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7. Okt 2020

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Wirtschaft

Was sind die Herausforderungen der Energiewende?

Journalist: Armin Fuhrer

Drei Experten äußern sich zu den Chancen und Hürden, welche mit der Energiewende bevorstehen.


Prof. Dr.-Ing. Görge Deerberg, stellv. Institutsleiter des Fraunhofer UMSICHT

Ist die Energiewende erfolgreich, beziehen wir unseren Strom aus regenerativen Quellen wie Wind, Sonne und Biomasse. Doch es gibt eine Reihe von Herausforderungen. Die vielleicht größten: Wie schaffen wir es, ausreichend erneuerbare Energie bereitzustellen und wie lassen sich die dezentralen und zeitlich fluktuierenden erneuerbaren Energien in unsere Versorgungssysteme einspeisen, speichern und verteilen? Wasserstoff übernimmt hier eine Schlüsselrolle – zum Beispiel bei der Speicherung von regenerativem Strom oder der Gestaltung einer klimaneutralen Industrie. 

Die Technologien für die Bereitstellung von Wasserstoff sind anwendungsbereit, abgesehen davon, dass Langzeiterfahrungen mit wirklich großen Anlagen noch nicht vorliegen. Das Problem ist die Wirtschaftlichkeit und damit einerseits die Investitionskosten für Elektrolyse-anlagen und andererseits vor allem die Stromkosten. Wir müssen an der Massenproduktion von Wasserstoffelektrolyseanlagen arbeiten, um elektrochemische Energiewandler auch für die sehr großen Leistungsklassen anwendungs- und marktreif zu machen. Daneben stellen sich die Fragen nach Langzeitzuverlässigkeit und -sicherheit der hochskalierten Infrastruktur. 


Prof. Dr.-Ing. Eckhard Weidner, Institutsleiter des Fraunhofer UMSICHT

Treibhausgasneutral bis 2050 – so lautet ein Ziel der Energiewende in Deutschland. Erreicht werden soll das über den Ausbau erneuerbarer Energien sowie die Reduzierung des Primärenergieverbrauchs. Darüber hinaus muss es gelingen, unser Gesellschafts- und Wirtschaftssystem auf weitgehend geschlossene Kohlenstoffkreisläufe umzustellen. Dabei geht es um die Art und Weise, wie wir Strom gewinnen sowie um die Bereitstellung von Prozess- und Heizwärme oder kohlenstoffhaltigen Rohstoffen für die Industrie. 

Dafür sind Kooperationen gefragt – zwischen Forschungseinrichtungen und zwischen Wissenschaft und Wirtschaft. So arbeitet das Fraunhofer UMSICHT mit der Ruhr-Universität Bochum zusammen. Ziel ist es, Lösungen für technische und naturwissenschaftliche Herausforderungen zu entwickeln. Ein Beispiel für die Zusammenarbeit mit der Wirtschaft ist das Verbundprojekt Carbon2Chem®: Im crossindustriellen Netzwerk aus Stahlindustrie, chemischer Industrie und Energiewirtschaft erschließen wir gemeinsam mit Max-Planck-Einrichtungen Hüttengase, die bei der Stahlproduktion anfallen, als Rohstoffquelle für die chemische Industrie. So verbinden wir Klimaschutz und Wettbewerbsfähigkeit für große Industriestandorte.


Achim Berg, Präsident des Branchenverbandes Bitkom

Smart Meter als Helfer gegen den Klimawandel

Der Klimawandel bleibt auch in der Corona-Krise eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Digitale Technologien können dabei helfen, den Energieverbrauch zu senken, Energie effizienter einzusetzen und die Umstellung auf regenerative Energien zu beschleunigen. So sorgen etwa in der Industrie Sensoren und smarte Maschinen dafür, dass der Energiebedarf auf ein Minimum reduziert wird, in der Produktion schont 3D-Druck Ressourcen und Videokonferenzen ersetzen Reisen. Um klimafreundliche digitale Lösungen in die Fläche zu bringen, sind gezielte Investitionen in CO2-arme Technologien und Produkte nötig – und verlässliche Anreize für Unternehmen, nachhaltig und umweltschonend zu wirtschaften. Vor diesem Hintergrund hat in Deutschland endlich der Smart-Meter-Rollout begonnen, also der breite Einsatz intelligenter Messsysteme. Smart Meter helfen, Stromfresser in den Haushalten zu erkennen und liefern datenbasiert konkrete Tipps zum Energiesparen. Und sie können genau steuern, welche Geräte wann Strom verbrauchen. Deutschland hat bei der Umstellung hin zur regenerativen Energieerzeugung schon viel erreicht. Jetzt muss durch das digitale Zusammenspiel von Erzeugung, Verbrauch, smartem Stromnetz und Speichern ein stabiles, nachhaltiges und bezahlbares Gesamtsystem entstehen.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Warum deutsche Gründlichkeit KI nicht killt, sondern krönt – mit Markus Willems, Geschäftsführer der wibocon GmbH

![Markus Willems-2025 Online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Markus_Willems_2025_Online_14a23ae24b.jpg) ``` Markus Willems, Geschäftsführer der wibocon GmbH ``` Die Integration von Künstlicher Intelligenz in die deutsche Wirtschaft erfordert einen strategischen Balanceakt. Unternehmen müssen robuste Dateninfrastrukturen schaffen, in Fachkräfte investieren und eine Innovationskultur etablieren, die KI als Werkzeug versteht, nicht als Bedrohung. Die Absicherung von KI-Modellen gegen Angriffe wie Model oder Data Poisoning verlangt einen ganzheitlichen Ansatz: kontinuierliches Monitoring, regelmäßige Audits und die Implementierung des „Security-by-Design”-Prinzips. Besonders wichtig ist die Nachvollziehbarkeit von KI-Systemen durch transparente Dokumentation der Trainingsverfahren und Datenquellen. „Trustworthy AI” bedeutet im Cybersicherheitskontext konkret: Robustheit gegen Manipulationen, Transparenz in Entscheidungsprozessen und nachvollziehbare Compliance-Mechanismen. Deutschland kann hier durch die Verbindung seiner traditionellen Stärken in Qualitätssicherung mit innovativen KI-Ansätzen Standards setzen – nicht durch übermäßige Regulierung, sondern durch praxisnahe Zertifizierungsverfahren und Best Practice-Richtlinien. Die Cybersicherheitsanforderungen werden zur Chance, wenn sie sich als Qualitätsmerkmal „Made in Germany” etablieren lassen. Deutsche Unternehmen können durch vertrauenswürdige KI-Lösungen internationale Wettbewerbsvorteile erzielen – vorausgesetzt, Sicherheitsanforderungen werden nicht als Innovationshemmer, sondern als Qualitätstreiber verstanden. Dabei lässt sich die technologische Abhängigkeit von Cloud-Anbietern durch hybride Ansätze reduzieren: Kritische Prozesse können in europäischen Cloud-Infrastrukturen verbleiben, während standardisierte Schnittstellen die Interoperabilität sicherstellen. Entscheidend ist stets die Entwicklung souveräner Kompetenzen für Datenverarbeitung und -analyse, ohne sich vom globalen Innovationsökosystem abzukoppeln. Letztlich wird erfolgreiche KI-Integration in Deutschland davon abhängen, ob es gelingt, Sicherheit nicht als Gegenpol zu Innovation zu begreifen, sondern als deren Fundament. >Deutsche Unternehmen können durch vertrauenswürdige KI-Lösungen internationale Wettbewerbsvorteile erzielen – vorausgesetzt, Sicherheitsanforderungen werden nicht als Innovationshemmer, sondern als Qualitätstreiber verstanden.