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16. Dez 2022

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Wirtschaft

Transparente und nachhaltige Produktion

Journalist: Martin Ruskowski, Hochschulprofessor an der TU Kaiserslautern und Vorstandsvorsitzender der Technologie-Initiative SmartFactory

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Foto: Presse

CO2-Fußabdruck, Energieeffizienz, Kreislaufwirtschaft: Um den Klimawandel zu stoppen, müssen wir nachhaltig und umfassend umdenken. Gerade Deutschland als maßgebender Produktionsstandort muss hier vorangehen und die Maßstäbe setzen.

Einer der zentralen zukünftigen Aspekte ist der Einstieg in eine reale Kreislaufwirtschaft. Produkthersteller müssen Reparaturen und den Austausch verschlissener Komponenten ermöglichen und langlebige Komponenten bei der Herstellung neuer Produkte wiederverwendet werden. Denn gerade in komplexen Produkten werden viele Teile während ihres Lebenszyklus nur wenig benutzt. Wenn sie noch tauglich sind, spricht nichts dagegen, sie erneut  zu integrieren. Doch dazu muss die Geschichte eines Produkts und seiner Komponenten von Anfang an dokumentiert sein. Ein Weg dazu kann die digitale Lebenszyklusakte sein, an der wir aktuell arbeiten. Darin wird digital festgehalten, um welches Produkt es sich handelt, welche Teile enthalten sind, welche Materialien verbaut wurden und welche Verarbeitungsschritte genau durchgeführt worden sind. Nur so ist echtes Recycling im Sinne einer Wiederverwertung möglich. Denn derzeit scheitert die Wiederverwertung daran, dass niemand weiß, welche Kunststoffe oder Metallverbindungen ursprünglich verbaut wurden.

Ein weiterer Baustein auf dem Weg der Eindämmung des Klimawandels ist die kontinuierliche Optimierung der Energieeffizienz. Unsere Vision Production Level 4 zeigt auf, wie eine verteilte Produktion, eine Shared Production, aussehen kann. Darin werden Produktionsnetzwerke intelligent, produktindividuell und firmenübergreifend konfiguriert. Konkret stellen wir uns digitale Plattformen vor, über die Maschinen angeboten werden, die zur Fertigung ausgewählt werden können. Bei deren Auswahl können so zukünftig Eigenschaften wie die Energieeffizienz oder ein geringer CO2-Fußabdruck berücksichtigt werden. Durch die Verknüpfung der Produktionsdaten mit der Lebenszyklusakte kann zudem der Nachweis einer nachhaltigen Fertigung für das einzelne Produkt festgehalten werden.

Auf der Hannover Messe 2023 werden wir erstmals live vorführen, wie der CO2-Fußabdruck eines Produktes exakt ermittelt, dokumentiert und dargestellt werden kann. Technisch ist dieser Schritt machbar, es liegt am politischen Willen, dass er auch umgesetzt wird. Gerade wenn es um die Forschungsförderung geht, sollten diejenigen Projekte besonders berücksichtigt werden, die durch konsequentes Umdenken den Stopp des Klimawandels zum Ziel haben.

Oft wird argumentiert, dass Nachhaltigkeit aufgrund vermeintlich höherer Kosten die Wettbewerbsfähigkeit einschränken würde. Dem möchte ich massiv widersprechen. Vielmehr haben wir in der Vergangenheit durch die Vernachlässigung der ökologischen Folgekosten Kredite auf die Zukunft aufgenommen. Diese Kredite holen uns aktuell ein. Die Folgen der Vernichtung der deutschen Solarindustrie durch eine fehlgeleitete Energiepolitik sind täglich sichtbar. Die Herstellung von wirklich grünem Strom ist unbestritten ein Standortvorteil für Deutschland. Jedoch sind wir immer noch viel zu sehr von fossilen Brennstoffen abhängig und auch die Technologieführerschaft und damit viele Arbeitsplätze sind verloren gegangen. Wir könnten heute schon viel weiter sein.

Als Vorstandsvorsitzender der SmartFactory Kaiserslautern weiß ich, dass bei den meisten unserer Mitgliedsunternehmen die Bereitschaft besteht, die Zukunft unseres Planeten ernsthaft positiv mitzugestalten und ressourcenschonende Technologien zu implementieren. Es wäre wünschenswert, wenn sich viele Unternehmen dem wichtigen Ziel verpflichten würden, den Klimawandel zu stoppen. Gemeinsam können wir an einem Strang ziehen. Neben der notwendigen Änderung eingeschliffener Verhaltensweisen können uns neue Technologien, Künstliche Intelligenz und neu gedachte Systeme helfen.

Seien wir mutig und gehen es an. Für uns, unseren Planeten und unsere Kinder!

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.