27. Apr 2020
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Wirtschaft
Journalist: Katja Deutsch
3 Experten äußern sich zum Thema.
Der Begriff Industrie 4.0 steht für die vierte industrielle Revolution, bei der die klassische Produktion mit dem Internet zusammenwächst. Durch digitale Technologien und Lösungen von Virtual Reality über Big-Data und Künstliche Intelligenz bis hin zu Campus-Netzen auf Basis von 5G wird die Fabrik zur intelligenten Fabrik. Prozesse werden effizienter, Produkte besser, Geschäftsmodelle innovativer. Es hat sich bereits viel getan: Schon jedes zweite Unternehmen aus dem produzierenden Gewerbe nutzt Anwendungen rund um die Industrie 4.0.
Jetzt kommt es darauf an, dieser Entwicklung mehr Schub zu geben. Dafür muss jedes Unternehmen sein Geschäftsmodell auf den digitalen Prüfstand stellen. Es geht nicht nur darum, einzelne Geräte zu ersetzen, sondern die Vernetzung über Unternehmens- oder Ländergrenzen hinweg zu verwirklichen. Dabei endet Industrie 4.0 nicht an den Fabriktoren. Intelligente Produkte werden ständig verbessert und erhalten durch Updates und innovative Apps zusätzliche Funktionen, auch wenn sie längst beim Kunden angekommen sind. So wird aus einer Smart Watch eine digitale Geldbörse und eine Waschmaschine erlernt noch Jahre nach dem Kauf neue Programme. Die Herausforderung besteht jetzt darin, deutsche Gründlichkeit mit digitaler Schnelligkeit zusammenzubringen.
Einerseits sehen wir eine deutsche Politik, die in Fragen der Digitalisierung nicht agiert, sondern nur verhalten reagiert. Es fehlt an einer zeitgemäßen Gesetzgebung, die den Unternehmern klare Grenzen und dabei Potenziale zur Entwicklung neuer Geschäftsmodelle aufzeigt. Gleichzeitig gibt es von Seiten der Politik nur verspätet Visionen zu Digitalthemen wie Open Data oder Künstlicher Intelligenz – Bereiche, in denen die Regierung nicht nur als Gesetzgeber, sondern mit eigenen Projekten auch als Gestalter auftreten muss.
Auf der anderen Seite steht eine deutsche Wirtschaft, die oft träge geworden ist und sich auf ihrem Titel „Made in Germany“ lange ausgeruht hat. In unseren traditionellen Branchen hat es einige Zeit gedauert, bis sich eingestanden wurde, dass die Digitalisierung alle betrifft und nicht nur ein Randthema ist.
Diesen Rückstand nun aufzuholen stellt eine besondere Herausforderung dar – vor allem angesichts des Fachkräftemangels, der den IT-Sektor besonders trifft. Alle Branchen kämpfen um viel zu wenige Experten, um die verschlafene Digitalisierung nachzuholen. Auch hier müsste die Politik Signale setzen, beispielsweise mit der Aufwertung von Informatik in der Schule.
Am Mittelstand liegt es nicht: Die meisten mittelständischen Unternehmer nutzen bereits erfolgreich das Potenzial der Digitalisierung. In einer Unternehmerumfrage unseres Verbandes gaben fast 80 Prozent an, dass sie ihre Geschäftsprozesse zumindest teilweise digitalisiert haben.
Das Problem ist die unzureichende Infrastruktur. Deutschland rangiert bei der Glasfaserverfügbarkeit weltweit auf Platz 71, für die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt ein Armutszeugnis. Die Bundesregierung muss Gas geben, damit wir nicht auf Dauer abgehängt werden. Hierzu passt, dass von den 4,4 Milliarden Euro für den Breitbandausbau bisher nur 150 Millionen abgeflossen sind.
Auch bei den staatlichen Forschungsbudgets rangiert Deutschland im internationalen Vergleich weit hinten. Während die Bundesregierung bis 2025 drei Milliarden Euro zur Verfügung stellt, hat allein die Stadt Peking einen Fonds von umgerechnet 16,4 Milliarden Euro zur Förderung der Chipindustrie aufgelegt.
Der BVMW fördert die Digitalisierung aktiv mit der gezielten Vernetzung von Unternehmen. So haben wir im Mittelstand 4.0-Kompetenzzentrum Berlin in zwei Jahren mehr als 38.000 Unternehmer direkt erreicht. Das Prinzip „Aus der Praxis für die Praxis“ hat sich auch dort bewährt.