30. Jun 2025
|
Gesundheit
Journalist: Julia Butz
|
Foto: Kampus Production/pexels
Der Sinn des Lebens liegt im Miteinander – besonders dann, wenn Menschen auf Unterstützung angewiesen sind.
„Demenz“ – ein Wort, das oft wie ein Schock wirkt. Die Diagnose verändert das Leben der Betroffenen und auch das der Angehörigen oft schleichend und auf eine Weise, die kaum sichtbar ist. Während sich die Aufmerksamkeit auf die Pflege konzentriert, droht ein zweites Problem: das soziale Umfeld der Angehörigen bröckelt. Plötzlich scheinen alle Gespräche nur noch um Medikamente, Arzttermine und Verhaltensänderungen zu kreisen. Weil Menschen mit Demenz nicht allein bleiben können, werden Treffen mit Freunden abgesagt, Gespräche über Freizeitaktivitäten oder Urlaubspläne gemieden. Viele Angehörige schweigen aus Scham über die Erkrankung. Freunde fürchten, etwas Falsches zu sagen, Unsicherheit macht sich breit.
Demenz offenbart sich gern auch in peinlichen Momenten: wenn der erkrankte Ehemann beim Grillabend plötzlich die Nachbarin beschimpft oder den ältesten Kumpel nicht mehr erkennt. Mit der Zeit hören die Einladungen auf und der Alltag wird zur einsamen Aufgabe. Gerade für junge Angehörige, die selbst noch mitten im Berufsleben stehen oder Kinder großziehen, kann die Unterstützung im täglichen Leben des Erkrankten eine erhebliche Herausforderung darstellen. Finanzielle Sorgen wachsen, wenn Teilzeitjobs den Lebensstandard bedrohen, während gleichzeitig die Rollen von Partner und Pflegekraft verschwimmen. Die emotionale Belastung ist enorm: Wie erklärt man den Kindern, dass Papa vergisst, wie man Schuhe bindet? Wie geht man damit um, wenn die beste Freundin sich zurückzieht, weil sie mit der Diagnose überfordert ist? Hier wird das soziale Umfeld zur Lebensader.
Das bedeutet nicht, dass jeder zum Demenz-Experten werden muss. Es braucht keine großen Gesten, um Halt zu geben. Entscheidend ist, dass Freundschaften nicht wegbrechen. Einfach weiterhin zum Kaffee vorbeikommen, auch wenn die Situation ungewohnt ist. Die Routine des Zusammenseins schafft Normalität. Manchmal braucht es nur einen Satz wie „Das muss irre anstrengend sein. Erzähl.“ Eine Nachricht wie „Ich gehe einkaufen, soll ich etwas mitbringen?“ ist praktisches Signal und zeigt Verbundenheit, ohne Druck zu machen. Ein offenes „Ich weiß nicht, wie ich helfen kann, aber ich bin da“ reicht manchmal schon, um Brücken zu bauen. Gerade in einer Gesellschaft, die Demenz oft stigmatisiert, sind Freunde unersetzlich. Sie schaffen Räume, in denen die Angehörigen wieder sie selbst sein können. Auch Demenz Partner-Schulungen unterstützen die gesellschaftliche Teilhabe von Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen.
Demenz verändert zwar das Leben – aber beendet es nicht. Das gilt umso mehr für die Betroffenen. Moderne Ansätze setzen auf ressourcenorientierte Pflege: Was kann der Mensch noch – statt was fehlt ihm? Sie zeigen, dass Lebensqualität mit der Erkrankung möglich bleibt, nur vielleicht auf andere Weise. Und manchmal entsteht gerade durch die Krankheit unerwartete Nähe, wenn gemeinsame Erinnerungen neu entdeckt werden. Mit der richtigen Unterstützung, einer frühen Diagnose und einem Netzwerk aus Fachleuten, Angehörigen und starkem sozialen Umfeld lässt sich der Weg gestalten. Es ist ein Weg mit Hindernissen, aber auch mit Momenten des Glücks – solange Beziehungen und Empathie existieren.
2024 gaben über 50 Prozent der an Demenz leidenden Menschen in Ländern mit einem hohen Einkommen an, jeden oder fast jeden Tag mit ihrem Leben zufrieden zu sein. In Ländern mit einem geringem oder niedrigerem mittleren Ländereinkommen nur rund 30 Prozent der Demenzerkrankten.