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28. Mär 2023

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Wirtschaft

Tierwohl - Ihr Wohl liegt uns im Magen.

Journalist: Chan Sidki-Lundius

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Foto: Christopher Carson/unsplash

Die Anzahl von Vegetariern in Deutschland ist im letzten Jahr auf 7,90 Millionen angestiegen. Bei einer Umfrage gaben 69 % der Befragten an, dass sie durch ihren Fleischverzicht, weniger Tierleid verursachen wollen.

Doch auch unter den Fleischessern nimmt die Bedeutung der Herkunftsbedingungen aus der Fleischindustrie immer mehr zu.  Verbraucher sind zunehmend bereit, mehr Geld für Fleisch aus guten Haltungsbedingungen zu bezahlen. Seit 2019 gibt es die Kennzeichnungspflicht der Haltungsformen. Dieses einheitliche Label ist in vier Stufen eingeteilt: Von (1) Stallhaltung nach gesetzlichem Mindeststandard, (2) Stallhaltungplus über (3) Außenklima bis (4) Premium mit Auslauf im Freien und Futter ohne Gentechnik.

Bisher findet man diese Kennzeichnungsstufen aber nur auf Frischfleisch-Verpackungen von Schwein, Rind oder Geflügel in den Selbstbedienungstheken. Zudem kommt das Fleisch-Angebot fast ausschließlich aus einer der beiden schlechtesten Stufen. Fleisch der höheren Stufen fanden die Verbraucherzentralen in ihrem bundesweiten Marktcheck kaum. Dabei stehen nach ihrer Auffassung einzig die Haltungsformen 3 und 4 für eine deutlich verbesserte Tierhaltung: „Der Vorstoß des Handels sorgte zwar für mehr Orientierung, ist aber keinerlei Ersatz für ein ambitioniertes staatliches Tierwohlkennzeichen“. Die Verbraucherzentrale fordert, dass das staatliche Tierwohl-Kennzeichen über die reine Haltung hinaus geht und die gesamte Prozesskette von der Haltung der Elterntiere über die Jungtieraufzucht, Mast und Transport bis hin zur Schlachtung umfasst. Die Anforderungen dieses staatlichen Zeichens müssen deutlich über dem gesetzlichen Mindeststandard liegen.

Im Gegensatz zum Begriff „Tierschutz“,  bei  dem alle rechtlichen Rahmenbedingungen zur Haltung und zum Umgang mit Tieren seit 2002 in Artikel 20a des Grundgesetzes verankert sind, hat der Begriff „Tierwohl“ – entgegen der Erwartung vieler Verbraucher – bislang keine einheitliche Definition. Aus Sicht der Wissenschaft bemisst sich das Wohlbefinden daran, inwieweit sich ein Tier seinen natürlichen Bedürfnissen entsprechend mit seiner Umgebung auseinandersetzen und dabei positive Gefühle empfinden kann. Doch ein einheitlicher Maßstab oder Kriterien zur Erfassung und Auswertung gibt es dafür nicht.

Die Bundesregierung will nun auf jeden Fall ein besseres Leben für Masttiere in Deutschland einführen. Den Anfang soll ein Gesetz zur Haltungskennzeichnung machen. Doch vorerst gilt diese geplante Kennzeichnung nur für frisches, unverarbeitetes Schweinefleisch aus Deutschland. Eingeführt werden sollen die Haltungsstufen Stall, Stall+Platz, Frischluftstall, Auslauf/Freiland und Bio als Extra-Kategorie. Damit will Cem Özdemir, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft, für mehr Transparenz, Tierwohl und Nachhaltigkeit in der Landwirtschaft sorgen.

Das Bundeskabinett hat im Oktober 2022 dafür einen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht, der erstmals ein verpflichtendes Kennzeichen für die Schweinehaltung umfasst. Stück für Stück sollen weitere Bereiche und Tierarten dazukommen.

Auch die tierhaltenden Betriebe wollen mehr Verbindlichkeit und Planungssicherheit. Denn die für die Verbesserung der Haltungsbedingungen erforderlichen Investitionen sind zum Teil beträchtlich und bedeuten für Landwirte langfristige Weichenstellungen – etwa beim Stallbau und Bestandsgrößen. Ebenso wissen sie, dass die zukünftige gesellschaftlich Akzeptanz der Nutztierhaltung in Deutschland in hohem Maße vom sogenannten Tierwohl abhängig ist.

Da eine so große Aufgabe, wie das Agrar- und Ernährungssystem zukunftsfähig mit den Herausforderungen des Umwelt- und Ressourcenschutzes umzubauen, nur gemeinsam gelingen kann, wurde das Dialognetzwerk zukunftsfähige Landwirtschaft gegründet. Es ist ein gemeinsames Netzwerk des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) und dem Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz (BMUV). Es bringt praktisch Tätige aus Landwirtschaft und Naturschutz zusammen und spiegelt die Vielfalt der Landwirtschaft im Bundesgebiet wider. Mit dem Dialognetzwerk sollen frühzeitig Praxiswissen und Diskusionen um Zukunftsfragen in die Arbeit der beiden Bundesministerien einfließen. Damit streben BMEL und BMUV eine neue Form der gemeinsamen Beteiligungskultur an.

Die Mitglieder sollen zunächst vier Jahre lang aktiv in die Politikberatung eingebunden werden. Im ersten Themenjahr stehen Aspekte des Klimaschutzes und der Anpassung an Folgen der Klimakrise sowie der Stärkung der Resilienz in der Landwirtschaft im Mittelpunkt der Gespräche.

Zur Eröffnung der EuroTier 2022 im letzten November forderte Netzwerk-Mitglied und Präsident der Deutsche Landwirtschaftsgesellschaft e. V. Hubertus Paetow planbare Rahmenbedingungen für die Landwirtschaft: „Das Innovationssystem in unserem Sektor ist so stark und leistungsfähig, dass es die passenden Antworten auf die Fragen liefert, die die Gesellschaft berechtigterweise an die Tierhaltung stellt. Veränderung unter Druck muss aber planbar unterstützt werden.“

Der DLG-Präsident beklagt, dass weder die zukunftsorientierten und vor allem gesellschaftlich breit abgestimmten Vorschläge der Borchert-Kommission noch die Rahmenbedingungen für eine verlässliche Investition in nachhaltige Zukunftstechnologien von der Politik auf die Spur gesetzt worden seien. Das ist für die Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe ein Desaster. Es lägen gute Konzepte auf dem Tisch und große Teile der Schweinehaltungsbranche seien auch schon in Vorleistung gegangen und haben in modernen Stallbau oder Stallumbau investiert, der Tierwohl sicherstellt, die Emissionen aus der Tierhaltung substanziell verringert und die Produktivität auf einem wettbewerbsfähigen Niveau hält.

Am Ende der Transformation werde eine Tierhaltung stehen, die sich aus eigener Kraft am Markt behaupten könne, mit Tierwohl und Nachhaltigkeit, mit Verbraucherinnen und Verbrauchern, die dies wertschätzen und mit politischen Rahmenbedingungen, die Anforderungen von Gesellschaft und Wettbewerb gleichermaßen berücksichtigen: „Tierhaltung ist Zukunft!“, hielt DLG-Präsident Paetow zum Abschluss fest.

11. Sep 2024

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Wirtschaft

4 Gütesiegel in der Landwirtschaft

**AMA-Siegel – staatlich geprüft** Das AMA-Gütesiegel ist das bekannteste österreichische Gütesiegel, dessen Grundlage das österreichische AMA-Gesetz von 1992 ist. Es zeichnet konventionell erzeugte Lebensmittel aus, die nach strengen Kriterien in Bezug auf Qualität, Herkunft und Sicherheit produziert wurden. Neben nachvollziehbarer österreichischer Herkunft gehören dazu Anforderungen an die Tierhaltung, den Einsatz von Futtermitteln und die Hygiene in den Verarbeitungsbetrieben. Das ganzheitliche Qualitätssicherungsprogramm basiert auf strengen Kontrollen entlang der gesamten Produktionskette – vom Bauernhof bis zur Theke. So werden sämtliche AMA-Produkte in einem dreistufigen Kontrollprozess aus Eigenkontrolle, externer Kontrolle und stichprobenartiger Überkontrolle geprüft. Die Anforderungen an die Produkte gehen über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus, welche in den jeweiligen Richtlinien geregelt sind. Bei den Tierschutzstandards gibt es freiwillige Zusatzmodule. Vergeben wird das Gütesiegel von der Marktordnungsstelle Agrarmarkt Austria (AMA) im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags. Weiterführende Informationen unter: amainfo.at ![artem-beliaikin-8wtuWVzQbpE-unsplash.jpg](https://fra1.digitaloceanspaces.com/cwbucket/artem_beliaikin_8wtu_W_Vz_Qbp_E_unsplash_ec4014f31a.jpg) (c) Artem Beliaikin/unsplash **Bio Austria – mehr Bio geht kaum** Das Bio Austria-Gütesiegel kennzeichnet eine breite Palette von pflanzlichen und tierischen Bio-Lebensmitteln und steht für höchste Qualität, umfassende Nachhaltigkeit und ethische Verantwortung. So geht das vom Anbauverband österreichischer Biobauern herausgegebene Label deutlich über die Mindestanforderungen des EU-Bio-Siegels hinaus. Der gesamte Betrieb muss biologisch bewirtschaftet werden und es gelten strengere Kriterien bei Art, Ausmaß und Zeitpunkt des Einsatzes von biologischen Pflanzenschutz- und Düngemitteln sowie für Futtermittelimporte. Hierzu gehört beispielsweise der Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide und Düngemittel, die Förderung von Biodiversität sowie der Einsatz von gentechnikfreiem Saatgut und Futtermitteln. Im Bereich der Tierhaltung legt das Siegel besonderen Wert auf artgerechte Bedingungen, wie ausreichend Platz und Bewegung sowie Zugang zu Freiland. Die Futtermittel stammen primär aus Österreich, Rinder bekommen im Vergleich zu gewöhnlichem Bio deutlich weniger Kraftfutter. Zu finden ist das Siegel hauptsächlich auf direkt vermarkteten Bio-Produkten in Hofläden, Bauernmärkten aber auch in Supermärkten. Weiterführende Informationen unter: www.bio-austria.at ![pexels-pixabay-164504.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/pexels_pixabay_164504_c2df8ec61d.jpg) (c) Pixabay/pexels **Tierwohl kontrolliert - Haken dran** Die Gütezeichen “Tierwohl kontrolliert” steht für biologische Tierhaltung, welche über die EU-Bio-Verordnung hinausgeht. Es kennzeichnet Lebensmittel bei deren Herstellung das Wohl der Tiere im Mittelpunkt steht. Dazu gehören artgerechte Haltung, wiederkäuergerechte Fütterung und der Ausschluss von qualgezüchteten Rassen. Es gibt zwei Varianten des Siegels. “Tierwohl kontrolliert 2 Häkchen“ kennzeichnet diverse Verbesserungen im Tierhaltungs-Standard des biologischen Landbaus aber erreicht noch nicht den höchsten möglichen Standard. Es werden konkrete Richtlinien für Mast- und Milchrinder sowie Mastschweine definiert. Das Siegel “Tierwohl kontrolliert 3 Häkchen“ steht für noch strengere Anforderungen und bietet den Tieren erheblich mehr Platz und noch bessere Lebens- und Schlachtbedingungen. Neben Richtlinien für Mastschweine, Mast- und Milchrinder gibt es weitere für Legehennen, Masthühner und -enten sowie Milchschafe und -ziegen. Jede Richtlinie unterliegt einer permanenten Evaluierung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie Kontrollergebnissen aus Tierhaltung, Landwirtschaft und Verarbeitung. Siegel-Herausgeber ist die Gesellschaft !Zukunft Tierwohl! Weiterführende Informationen unter: www.zukunfttierwohl.at ![daniel-leone-LXQx98FPPQ4-unsplash.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/daniel_leone_LX_Qx98_FPPQ_4_unsplash_7a422f1f60.jpg) (c) Daniel Leone/unsplash **Geschützte Ursprungsbezeichnung – sicher vermarktet** Das EU-Kennzeichen "geschützte Ursprungsbezeichnung" (g.U.) garantiert, dass die Erzeugung, Verarbeitung und Zubereitung von Erzeugnissen in einem bestimmten geografischen Gebiet nach festgelegten Herstellungsverfahren erfolgt ist. Die Lebensmittel, Weine und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnisse weisen somit aufgrund ihrer Herkunft und spezieller Produktionsverfahren besondere Eigenschaften und Qualitäten auf. So dürfen beispielsweise der Tiroler Graukäse (g.U.), die Pöllauer Hirschbirne (g.U.) oder die Steirische Käferbohne (g.U.) mit dem geschützten geografischen Namen bezeichnet und vermarktet werden. Jeder Verarbeitungsschritt – also Erzeugung, Verarbeitung und Zubereitung – muss dabei in der jeweiligen Region erfolgen. Gebiet und Herstellungsverfahren sind in einer Produktspezifikation festgelegt. Das Siegel zielt darauf ab, traditionelle Herstellungsverfahren zu bewahren, die Produzenten vor Nachahmung zu schützen und ihnen einen Marktvorteil bei der EU-weiten Vermarktung zu verschaffen. Vergeben wird das Siegel von der Europäischen Kommission in Zusammenarbeit mit einer nationalen Behörde. Weiterführende Informationen unter: www.svgh.at ![alexander-maasch-KaK2jp8ie8s-unsplash.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/alexander_maasch_Ka_K2jp8ie8s_unsplash_59dbc11c7a.jpg) (c) Alexander Maasch/unsplash