Diesen Artikel teilen:

29. Sep 2022

|

Wirtschaft

Verantwortung übernehmen mit Pflanzenschutz

Journalist: Julia Butz

|

Foto: Presse; Karsten Wurth/unsplash

„Der Verzicht von Pflanzenschutzmitteln beeinflusst die Welthunger-Situation maßgeblich“, sagt Prof. Dr. Joseph-Alexander Verreet, Universität Kiel.

josephv-online.jpg

Die landwirtschaftlichen Flächen sind auf dem Globus begrenzt und betragen gerade einmal 8%. Alle anderen Flächen sind durch Wasser, Gebirge, Wüsten, Eiszonen und Wälder geprägt oder lassen nur eine Bewirtschaftung als Grünland zu. Nach aktuellen Schätzungen der UN leiden mehr als 800 Mio. Menschen weltweit an Hunger. Jeden Tag kommen 200.000 Menschen hinzu und wollen ernährt werden. Kriege und die Folgen des Klimawandels mit extremen Wetterbedingungen verschlechtern die Voraussetzungen für Erntesicherheit zunehmend.

Um den wachsenden Hunger auf der Welt zu stillen, müssen sich die Ernten bis 2050 auf den vorhandenen Flächen verdoppeln. Dazu kommt der steigende Bedarf an pflanzlichen Futtermitteln und landwirtschaftlichen Rohstoffen als alternativer Energielieferant. Gleichzeitig soll die Landwirtschaft nachhaltiger wirtschaften und sparsamer mit Dünger und chemischen Pflanzenschutzmitteln umgehen. Ressourceneffizienz heißt das Gebot der Stunde und ist dafür ausschlaggebend, die Ernährungssicherheit der Zukunft sicherzustellen.

Die zur Verfügung stehenden Ertragspotenziale lassen sich ohne Pflanzenschutz nicht voll ausschöpfen, sagt Prof. Dr. Joseph-Alexander Verreet, Universität Kiel. Einzige Alternative ohne Pflanzenschutz dieselben Erträge erzeugen zu können, sei mehr Fläche - die allerdings nicht beliebig erweiterbar ist, variierende Bodenqualitäten vorweist und zu Lasten natürlicher Schutzgebiete und Biotope geht.

Rund um den Globus werden 5 Mrd. ha landwirtschaftlich genutzt, davon 3,55 Mrd. ha Weideland und 1,45 Mrd. ha Ackerfläche. Nur 260 Mio. ha werden zur Nahrungsmittelproduktion genutzt, auf den restlichen werden Futtermittel, Substrate für Bioenergie und Fasern angebaut. Diese Ackerfläche ernährte vor rund 20 Jahren unter Einsatz von Pflanzenschutzmaßnahmen 6,13 Mrd. Menschen. Ohne Pflanzenschutz wäre dazu eine mehr als doppelt so hohe Gesamtfläche erforderlich gewesen. 2025 würde demnach ohne Pflanzenschutz, ausgehend von einer Weltbevölkerung von 8 Mrd., ein Flächenbedarf von insgesamt 5,9 Mrd. ha erforderlich sein.

Ein hoher Ertrag hängt nicht nur von Witterung und Düngung ab. Pflanzenschutz sichert das Ertragspotenzial, indem möglichen Schäden vorgebeugt und die Ernten in der Folge abgesichert werden. Dank der Forschungen der Phytomedizin können Verluste auf dem Acker durch Krankheiten oder Nahrungskonkurrenten und in der Lagerung durch Bakterien, Pilze oder Schädlinge so gering wie möglich gehalten werden. Parameter des chemischen Pflanzenschutzes werden dabei exakt auf potentielle Erreger hin analysiert und zielgenau auf das unbedingt notwendige Maß abgestimmt. Dadurch ist es möglich die jährlich und standortspezifisch variierende Epidemie­ und Schadensdynamik um bis zu 70 % zu reduzieren.

Die Qualitäten der Absicherung und Verlustvermeidung für den Ackerbau hängen in hohem Maße von der technischen Ausstattung, dem nötigen Kapital, von der Zulassung der jeweiligen Wirkstoffe, von der richtigen Terminierung und dem Know-How ihrer Anwender ab.

Wir in Europa und speziell in Deutschland haben hinsichtlich Ausbildung, technischer Ausstattung, die sichersten Pflanzenschutzmittel und naturräumlichen Voraussetzungen wie Böden und Klima und somit die besten landwirtschaftlichen Voraussetzungen. Daher werden auch in unseren Regionen die höchsten Erträge und Qualitäten weltweit erzielt. Eine Reduzierung und Verweigerung der natürlichen Ausschöpfung der Flächenerträge führt zwangsweise entweder zu einer Verknappung auf dem Weltmarkt und steigenden Preisen oder zu einem überproportionalen Flächenverbrauch in anderen Regionen dieser Erde, da deren Flächen nicht so fruchtbar sind. Somit exportieren wir unsere vermeintlichen Probleme nur in andere ärmere Länder.

Prof. Verreet sieht die Forderungen nach weiteren Reduktionen des Pflanzenschutzes mit Sorge. Wenn eine industrialisierte Region mit besten ackerbaulichen Potenzialen, wie z. B. Deutschland den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln reduziert und damit in der Folge geringere Erträge und Qualitäten bis zu 40 % in Kauf nimmt, entwickelt sich diese zwangsläufig zum Importeur auf dem Agrarmarkt - zu Lasten erheblicher Preissteigerungen für den Konsumenten und der ärmeren Weltregionen. Schon heute nimmt der Import immer weiter in der EU zu. Um den Herausforderungen in der Landwirtschaft gerecht zu werden, benötigen wir eine Steigerung der Flächenproduktivität von jährlich 2,5 %. Aktuell liegt diese weltweit bei 1% und innerhalb der EU sogar bei nur 0,6%. Die derzeitigen politischen Planungen auf EU-Ebene zur weiteren drastischen Reduzierung der wichtigen landwirtschaftlichen Produktionsfaktoren „Düngung“ und „Pflanzenschutz“ werden die Flächenproduktivität dramatisch in Quantität und Qualität reduzieren. Ob diese Verlagerung der Probleme in ärmere Regionen ethisch und moralisch zu rechtfertigen ist, gilt es zu diskutieren.

Pflanzenschutz ist ein wichtiger und notwendiger Faktor zur Sicherung der Welternährung. Dabei widersprechen sich hohe Produktivität und Nachhaltigkeit nicht, wie wir es anhand der inländischen landwirtschaftlichen Produktion ableiten können. Die Belastung mit Pflanzenschutzmitteln nimmt immer weiter ab. Innovation anstelle von Verboten: Die Verknüpfung guter Standortbedingungen mit modernstem Know-how ermöglichen Höchsterträge. Das sind die Voraussetzungen die es braucht, um die wirtschaftlich und ökologisch verantwortliche Erzeugung von Nahrungsmitteln in ausreichender Menge und hoher Qualität sicherstellen zu können. Denn das Recht eines jeden Menschen auf Nahrung, ist ein Menschenrecht. Gerade der Gunststandort „Europa“ hat hier eine große globale Verantwortung.

11. Sep 2024

|

Wirtschaft

4 Gütesiegel in der Landwirtschaft

**AMA-Siegel – staatlich geprüft** Das AMA-Gütesiegel ist das bekannteste österreichische Gütesiegel, dessen Grundlage das österreichische AMA-Gesetz von 1992 ist. Es zeichnet konventionell erzeugte Lebensmittel aus, die nach strengen Kriterien in Bezug auf Qualität, Herkunft und Sicherheit produziert wurden. Neben nachvollziehbarer österreichischer Herkunft gehören dazu Anforderungen an die Tierhaltung, den Einsatz von Futtermitteln und die Hygiene in den Verarbeitungsbetrieben. Das ganzheitliche Qualitätssicherungsprogramm basiert auf strengen Kontrollen entlang der gesamten Produktionskette – vom Bauernhof bis zur Theke. So werden sämtliche AMA-Produkte in einem dreistufigen Kontrollprozess aus Eigenkontrolle, externer Kontrolle und stichprobenartiger Überkontrolle geprüft. Die Anforderungen an die Produkte gehen über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus, welche in den jeweiligen Richtlinien geregelt sind. Bei den Tierschutzstandards gibt es freiwillige Zusatzmodule. Vergeben wird das Gütesiegel von der Marktordnungsstelle Agrarmarkt Austria (AMA) im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags. Weiterführende Informationen unter: amainfo.at ![artem-beliaikin-8wtuWVzQbpE-unsplash.jpg](https://fra1.digitaloceanspaces.com/cwbucket/artem_beliaikin_8wtu_W_Vz_Qbp_E_unsplash_ec4014f31a.jpg) (c) Artem Beliaikin/unsplash **Bio Austria – mehr Bio geht kaum** Das Bio Austria-Gütesiegel kennzeichnet eine breite Palette von pflanzlichen und tierischen Bio-Lebensmitteln und steht für höchste Qualität, umfassende Nachhaltigkeit und ethische Verantwortung. So geht das vom Anbauverband österreichischer Biobauern herausgegebene Label deutlich über die Mindestanforderungen des EU-Bio-Siegels hinaus. Der gesamte Betrieb muss biologisch bewirtschaftet werden und es gelten strengere Kriterien bei Art, Ausmaß und Zeitpunkt des Einsatzes von biologischen Pflanzenschutz- und Düngemitteln sowie für Futtermittelimporte. Hierzu gehört beispielsweise der Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide und Düngemittel, die Förderung von Biodiversität sowie der Einsatz von gentechnikfreiem Saatgut und Futtermitteln. Im Bereich der Tierhaltung legt das Siegel besonderen Wert auf artgerechte Bedingungen, wie ausreichend Platz und Bewegung sowie Zugang zu Freiland. Die Futtermittel stammen primär aus Österreich, Rinder bekommen im Vergleich zu gewöhnlichem Bio deutlich weniger Kraftfutter. Zu finden ist das Siegel hauptsächlich auf direkt vermarkteten Bio-Produkten in Hofläden, Bauernmärkten aber auch in Supermärkten. Weiterführende Informationen unter: www.bio-austria.at ![pexels-pixabay-164504.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/pexels_pixabay_164504_c2df8ec61d.jpg) (c) Pixabay/pexels **Tierwohl kontrolliert - Haken dran** Die Gütezeichen “Tierwohl kontrolliert” steht für biologische Tierhaltung, welche über die EU-Bio-Verordnung hinausgeht. Es kennzeichnet Lebensmittel bei deren Herstellung das Wohl der Tiere im Mittelpunkt steht. Dazu gehören artgerechte Haltung, wiederkäuergerechte Fütterung und der Ausschluss von qualgezüchteten Rassen. Es gibt zwei Varianten des Siegels. “Tierwohl kontrolliert 2 Häkchen“ kennzeichnet diverse Verbesserungen im Tierhaltungs-Standard des biologischen Landbaus aber erreicht noch nicht den höchsten möglichen Standard. Es werden konkrete Richtlinien für Mast- und Milchrinder sowie Mastschweine definiert. Das Siegel “Tierwohl kontrolliert 3 Häkchen“ steht für noch strengere Anforderungen und bietet den Tieren erheblich mehr Platz und noch bessere Lebens- und Schlachtbedingungen. Neben Richtlinien für Mastschweine, Mast- und Milchrinder gibt es weitere für Legehennen, Masthühner und -enten sowie Milchschafe und -ziegen. Jede Richtlinie unterliegt einer permanenten Evaluierung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie Kontrollergebnissen aus Tierhaltung, Landwirtschaft und Verarbeitung. Siegel-Herausgeber ist die Gesellschaft !Zukunft Tierwohl! Weiterführende Informationen unter: www.zukunfttierwohl.at ![daniel-leone-LXQx98FPPQ4-unsplash.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/daniel_leone_LX_Qx98_FPPQ_4_unsplash_7a422f1f60.jpg) (c) Daniel Leone/unsplash **Geschützte Ursprungsbezeichnung – sicher vermarktet** Das EU-Kennzeichen "geschützte Ursprungsbezeichnung" (g.U.) garantiert, dass die Erzeugung, Verarbeitung und Zubereitung von Erzeugnissen in einem bestimmten geografischen Gebiet nach festgelegten Herstellungsverfahren erfolgt ist. Die Lebensmittel, Weine und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnisse weisen somit aufgrund ihrer Herkunft und spezieller Produktionsverfahren besondere Eigenschaften und Qualitäten auf. So dürfen beispielsweise der Tiroler Graukäse (g.U.), die Pöllauer Hirschbirne (g.U.) oder die Steirische Käferbohne (g.U.) mit dem geschützten geografischen Namen bezeichnet und vermarktet werden. Jeder Verarbeitungsschritt – also Erzeugung, Verarbeitung und Zubereitung – muss dabei in der jeweiligen Region erfolgen. Gebiet und Herstellungsverfahren sind in einer Produktspezifikation festgelegt. Das Siegel zielt darauf ab, traditionelle Herstellungsverfahren zu bewahren, die Produzenten vor Nachahmung zu schützen und ihnen einen Marktvorteil bei der EU-weiten Vermarktung zu verschaffen. Vergeben wird das Siegel von der Europäischen Kommission in Zusammenarbeit mit einer nationalen Behörde. Weiterführende Informationen unter: www.svgh.at ![alexander-maasch-KaK2jp8ie8s-unsplash.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/alexander_maasch_Ka_K2jp8ie8s_unsplash_59dbc11c7a.jpg) (c) Alexander Maasch/unsplash