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6. Aug 2020

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Gesundheit

Schwung durch Corona – Digitales Gesundheitswesen macht großen Schritt nach vorne

Journalist: Jörg Wernien

Die Telemedizin hat die deutschen Arztpraxen erobert. Was bisher eher ein schleppender Prozess war, entwickelte sich dank der COVID-19 Pandemie rasant. Inzwischen bieten rund 25.000 Praxen eine Videosprechstunde an, so Zahlen der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV). Anfang 2020 waren es erst 1.700 Ärztinnen und Ärzte, die ihren Patienten den neuen Service anboten.

Wegen des neuartigen Corona-Virus konnten Ärzte und Psychotherapeuten plötzlich unbegrenzt Videosprechstunden anbieten, Patienten mit geringen oder nur leichten Beschwerden sollten so fernbehandelt werden, um die möglichen Kontakte in den Praxen so gering wie möglich zu halten.

Diese Regelung lief allerdings am 30. Juni diesen Jahres aus. Jetzt hoffen Jens Spahn und seine Experten aus dem Gesundheitsministerium auf einen digitalen Schub für das deutsche Gesundheitswesen. So sagte Gottfried Ludewig gegenüber dem Handelsblatt: „Digitale Lösungen müssen in der Versorgung von Patientinnen und Patienten endlich Alltag werden.“

Schon lange vor Corona hatte der Gesundheitsminister Jens Spahn die Digitalisierung im Gesundheitswesen zur Chefsache gemacht. Die elektronische Patientenakte und das E-Rezept wurden in Gesetzen beschlossen, auch gegen zahlreiche Bedenken von Datenschützern. Eigentlich soll das alles im Jahr 2021 Wirklichkeit werden. Doch schon jetzt zeichnet sich eine Verzögerung ab. Zahlreiche Krankenkassen sind mit ihrer Umstellung der IT noch lange nicht fit für die neuen Möglichkeiten. Doch gerade der Onlineschub der Videosprechstunden sorgt für einen großen Optimismus im Ministerium. „Jetzt sehen wir: Die Zukunft hat längst begonnen. Ärzte brauchen und nutzen Instrumente wie die Videosprechstunde, um flexibel für ihre Patienten da sein zu können – nicht nur in dieser Ausnahmesituation“, so Gottfried Ludewig. 

Doch immer wieder gibt es Probleme mit der Telematikinfrastruktur. Die TI (Telematikinfrastruktur) ist die Datenautobahn im Gesundheitswesen. Eigentlich sollen hier Ärzte, Kassen und Krankenhäuser ohne Probleme unterwegs sein. Doch im Augenblick staut es sich an allen Ecken und Kanten. Der Grund ist der wachsende Widerstand der Ärzte. Der Bund hatte die gematik gegründet, eine Gesellschaft, die den sicheren IT-Verkehr gewährleisten soll, um die TI zu konfigurieren und in Fahrt zu bringen. Zwischen der gematik und der Ärzteschaft war es in den vergangenen Wochen heiß hergegangen. Der Grund ist ein Konfigurationsfehler in der TI, der dafür gesorgt hatte, dass viele Arztpraxen vom sogenannten Versichertenstammdatenmanagement abgeschnitten waren – und das für Wochen.

Inzwischen ist der Fehler behoben, doch das Vertrauen in den neuen Dienst ist dadurch nicht unbedingt gewachsen. Auf dem Weg zum voll digitalisierten Gesundheitswesen sind also noch einige Hürden zu nehmen.

27. Jun 2025

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Gesundheit

Kleine Firmen, große Wirkung: Wie EBPs die Pharmabranche revolutionieren – mit Dr. Merle Fuchs

![MerleFuchs_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Merle_Fuchs_online_4afdaa8866.jpg) ```Dr. Merle Fuchs (PhD), Managing Partner & CEO, PRAMOMOLECULAR GmbH``` Die USA, Deutschland und die Schweiz bleiben führend bei innovativen, patentgeschützten Medikamenten, während Indien und China den Markt für Generika dominieren. In der Schweiz ist die Pharmaindustrie zum wichtigsten Wachstumsmotor aufgestiegen und steuert mittlerweile rund 5,4 Prozent zum BIP bei – ein mehr als versechsfachter Anteil seit 1990. Deutschland hingegen, einst „Apotheke der Welt“, schafft nur 1 –1,5 Prozent. Zwar sitzen mit Roche und Novartis zwei Schwergewichte in Basel, doch künftig wird die Innovationskraft von Big Pharma zunehmend von Emerging Biopharma Companies (EBPs) geprägt werden. Als EBPs gelten Biopharmaunternehmen mit weniger als 500 Mio. US$ Jahresumsatz, darunter forschende Start-ups ohne Markterlöse. Den Aufbau ihrer Wirkstoffpipeline müssen sie in Deutschland traditionell chronisch unterfinanziert mühsam durch Wagniskapital und Fördermittel finanzieren. Dennoch füllen diese aufstrebenden kleinen Unternehmen die Pipeline: Während 2002 etwa 67 Prozent der Innovationen von Big Pharma kamen, stammten 2022 gut 84 Prozent der Wirkstoffe in frühen und 73 Prozent in späten klinischen Phasen von EBPs. EBPs sind überdurchschnittlich innovationsgetrieben, nutzen neueste Technologien und konzentrieren sich auf Plattformen wie Gen- oder Zelltherapie, RNA-basierte Verfahren oder Antikörper-Engineering, die Großkonzerne erst nach validen klinischen Daten lizenzieren – und dann für Milliardenbeträge einkaufen. Agile Strukturen und flache Hierarchien erlauben EBPs schnelle Entscheidungen und effiziente frühe Forschung. PRAMOMOLECULAR ist ein Beispiel: Das präklinische EBP entwickelt Gene-Silencing-Wirkstoffe gegen bislang unbehandelbare Erkrankungen in der Hälfte der Zeit und zu 10 Prozent der Kosten klassischer Programme. Für mehr solcher Erfolge braucht Deutschland exzellente Grundlagenforschung, ausreichend Wagniskapital und Mut, neue Wege zu gehen. Denn nur wer die kleinen „Zwerge“ stark macht, kann die Zukunft der Medizin gestalten. >EBPs sind überdurchschnittlich innovationsgetrieben, nutzen neueste Technologien und konzentrieren sich auf Plattformen wie Gen- oder Zelltherapie, RNA-basierte Verfahren oder Antikörper-Engineering, die Großkonzerne erst nach validen klinischen Daten lizenzieren – und dann für Milliardenbeträge einkaufen.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Gesundheitswende als Schlüsselmoment – mit Dr. Christian Weißenberger

![Portrait_ChristianWeißenberger_2757x3667px_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Portrait_Christian_Weissenberger_2757x3667px_online_5e883d9860.jpg) ```PD Dr. Christian Weißenberger, Spezialist für Strahlentherapie & Palliativmedizin in Freiburg``` Europa und Deutschland stehen an einer Zeitenwende, in der wirtschaftliche Kraft von geopolitischen Spannungen und globalem Wettbewerb unter Druck gerät. Deutschland muss entschlossen handeln, um als Wirtschaftsmotor und Vorbild für Freiheit und Demokratie zu bestehen. Ein zentraler Hebel ist die Modernisierung des Gesundheitssektors. In der Region Freiburg etwa ist der Gesundheitsbereich ein bedeutender Wirtschaftsfaktor und belegt international mit Mittelständlern wie Herstellern von Hightech-Operationsbesteck seine Innovationskraft. Doch während die Weltmärkte wachsen, schrumpft die Medizintechnik-messe Medica in Düsseldorf: Gewinner orientieren sich zunehmend nach Dubai und in den arabischen Raum. Ursache ist häufig eine kurzsichtige Finanzpolitik hierzulande. Statt in innovative Großgeräte zu investieren, flossen Kürzungen in die sprechende Medizin. Hightech-Einrichtungen erlitten ein Minus von teils über 22 Prozent. Die Folge ist absehbar: finanzielle Engpässe, resignierte Anbieter und Abwanderung ins Ausland. Die Positronen-Emissions-Tomographie (PET) steht hier als Symbol verfehlter Gesundheitspolitik. Und trotz des Milliarden-Sondervermögens bleibt Gesundheit unterfinanziert. Dabei haben Deutschland und Europa mit exzellent ausgebildetem Personal und Weltklasse-Krankenhäusern Spitzenbedingungen. Entscheidend ist jetzt die politische Entscheidung, Mittel gezielt in Hightech-Medizin, Ausbildung und Digitalisierung zu stecken – nicht erst nach dem Ernstfall. Digitalisierung bedeutet aber zunächst höhere Kosten für Hardware und Schulung, bevor Effizienzgewinne folgen. Und auch Empathie-Arbeit in Pflegestationen lässt sich nicht digitalisieren: Menschliche Ressourcen bleiben die wertvollste Investition! Hier fordere ich Ehrlichkeit: Wenn optimale Medizin für alle nicht mehr finanzierbar ist, muss man das klar benennen. Nur so lassen sich die richtigen Rezepte finden. Deutschland braucht jetzt nicht nur Visionen, sondern konkrete Schritte und das Budget, um seine Vorreiterrolle zu sichern.