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1. Mär 2025

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Gesellschaft

Verpackungen nachhaltig gut gestalten – mit Uwe Melichar

Journalist: Julia Butz

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Foto: Presse

Design als Schlüssel zu mehr Nachhaltigkeit: Der renommierte Branchenexperte der Verpackungsindustrie Uwe Melichar im Interview.

Als geschäftsführender Gesellschafter bei der Agentur FACTOR und unabhängiger Experte für Verpackung und Design entwickelte Uwe Melichar im Lauf seiner Karriere die unterschiedlichsten Produktverpackungen für globale Konsumgütermarken. Im Gespräch gibt der gefragte Speaker Einblicke über Müllvermeidung, nachhaltige Verpackungslösungen und viele spannende, neue Materialien.

Herr Melichar, wann sind Verpackungen nachhaltig? Das ist ein komplexes Thema. Zunächst stellt sich die Frage, was eine Verpackung leisten muss. Ein Sneaker-Karton hat eine andere Aufgabe als ein Käsescheiben-Pack. Während bei einem Schuhkarton Stossschutz, Stapel- und Transportfähigkeit wichtig sind, müssen Lebensmittelverpackungen u. a. Wiederverschliessbarkeit, Produkt- und Haltbarkeitsschutz sicherstellen. Dazu kommt ihre Funktion als wichtige Kommunikationsfläche. Um es auf den kleinsten Nenner zu bringen: Nachhaltigkeit muss immer im Kontext mit den Verpackungsherausforderungen des einzelnen Produktes betrachtet werden und beginnt dort, wo so wenig wie möglich und nur so viel wie nötig an Material verwendet wird. Bestenfalls mit Monomaterialien, idealerweise nicht aus fossiler Herstellung, sondern aus nachwachsenden Rohstoffen. Papier und Karton, die sehr gute Recyclingquoten aufweisen, sind da gute Beispiele.

Nachhaltigkeit muss immer im Kontext mit den Verpackungsherausforderungen des einzelnen Produktes betrachtet werden und beginnt dort, wo so wenig wie möglich und nur so viel wie nötig an Material verwendet wird.

Am nachhaltigsten wäre natürlich eine Verpackung, die nach ihrem Gebrauch rückstandsfrei zerfällt. Auch dazu gibt es sehr viele hoch spannende Entwicklungen neuer biobasierter Materialien. Hier wird von Kokosnüssen bis zu den Blättern von Bananenstauden oder dem Einsatz von Algen sehr viel experimentiert: Wie eine stosssichere Umverpackung aus geschreddertem Stroh, die mit Pilzen, den sog. Myzelien gebunden wird und schnell verwittert. Eine Alternative, die bereits als Kantenschutz und Versandverpackung für Flaschen eingesetzt wird, allerdings noch sehr hochpreisig ist. Aus Pflanzenresten aus der Agrarindustrie wird ein innovatives, plastikähnliches Material hergestellt und daraus Pommes Frites-Gabeln und Sockenhaken gefertigt, ebenfalls vollständig natürlich abbaubar. Auch wasserundurchlässige Folien, die über hohe Festigkeits- oder Barriereeigenschaften verfügen, lassen sich aus Bioabfällen herstellen. Was sie zu einer grossartigen Alternative zu kunststoffbeschichtetem Papier und Plastikfolien macht. Ein schönes Beispiel sind auch die kleinen Bällchen aus Algenhülle, die beim London Marathon eingesetzt wurden: Die Runner konnten die darin eingekapselte Flüssigkeit einfach im Mund zerplatzen lassen und runterschlucken – ohne Trinkbecher. So werden Tonnen von Müll vermieden. Bei allen diesen Ideen sollte aber auch die technische und wirtschaftliche Komponente nicht vergessen werden. Denn die Materialien müssen sich mit unseren Wertstoffströmen und Abfallsystemen vertragen, um auch im grossen Massstab performen zu können. Gerade an diesen Beispielen wird deutlich, welche Rolle das Verpackungsdesign hat.

Unbedingt: 80 Prozent der Auswirkungen einer Verpackung auf die Umwelt werden bereits durch Entscheidungen in einer sehr frühen Designphase bestimmt! Vermeiden, Reduzieren, Wiederverwenden, Recyceln bzw. kompostieren – für alle diese Massnahmen braucht es das richtige Verpackungsdesign als Teil der Lösung. Zudem verbieten künftig mehr gesetzliche Regulierungen Verpackungen, die zu schwer oder zu voluminös für den Artikel sind und Nachhaltigkeit wird auch von Verbraucher und Handel gefordert. Wichtig ist: keine Kompromisse bei der Funktion und weiterhin eine gute Customer Experience liefern.

80 Prozent der Auswirkungen einer Verpackung auf die Umwelt werden bereits durch Entscheidungen in einer sehr frühen Designphase bestimmt!

Wo sehen Sie die grössten Hebel bzw. Herausforderungen?

Ich bin davon überzeugt, dass geschlossene Materialkreisläufe und ReUse-Me-Systeme wie wiederverwendbare Kaffeebecher und Pfandsysteme zu den wichtigsten Lösungsansätzen gehören. Hier steckt noch viel Potenzial, braucht aber für eine funktionierende Umsetzung mehr Standards und ein gut ausgebautes Netz an Rückgabestellen, bestenfalls europaweit. Aber auch Reduzieren ist eine tolle Möglichkeit. Wie die neu entwickelte Rollflasche, eine Mischung aus Flasche und Tube, die nur minimales Abfallvolumen produziert und recyclingfähig ist. Die Performance von Monomaterialien und Barrieren zu verbessern, um den Anteil von Klebstoffen und Verbundmaterialien zu reduzieren, ist auf dem Weg zu Nachhaltigkeit ebenso essenziell.

##Factbox Wandern, Lesen und Boxen zum Ausgleich. Mit der «Boxschool», einem Verein für Gewaltprävention an Schulen, engagiert sich Uwe Melichar auch sozial. Der Liebhaber der Schweizer Küche führte während seiner Karriere auch ein Büro in Zürich.

9. Jul 2025

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Gesellschaft

Die Herausforderungen des Wohnens heute und morgen – ein Beitrag vin Dr. Christine Lemaitre

Kaum ein Bereich des Lebens ist so individuell und emotional behaftet wie das Wohnen. Die Gestaltung des eigenen Zuhauses spiegelt unsere Persönlichkeit wider, zeigt, worauf wir Wert legen und was wir bereits erlebt haben. Die eigenen vier Wände bieten Sicherheit und sind Orte der Entspannung. Nun rückt das Thema Wohnen in der aktuellen Debatte immer wieder in den Fokus. Es herrscht ein Mangel insbesondere an bezahlbarem Wohnraum und das in allen Schichten der Gesellschaft. Gründe dafür gibt es viele, darunter der Bevölkerungswachstum, Binnenwanderung und gestiegene Baukosten. Lösungsansätze sind vorhanden, die nicht nur angesichts der politischen Klimaziele im Einklang mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz umgesetzt werden müssen. Denn die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Die Baubranche steht als einer der Hauptverursacher klar in der Pflicht, Gebäude und Außenräume wieder für den Menschen zu planen und auf eine langfristige, qualitätsvolle Nutzung auszulegen. Das größte Potenzial, um Ressourcen und CO2 einzusparen, bieten der Erhalt und bei Bedarf die Umnutzung bestehender Gebäude, wodurch auch gleich die baukulturelle Identität des Ortes bewahrt wird. Gerade in Städten, wo der Wohnraum besonders knapp ist, stehen Flächen leer deren ursprünglich vorgesehene Nutzung nicht mehr benötigt wird. Durch Offenheit und Mut kann hier etwas ganz Besonderes entstehen. Nachhaltige Strategien wie Suffizienz und Lowtech bieten sowohl im Neubau als auch im Bestand reizvolles Innovationspotenzial. Mit dem Suffizienz-Gedanken geht die Frage einher, wie viel genug ist. Sie sollte immer wieder gestellt werden, um abzuwägen, was bezüglich Fläche, Material und Gebäudetechnik wirklich gebraucht wird. Wer hier einspart, übernimmt Verantwortung. Das gesparte Geld lässt sich an anderer Stelle beispielsweise zugunsten einer hohen Qualität und guter Gestaltung sinnvoll investieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Flexibilität, um auf sich ändernde Lebenssituationen reagieren zu können. Diese Ansätze sind wie geschaffen für einen neuen, zukunftsweisenden Trend beim Planen, Bauen und Erhalten von Gebäuden. Hilfestellung zur Umsetzung kann das speziell für kleine Wohngebäude entwickelte Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen geben. Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Neben dem ganz eigenen, individuellen Rückzugsraum, bestückt mit liebgewonnenen Möbelstücken und Accessoires, entsteht dadurch ein besonderer Wert, nämlich der der körperlichen und geistigen Gesundheit. >Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Als Non-Profit-Verein setzen wir uns bei der DGNB für die nachhaltige Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft ein. Wir klären auf, leisten Hilfestellung und sensibilisieren für ein verantwortungs- und qualitätvolles Bauen und Betreiben von Gebäuden. Das DGNB-Zertifizierungssystem verhilft dabei allen am Bau Beteiligten zu einem gemeinsamen Verständnis darüber, welche Möglich- aber auch Notwendigkeiten das nachhaltige Bauen mit sich bringt, um einen positiven Beitrag für Mensch, Umwelt und Wirtschaftlichkeit zu leisten.