7. Apr 2021
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Lifestyle
Journalist: Dr. Stephan Mayer-Heinisch
Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, wie weit die Avocado aus dem Supermarkt gereist ist, bis sie auf Ihrem Teller landet? Es ist für uns eine Selbstverständlichkeit geworden, in jedem Lebensmittelgeschäft exotisches „Superfood“ zu bekommen. Kaum jemand weiß, wie und wo es eigentlich hergestellt wurde. In den vergangenen 40 Jahren waren die globalen Nahrungsmittel-Wertschöpfungsketten von einer beispiellosen Dynamik geprägt. Das Outsourcen möglichst vieler Produktionskapazitäten in sogenannte Billiglohnländer wurde salonfähig. Und dann kam Corona.
Was als lokale Epidemie in Wuhan begann, erfasste wenige Monate später die ganze Welt. So dramatisch die sozialen und wirtschaftlichen Folgen der Pandemie auch sein mögen, so positiv sind die Auswirkungen auf einen Teil unserer Konsumvorlieben: Immer mehr Menschen achten darauf, woher ihr Essen kommt. Die Affinität zu regionalen Produkten wächst – ebenso wie die Vielfalt heimischer Lebensmittel und die Wertschätzung für die Arbeit, die dahintersteckt. 2020 konnte der Lebensmitteleinzelhandel hierzulande ein Umsatzplus von sieben Prozent erwirtschaften. Corona hat zudem verdeutlicht, wie wichtig die Lebensmittelversorgung im eigenen Land ist. Der Kauf regionaler Produkte stärkt bäuerliche Familienbetriebe, schont die Umwelt durch kurze Transportwege und hält die Wertschöpfung in Österreich.
Eines steht fest: Wir Österreicherinnen und Österreicher lieben unser Essen. Deshalb sind wir zurecht stolz, dass sich unsere Umwelt- und Tierschutzstandards durch ein besonders hohes Niveau auszeichnen. Diese Standards zahlen sich aus, denn heute hat Österreich den EU-weit höchsten Bio-Anteil im Lebensmittelhandel. Viele heimische Produkte sind mit dem AMA-Gütesiegel zertifiziert. In unseren Supermarktregalen finden sich zahlreiche lokal produzierte Qualitätsprodukte aus biologischem, gentechnikfreiem Anbau. Der Handel bietet für heimische Bauern substanzielle Absatzchancen und trägt entscheidend zum Erhalt landwirtschaftlicher Strukturen bei. Im Bereich der Milchprodukte kommen unsere Eigenmarken zu 95 Prozent aus österreichischer Produktion, bei den Backwaren liegt der Anteil bei 90 Prozent, bei Fleisch sind es 70 Prozent und bei Obst und Gemüse liegen wir im Jahresschnitt bei rund 50 Prozent.
Doch wie sagt man so schön? Fortschritt muss immer vorangetrieben werden, Stillstand ist Rückschritt. Daher hat der österreichische Handelsverband das Projekt „Lebensmittel. Wertschätzen.“ gestartet. Die erste überparteiliche Plattform für alle Stakeholder rund um das Thema Lebensmittel versteht sich als bundesweiter Schulterschluss von Landwirtschaft, Industrie und Handel, um den branchenübergreifenden Dialog zu fördern. Gemeinsam wollen wir einen nachhaltigen Beitrag leisten, um die Wertschätzung regionaler Lebensmittel weiter zu steigern.
Fest steht, es gibt noch viel zu tun. In Teilen der Gesellschaft, sowohl in Österreich als auch in Deutschland, ist die Billig-Mentalität noch immer allgegenwärtig. Doch wenn wir unserem Essen keine Wertigkeit geben, wird es auch für die heimische Landwirtschaft immer schwerer. Und wir zerstören damit unsere eigene Lebensgrundlage. Hochwertige Bio-Produkte sind nicht zum Discount-Preis erhältlich. Gleichzeitig kann sich nicht jede/r Bio leisten. Daher muss unser gemeinsames Interesse – die Wertigkeit unserer Lebensmittel – alle in der Produktions- und Absatzkette vereinen, auch Politik und Verbraucher. Ich bin überzeugt: Wir schaffen das!