26. Jun 2019
|
Lifestyle
Journalist: Katja Deutsch
Nach einem Unfall war Anna-Maria Zimmermann jahrelang auf Schmerzmittel angewiesen. Dann entschied sie, es muss auch ohne gehen! Ich schaffe das!
Über ihren Helikopter-Absturz möchte Schlagerstar Anna-Maria Zimmermann eigentlich gar nicht mehr reden. „Das habe ich schon so oft erzählt“, sagt sie. Wie sie auf dem Weg zu einer Award-Verleihung abgestürzt ist, 18 Tage lang im Koma lag und nicht wusste, ob und wie es weitergeht. Wie lange es gedauert hat, bis sie wieder „richtig“ auf den Beinen war. Das lange Liegen und gebrochene Rippen sind für eine kräftige und elastische Stimme alles andere als zuträglich. Hat ihre Stimme denn sehr gelitten? Da schmunzelt die Sängerin. „Ich muss zugeben, dass es bescheuert klingt: Aber für meine Stimme war der Unfall sogar eher von Vorteil. Denn ich hatte tatsächlich all die Jahre vor dem Unfall sehr viel Stress und war sehr schnell heiser. Der Stimme eine Weile Ruhe zu gönnen tat ihr eigentlich ganz gut.
Gerade kommt sie aus der Dominikanischen Republik, hat einen fast zehnstündigen Flug hinter sich. Für die Stiftung Fly and Help, die weltweit Schulen baut, hat sie dort ein Charity-Konzert gegeben, zu dem 800 deutsche Urlauber mitgenommen wurden. „Allein durch diese 800 Menschen wird es möglich, demnächst sieben neue Schulen zu bauen“, freut sie sich. Und in ein Flugzeug einzusteigen – das löst keine Beklemmung mehr aus? „Glücklicherweise gar nicht. Ich bin zuhause über den Wolken. Und sitze am liebsten am Fenster!“ Nicht nur um einen einzigartigen Blick auf die Weltmeere und Kontinente zu genießen, sondern ganz pragmatisch auch, um den Kopf anlehnen zu können und jede Minute Schlaf auszunutzen.
Denn seitdem Söhnchen Matti auf der Welt ist, geht es der jungen Mutter wie so ziemlich allen Müttern von kleinen Kindern: Der eigene Schlaf wird weniger, dafür versucht man alles, um den Schlaf seines Kindes zu hüten.
Nach dem Unfall ein Kind zu bekommen, war nicht ganz einfach. Denn viele Brüche bedeuten viele Schmerzen, viele Schmerzen bedeuten viele Schmerzmittel. „Anfangs waren die auch bitter nötig, ohne bin ich fast die Wände hochgegangen“, erzählt Anna-Maria. Natürlich wollten Ärzte immer, dass ihre Patienten möglichst schmerzfrei lebten, aber irgendwann greifen die Mittel Magen und Darm so stark an, dass die weitere Einnahme unmöglich wird - und dann wird Morphium gegeben.
„Irgendwann guckst du auf die Uhr und sehnst dich danach, endlich die nächste Ladung zu bekommen. Und wenn man in Urlaub fährt, ertappt man sich dabei zu zählen, wie viele man mitnehmen muss. Als ich mich kaum noch in die Stadt zu fahren traute, weil es ja beim Rückweg unter Umständen einen Stau geben könnte, sodass ich die Tablette nicht nehmen könnte, war klar: So geht es nicht mehr weiter, es muss auch ohne gehen!“
Die hübsche 30-jährige befand sich in guter Gesellschaft: Laut neuesten Studien (ESA) sind in Deutschland fast zwei Millionen Menschen medikamentenabhängig, über anderthalb Millionen davon schmerzmittelabhängig.
Doch die geborene Kämpferin (Anna ist Schütze!) beschloss, einen Schlussstrich zu ziehen und setzte die Dosis entgegen ärztlichem Rat herab. Bei Morphiumentzug reagiert der Körper ähnlich wie bei Alkohol und Heroin, mit unfassbar schlechter Laune, Schweißattacken, Zitteranfällen.
Als sie den harten Morphium-Entzug hinter sich hatte, nahm sie die Nerventabletten in Angriff, die sie wegen ihres gelähmten Arms nahm. Auch an die hatte sie sich gewöhnt, aber brauchte sie sie überhaupt noch? „Hier war es zu meiner eigenen Überraschung leichter als gedacht. Ich hatte mit ähnlich schrecklichen Wochen gerechnet wie beim Morphium-Entzug, aber von den Nerventabletten loszukommen, war gar nicht schlimm. Alle drei Wochen wurde die Dosis verringert, bis ich gar keine mehr nahm.“
Jetzt hat sie einen völlig anderen Blick auf das Leben, sieht vieles gelassener und versteht oft nicht, warum sich Menschen über so viele Dinge aufregen – gerade in Deutschland. Gelassener ist die Sängerin auch beim Sport geworden. „Früher musste ich immer absolut aufs Ganze gehen und habe mich wahnsinnig gerne ausgepowert. Jetzt komme ich oft erst abends um halb neun Uhr dazu, mich hinzusetzen und habe dann leider sehr, sehr wenig Lust auf Sport.“
Aber im Vergleich ist sie dann doch auch hier ambitioniert: Sie achtet auf ihre Ernährung, macht Ausdauertraining und schnallt sich ein bis zweimal wöchentlich Stromkabel um, um mit EMS-Training die tiefsten Muskeln des Körpers zu aktivieren. Auch tägliche, ausgedehnte Spaziergänge mit dem kleinen Matti lässt sich die fröhliche Schlagersängerin nicht nehmen. Oft setzt sie ihn in den Fahrradanhänger und radelt zu ihrem Mann, einem Koch, ins Restaurant. „Ich bin schon sehr gerne aktiv. Und freue mich jeden Tag darüber, mein Leben wieder in eigene Hände nehmen zu können!“