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19. Jun 2024

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Wirtschaft

Transformation regional gestalten

Journalist: Julia Butz

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Foto: Marcin Jozwiak/unsplash, BDI

Innovative Regionen entwickeln Modelle für die Lebens- und Wirtschaftsräume von morgen. Dabei sind Eigeninitiative und Kollaboration gefragt.

Im Zeitalter der Green Economy muss Wirtschaft klima- und umweltfreundliche Prozesse aufbauen, gleichzeitig ein konstantes und gesundes Wachstum ermöglichen und international wettbewerbsfähig blieben. Als nachhaltige Ökonomie im Sinne des Gemeinwohls, die auch kommenden Generationen Handlungsoptionen bewahrt. Um die damit verbundenen bedeutenden Ziele umzusetzen, kann es keine einheitliche Strategie geben, es braucht die Differenzierung, das Herausarbeiten von regionalen Chancen sowie maßgeschneiderte regionalspezifische Lösungen. Eine Politik mit Förderstrategien, die in Fragen des Strukturwandels bislang vermehrt auf strukturschwache Räume abzielte, ist dabei kaum der richtige oder ausreichende Ansatz. Denn von den immensen Umwälzungen sind auch Regionen betroffen, die in besonders hohem Maße vor dem grünen Wandel stehen, aber noch wirtschaftsstark sind. Und über eine industrielle Basis verfügen, die es auch zukünftig zu erhalten gilt. Somit muss es bei der grünen Transformation nicht zwangsläufig um De-Industrialisierung oder die Abkehr von gewachsenen Strukturen gehen. Im Gegenteil: Der Wandel ist sehr viel effektiver möglich, wenn auf vorhandene Infrastrukturen und traditionelle Stärken aufgebaut wird – allerdings mit innovativen Denkansätzen, neuen Organisationsformen und einem hohen Maß an Co-Innovation.

Die umfangreichen Umwälzungen auf dem Weg in eine CO2-freie Industrie, wie beispielsweise der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft, können nicht von einzelnen Akteuren allein realisiert werden. Sie ist eine gemeinsam getragene Zukunftsvision, die branchenübergreifende Allianzen und Bündnisse braucht, die Initiierung gemeinsamer Projektideen sowie den Wissenstransfer mit Forschungsinstitutionen, Universitäten und Hochschulen. Je größer die Vernetzung, desto fruchtbarer der Zukunftsdialog, desto wahrscheinlicher der Kompetenzaufbau und die Fähigkeit, durchdachte Entscheidungen treffen zu können.

Eine generelle Skepsis vor Vernetzung ist dabei unnötig. Ein Netzwerk bezeichnet immer die autonome und gleichwertige Zusammenarbeit auf Augenhöhe. Als eine initiative Organisation, bei der nicht die kompetitive Durchsetzung, sondern die Kollaboration im Fokus steht und als eine kooperative Investition, die allen zugutekommt. Vernetzung und Kooperation als Schlüssel für Innovation: Hochinnovative Unternehmen verfügen lt. einer aktuellen Studie* in der Regel über stark vernetzte Wertschöpfungsstrukturen durch solide und langjährige Partnerschaften mit Lieferanten und Kunden sowie einen intensiven Austausch mit der Wissenschaft. Während bei eher innovationsschwachen Unternehmen so gut wie keine Verbindungen zur Wissenschaft bestehen. Dabei ist Wissenstransfer der Schlüssel zum Fortkommen, das weiß die Wissenschaft, die durch den freien Austausch im buchstäblichen Sinne Wissen schafft, seit jeher. Nun ist auch die Wirtschaft gefragt, sich auf gemeinsame Lernreise zu begeben, kollektive Visionen und regionale Strategien zu entwickeln, um vom Veränderungsprozess zu profitieren und um potenziell negative Auswirkungen, soweit es geht, minimieren zu können. Auch kleinere Regionen oder einzelne Kommunen werden so befähigt, neue Wege gehen zu können. Denn je mehr diese in einem Verbund eingebettet sind, desto einfacher ist es, den geeigneten Partner zu finden.

Jede Region, jede Stadt oder jeder Kreis hat seine eigenen Herausforderungen. Je nachdem, wo die strukturbestimmenden Industrien sind oder einzelne Hotspots mit einem besonders hohen Beschäftigungsanteil in wandlungsbedürftigen Branchen oder wo es neuer Jobs in Zukunftsmärkten bedarf. In energieintensiven Regionen wie beispielsweise dem Ruhrgebiet oder Teilregionen in Sachsen-Anhalt ist man mit dem Strukturwandel infolge des Kohleausstiegs bereits vertraut und konnte einen Teil zukunftsfähiger und erfolgreicher regionaler Transformation zurücklegen. Eine automobile Transformationsregion wie das Saarland, das im hohen Maße von der Zulieferindustrie für konventionelle Motoren und Kraftstoffsystemen abhängig ist, steht nach dem Wandel von der Montan- zur modernen Industrieregion erneut vor der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle. Andere Regionen haben den Wandel von einer bergbaugestützten Industrie in eine Wissensgesellschaft bereits in großen Teilen erfolgreich organisiert, wie der Raum Leipzig-Halle-Jena.

Transformationserfahrene Regionen können aus diesen Prozessen lernen, im besten Falle als positive Erfahrung verbuchen und eine pessimistische Zukunfts- und Umbruchsituation in eine aussichtsreiche Aufbruchsstimmung verwandeln. Denn es braucht auch den gesellschaftlichen Konsens und die Beteiligung möglichst vieler Menschen, damit aus einem Traditionsort ein Zukunftsort werden kann. Und nicht zuletzt sehr viel Flexibilität – insbesondere bei den in der Regel fest verankerten Strukturen einer auf fossilen Energieträgern beruhenden Wirtschaft.

Eine insgesamt proaktive und regionalisierte Innovationspolitik sollte die geeigneten strukturellen Rahmenbedingungen und die Voraussetzungen dafür schaffen, die regionalen Akteure dazu zu ermächtigen, die Energiewende vor Ort selbst zu gestalten, Systeme zu verknüpfen und Ressourcen zusammenführen zu können. Mit einer Politik, die bürokratische Hemmnisse minimiert, Fördervoraussetzungen erleichtert und schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren durchsetzt. Dann können Regionen zu den Schlüsselakteuren der Zukunftsgestaltung werden.+

  • Bertelsmann-Studie Innovative Milieus 2023

Interessanter Fakt:

Die Bundesregierung hat mit dem Strukturstärkungsgesetz Kohleregionen StStG 2020 Finanzhilfen in Höhe von über 40 Mrd. Euro zur Stärkung der Wirtschaftsstruktur bereitgestellt, um den Strukturwandel in den vom Kohleausstieg betroffenen Regionen zu ermöglichen.

23. Dez 2025

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Gesellschaft

Warum es so wichtig ist, konsequent nachhaltig zu bauen – Ein Beitrag von Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand DGNB e.V.

Nachhaltiges Bauen bedeutet weit mehr als energieeffiziente Gebäude oder den Einsatz ökologischer Materialien. Es beschreibt einen ganzheitlichen Ansatz, bei dem Gebäude über ihren gesamten Lebenszyklus hinweg betrachtet werden: von der Planung über den Bau und die Nutzung bis hin zu Umbaumaßnahmen oder den Rückbau. Ziel ist es, Umweltbelastungen zu minimieren, Ressourcen zu schonen, Menschen gesunde und lebenswerte Räume zu bieten und gleichzeitig wirtschaftlich sinnvolle Lösungen zu schaffen. Stand heute ist der Bausektor nach wie vor für einen erheblichen Teil der globalen CO2-Emissionen, den Verbrauch natürlicher Ressourcen und den zunehmenden Verlust der Biodiversität verantwortlich. Gleichzeitig verbringen wir den Großteil unseres Lebens in geschlossenen Räumen, die unser Wohlbefinden stärken sollen, ohne dabei die Zukunft unseres Planeten zu gefährden. Zudem leben immer mehr Menschen in der Stadt. Der Bedarf an attraktiven und dazu noch klimaresilient gestalteten Freiräumen wächst. Nachhaltige Architektur bietet einen ganzheitlichen Ansatz, um die Klimakrise zu bekämpfen, soziale Gerechtigkeit zu fördern und langfristige wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Wie ein Perspektivwechsel in diese Richtung gelingen kann, zeigen wir noch bis zum 28. Januar 2026 mit der ersten DGNB Ausstellung „What If: A Change of Perspective“ in der Berliner Architekturgalerie Aedes. Die Ausstellung fordert Besucherinnen und Besucher dazu auf, gewohnte Denkmuster zu hinterfragen und die Themenvielfalt des nachhaltigen Bauens neu und unvoreingenommen auf sich wirken zu lassen. >Nachhaltige Architektur bietet einen ganzheitlichen Ansatz, um die Klimakrise zu bekämpfen, soziale Gerechtigkeit zu fördern und langfristige wirtschaftliche Stabilität zu gewährleisten. Anhand gebauter Beispiele wird deutlich, dass viele Lösungen bereits existieren. So erfährt der Besuchende anschaulich, wie Gebäude klima- und ressourcenschonend geplant werden können, indem Materialien im Kreislauf geführt, Energie effizient genutzt oder sogar erzeugt wird und der gesamte Lebenszyklus eines Gebäudes berücksichtigt bleibt. Ebenso thematisiert werden Klimaanpassung und Resilienz: durch kluge Gestaltung, Begrünung und Freiräume können Gebäude und Städte besser mit Hitze, Starkregen oder Trockenperioden umgehen. Ein weiterer Fokus liegt auf dem Menschen. Nachhaltiges Bauen stellt das Wohlbefinden, die Gesundheit und das soziale Miteinander in den Mittelpunkt. Architektur kann Begegnung fördern, Identität stiften und bezahlbaren Wohnraum schaffen, ohne dabei die Umwelt aus dem Blick zu verlieren. Auch der verantwortungsvolle Umgang mit bestehenden Gebäuden spielt eine zentrale Rolle. Sanieren, Umnutzen und Weiterbauen im Bestand werden als Strategien gezeigt, um Flächen zu schützen und Ressourcen zu sparen. Nicht zuletzt wird klar, dass Nachhaltigkeit keine Kostenspirale sein muss. Ganzheitlich geplante Gebäude sind oft wirtschaftlicher, weil sie langfristig Betriebskosten senken, Risiken minimieren und ihren Wert erhalten oder steigern. Nachhaltiges Bauen ist kein abstraktes Expertenthema und schon gar keine Zukunftsvision, sondern eine konkrete Chance. Für lebenswerte Städte, für gesunde Räume und für eine gebaute Umwelt, die den Herausforderungen unserer Zeit gewachsen ist. Als inhaltlich getriebener Non-Profit-Verein begreifen wir das nachhaltige Bauen seit unserer Gründung vor 18 Jahren als gesellschaftliche Aufgabe, nach der wir unser Handeln ausrichten. Mit der Ausstellung laden wir jeden einzelnen ein, genauer hinzusehen, weiterzudenken und selbst Teil des Wandels zu werden. Weitere Informationen gibt es unter www.dgnb.de/aedes