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15. Mär 2023

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Business

Schutz für hinweisgebende Personen

Journalist: Julia Butz

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Foto: Taylor Grote/unsplash

Wer Missstände oder Regelverstöße in Firmen oder Behörden angibt, soll künftig besser vor Repressalien geschützt werden.

Mit dem im Dezember 2022 vom Bundestag auf den Weg gebrachten Hinweisgeberschutzgesetz (HinSchG) soll der bisher noch unzureichende Schutz von Menschen verbessert werden, die bei der Enthüllung von Missständen helfen, die im Zusammenhang mit ihrer beruflichen Tätigkeit stehen. Das Gesetz soll die Prozesse rund ums Whistleblowing transparent regulieren, indem über interne und externe Meldestellen etwaige Verstöße in Unternehmen oder Behörden zukünftig einfacher gemeldet werden können und die Hinweisgeber gleichzeitig besser vor beruflichen Nachteilen wie Mobbing oder anderen Formen von Diskriminierung geschützt werden.

Hinweisgeber können alle natürlichen Personen, also Arbeitnehmer, Auszubildende oder Praktikanten, Beamte oder Selbstständige oder auch Mitarbeitende von Lieferanten und Dienstleistern sein sowie Personen, bei denen einmal ein Arbeitsverhältnis bestand oder dies geplant ist. Damit sollen zum Beispiel die Krankenschwester, die Hygienemängel in der Klinik entdeckt, der Restaurantmitarbeiter, der die Verwendung von Gammelfleisch im Mittagstisch melden möchte, oder der Betriebsmitarbeiter, der bemerkt, dass sein Arbeitgeber umweltschädliche Abfälle auf der Wiese nebenan verklappt, nicht mehr zögern müssen, dies auch zu melden. Auch Steuerhinterziehung, sexuelle Belästigung oder Verstöße gegen den Datenschutz, Arbeitsschutz oder Bestechung sind Missstände, die in Betrieben aller Größenordnungen anfallen können und die oftmals nur mithilfe wertvoller Meldungen von internen Hinweisgebern aufgedeckt werden. Bislang bedurfte es dazu viel Mut des Einzelnen, niemand möchte gern als Denunziant bloßgestellt werden oder aufgrund eines Hinweises um den Job oder gar die berufliche Zukunft fürchten müssen.

Mit dem HinSchG werden mögliche Repressalien aufgrund einer Meldung verboten, mehr noch muss der Arbeitgeber nachweisen, dass zwischen einer Meldung und der Kündigung eines Mitarbeiters kein Zusammenhang besteht. Auch hat der Whistleblower im anderen Falle das Recht auf Schadensersatz. Werden Regelverstöße, Missstände oder gar Straftatbestände wie Korruption oder Steuerhinterziehung entdeckt und gemeldet, umfasst dies infolge des HinSchG geschützte Anwendungsbereiche aus EU- und nationalem Recht. Der Schutz für den Hinweisgeber bezieht dabei auch öffentliche Meldungen wie Hinweise an die Presse oder über Social Media Kanäle mit ein. Wer allerdings fahrlässig falsche Informationen weitergibt, muss für den entstandenen Schaden aufkommen.

Ein Meldekanal ist zum einen ein neu implementiertes elektronisches Hinweisgebersystem innerhalb einer Organisation, welches zum Beispiel von Mitarbeitern der Compliance-Abteilung oder einer Ombudsperson betreut wird. Der unternehmensinterne Meldekanal bietet den Vorteil eines schnelleren Informationsflusses und die Möglichkeit, den Inhalt der Meldung schneller einordnen und Probleme direkt intern lösen zu können, stellt allerdings hohe Anforderungen an Sicherheit, Datenschutz und Prozesse. Zum anderen sind dies externe Meldestellen, die beim Bundesamt für Justiz (BfJ) übergreifend für Bund und Länder für die Hinweisannahme eingerichtet werden bzw. die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) und das Bundeskartellamt (BKartA) oder die Meldestellen der einzelnen Bundesländer. Nicht zuletzt in Hinblick auch die Informationshoheit eines Betriebs sollten allerdings entsprechend deutliche Anreize für eine leicht zugängliche Nutzung des eigenen Meldesystems geschaffen werden.

Ebenso wird die Annahme und Bearbeitung anonymer Hinweisgeber über das Gesetz verpflichtend. Die Meldesysteme müssen daher so aufgebaut sein, dass eine anonyme Kommunikation möglich ist. Auch dies ist eine Maßnahme, um potenzielle Hemmschwellen oder hohe Unsicherheiten über den eigentlichen Prozess und die möglichen Konsequenzen einer Meldung möglichst herabzusetzen. Nach Expertenmeinung steige die Zahl wertvoller Meldungen mit dem Anteil der Möglichkeit anonymer Meldewege, da der Großteil der Hinweisgeber Repressalien befürchtet*.

Der umfassende Schutz von Hinweisgebern soll für mehr Integrität in Wirtschaft und öffentlichem Sektor sorgen. Das Gesetz sollte bereits im Laufe des Jahres 2023 für Unternehmen und Organisationen ab 250 Beschäftigten verpflichtend vorsehen, einen gesetzeskonformen, idealerweise anonymisierten Meldekanal für Hinweise auf Straftaten und Verstöße einzurichten. Durch die mangelnde Zustimmung im Bundesrat im Februar wird das kurzfristige Inkrafttreten nun allerdings verzögert. Davon unberührt bleibt der 17. Dezember 2023 als Stichtag der EU Richtlinie, der alle Unternehmen ab 50 Mitarbeitern in die Pflicht nimmt.

Unabhängig von einer verpflichtenden Einrichtung stellt es für Unternehmen und Organisationen eine große Gefahr dar, wenn bestimmte Meldungen sie nicht mehr erreichen und dies im Extremfall strafrechtliche Konsequenzen und Reputationsschäden nach sich ziehen würden. Wenn durch ein funktionierendes Hinweisgebersystem dazu beigetragen werden kann, dass Verstöße schneller erkannt und ein Missstand bereits intern abgestellt und aus der Welt geschaffen werden kann, sorgt dies für mehr Transparenz und Integrität innerhalb einer Organisation. Die Motivation für die Umsetzung sollte somit nicht nur daher rühren, einer rechtlichen Vorgabe zu entsprechen, sondern als große Chance erkannt werden, sowohl für den maßgeblichen Schutz des eigenen Betriebes als auch für die Wahrung gesellschaftlicher Verantwortung.
*Whistleblowing-Report 2021. Studie der FH Graubünden in Kooperation mit der EQS Group, bei der 1.239 Unternehmen in Deutschland, Frankreich, Großbritannien und der Schweiz befragt wurden.

37,1 % der Unternehmen in Deutschland waren 2020 von illegalem und unethischem Verhalten betroffen. Mithilfe einer Meldestelle konnten bei fast 40 % der befragten Unternehmen über 80 % des finanziellen Gesamtschadens aufgedeckt werden.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.