten zu können, müssen wir erst einmal klären, worüber wir eigentlich genau reden. Nach meiner Definition gehört zur Digitalisierung nicht nur der Bereich der Arbeit mit Daten, sondern auch der Bereich der Robotik. Daher fällt mein Bild für beide Bereiche differenziert aus.

Inwiefern?
In Deutschland gibt es immer, wenn es um Daten geht, eine gewisse Grundskepsis in der Bevölkerung, was die Sicherheit betrifft. Das erhöht die Eingangshürde für die Digitalisierung im Vergleich zu anderen Ländern. Davon ist besonders der Mittelstand betroffen. Hinzu kommen die Defizite in der öffentlichen Infrastruktur, die wir in Deutschland haben, angefangen mit der Abdeckung mit 5G und WLAN. Bei der Robotik stellt sich die Lage günstiger da. Deutsche Großunternehmen treiben die Entwicklung an dieser Stelle entscheidend mit voran.

Stellen die sich derzeit überlappenden Krisen eine Hemmschwelle bei der weiteren Digitalisierung dar?
Im Gegenteil. Aus unserer Sicht ist es ganz eindeutig so, dass die Digitalisierung ein Instrument zur Bewältigung von Krisen ist. Das hat sich sehr klar in den ersten Wochen der Pandemie gezeigt, denn damals gelang es uns aufgrund der schon vorhandenen digitalen Infrastruktur ziemlich gut, den Überblick zu behalten. Wir konnten vor dem Hintergrund der unterbrochenen Lieferketten unser Netzwerk sehr schnell so anpassen, dass wir ununterbrochen die Märkte versorgen konnten, weil wir mit unseren digitalen Tools in Echtzeit arbeiten konnten.

Grundsätzlich haben wir eine ganze Reihe von „digitalen Zwillingen“ einzelner Geschäfts- und Prozessbereiche, die wir für die Analyse einer bestimmten Situation nutzen. Auf der Basis dieser Analyse können wir dann eine fundierte Entscheidung treffen. Beispielsweise nutzen wir einen „digital twin“ zur Analyse des Marktbedarfs eines bestimmten Artikels und er hilft uns, die Produktionsplanung zu verbessern.

Gibt es beim Entwicklungsstand Unterschiede zwischen der Großindustrie und dem Mittelstand?
Beim Testen digitaler Tools ist der Mittelstand in manchen Punkten dynamischer als Großunternehmen, denn vorhandene Strukturen können in der Regel einfacher aufgebrochen werden. Bei einem großen Unternehmen wie Henkel müssen mehr Abteilungen eingebunden werden, bis ein solches Tool genutzt werden kann. Die Government-Struktur ist bei den Großen aufwendiger. Großunternehmen haben dagegen viel mehr Erfahrungen, verfügen über größere Teams und höhere Finanzierungsmöglichkeiten und haben daher Vorteile bei der Skalierung von neuen digitalen Anwendungen.

Sehen Sie in der Robotik ein Mittel gegen den wachsenden Fachkräftemangel?
Ja, denn die Digitalisierung führt zu einer Steigerung der Effizienz von Anlagen und daneben zu einer Umqualifizierung der Menschen, die an diesen Anlagen arbeiten. Sie sind weiterhin im Unternehmen, arbeiten aber an einer anderen Stelle auf einem höheren Effizienzniveau. Und sie können mit Aufgaben betreut werden, die interessanter und weniger monoton sind.

Wie wichtig ist es, die Angestellten mitzunehmen?
Digitale Applikationen bringen sehr viele Vorteile, aber man muss immer auch vorsichtig damit umgehen, um bei den Angestellten keinen Frust zu erzeugen. Denn wenn sie nicht funktionieren oder die Angestellten damit nicht umgehen können, kann das zu großer Ernüchterung führen. Bei Henkel versuchen wir diesem Problem entgegenzuwirken, indem wir in jeder Produktionsstätte einen sogenannten „Digital Engineer“ einsetzen. Eine Schnittstellenposition, die dem Produktionsleiter den Rücken frei hält, das Funktionieren der Anlagen sicherstellt und zugleich als Botschafter und Ansprechpartner im lokalen Team fungiert. Der Digitalingenieur schult die Mitarbeitenden und gibt der Leitung Feedback darüber, wie das neue digitale Tool angenommen wird.

Neben der Digitalisierung ist auch die Dekarbonisierung ein großes Thema. Sehen sie in beiden gleichzeitigen Entwicklungen eine doppelte Herausforderung?
Im Gegenteil. Bei uns ist es definitiv so, dass die Digitalisierung die Dekarbonisierung unterstützt. Eine permanente Messung der Energiebilanz und klare Ziele zur Umsetzung der Dekarbonisierung sind ein absolutes Muss, um im Markt zu bestehen. Das steht nicht im Widerspruch zum Ziel der Digitalisierung, sondern es gibt im Gegenteil sogar viele Synergien. Die Kombination von nachhaltigen Maßnahmen mit smarten Tools hat sehr viele Vorteile –für die Unternehmen und für das Klima.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.