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10. Dez 2025

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Lifestyle

„Wein benötigt Trinkfluss statt Trendgehabe“ – mit Paula Bosch, Sommelière & Weinautorin

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: Presse, Quan Nguyen/unsplash

Paula Bosch war die erste Sommelière der deutschen Spitzengastronomie – und bleibt bis heute die Stimme des guten Geschmacks. Im Interview spricht sie über Modeweine und Menüzwänge.

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Paula Bosch, Sommelière & Weinautorin

Sehen Sie sich eher als Pionierin, Quotenfrau oder einfach als jemand, der schon damals den besseren Geschmack hatte? Nein, mit Quoten hatte meine Entscheidung für diesen Beruf nichts zu tun. Bei uns zu Hause wurde immer gut getrunken und gegessen. Gastfreundschaft war ganz elementar. Da gabs halt auch Wein. Süße Weine von begnadeten Winzern, viele aus dem Burgenland: Triebaumer, Wenzel und Co. Paulinchen hat schon in jungen Jahren davon genascht. Und weil ich erkannt habe, dass es in der Gastronomie nicht nur um Bedienen ging; Gastfreundschaft war gefragt und Zugang zu Weinen gab es auch.

Naturwein, Orange Wine, Pet Nat – Ist das Innovation oder bloß der Versuch, dem Kater ein Etikett aus Nachhaltigkeit zu verpassen? Inzwischen gibt es einige, die ganz ordentlich, auch ohne Fehler und Nebentöne sind. Immerhin hat hier eine erstaunliche Entwicklung stattgefunden, Chapeau. Aber ich mag die Weine nicht, weil ich in ihnen keinen Trinkfluss entdecken kann.

Gibt es ein Pairing, das Sie bis heute verblüfft? Ja, Kaviar satt mit Toast, Crème fraîche und Süßweine wie z. B. Château d’Yquem, Sauternes, möglichst 20 Jahre gereift. Oder Wiener Würstl mit meinen Lieblings-Bordeaux, Château Latour oder Château Haut-Brion.

Ich wünsche mir eine Rückkehr zu mehr Gastfreundlichkeit, die auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten ist.

Fine Dining wird lockerer, Menüs kürzer, Gäste lauter. Ist das die Demokratisierung des Genusses, oder das Ende der großen Bühne? Viele Gäste haben den Menüzwang in der Sterne-Gastronomie einfach satt. Die Köche müssen eng kalkulieren, machen aber die Gäste damit nicht nur glücklich. Es liegt nicht immer an den Finanzen, sondern an der gewohnten, langersehnten Freiheit für das à la Carte Geschäft. Dass Gäste oft nicht mehr stundenlang im Restaurant sitzen wollen, wird geflissentlich ignoriert. Das spürt die Spitzengastronomie, reagiert aber leider nicht. Sie scheint mir ideenlos für neue Konzepte. Ich wünsche mir eine Rückkehr zu mehr Gastfreundlichkeit, die auf die individuellen Bedürfnisse der Kunden zugeschnitten ist.

Warum liegen alkoholfreie Pairings im Trend? Das ist teilweise den Wirten geschuldet. Sie verlangen oft immer noch horrende Preise für ihre Weine, kalkulieren teils die Einkaufspreise mal vier bis fünf. Das habe ich vor Kurzem selbst in einem hochbewerteten Sterne-Lokal in München erlebt. Grundsätzlich sind ja alle Pairings Geschmacksache. Bevor man sich darauf einlässt, sollte man mit dem Sommelier reden, fragen, warum und weshalb seine Empfehlung passt. Da werden teils Storys erzählt, das ist ein Wahnsinn. Manche Pairings sind genial, die schätze ich auch sehr, aber das ist nun mal eine Vertrauenssache. Ich empfehle in Sachen Genuss weniger Risikofreude, denn häufig wird, was nicht schmeckt, nicht ersetzt. Für Neuentdeckungen und Pairings suchen Sie sich Restaurants mit erfahrenen Sommeliers, auch um von ihnen zu lernen. Dazu die geeignete Literatur als Begleiter.

Der Klimawandel schiebt den Weinbau nach Norden. Freuen Sie sich auf Riesling aus Schweden? Nein. Junges Gemüse bekommt man alle Tage angeboten, selten haben die Weine die geeignete Trinkreife. Die Suche danach ist für einen Weinfreund schon aufwendig genug. Und wenn dort jetzt neu angepflanzt wird, ist das eine Notwendigkeit, die ich begrüße. Aber Wein ist eine Zeitmaschine, die tickt. Er benötigt Zeit zur Reife. Die Trauben am Stock, der Wein in der Flasche. Und da ich inzwischen selbst die entsprechende Reife erreicht habe, warte ich nicht mehr gerne – ich genieße im Hier und jetzt.

Junges Gemüse bekommt man alle Tage angeboten, selten haben die Weine die geeignete Trinkreife.

10. Dez 2025

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Lifestyle

Moderne Spitzenküche – mit Lukas Mraz, Koch des Jahres 2025

![LukasMraz1_(c)lisa edi online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Lukas_Mraz1_c_lisa_edi_online_1b5b2b82d8.jpg) ``` Lukas Mraz, Koch des Jahres 2025 ``` Das „Mraz & Sohn“ hat sich von einem traditionellen Wiener Beisl zu einer der begehrtesten Adressen für Feinschmecker entwickelt. Gemeinsam mit Vater Markus zeigt Küchenchef Lukas Mraz im 20. Wiener Bezirk, wie moderne Spitzenküche aussieht: Bodenständigkeit gepaart mit Experimentierfreude: Seit 2017 kochen Vater und Sohn hier gemeinsam, seit 2016 hält das Restaurant zwei Michelin-Sterne. Zuvor sammelte Lukas Erfahrungen in verschiedenen Gourmetrestaurants und machte sich als Chefkoch im Berliner Weinbistro Cordobar einen Namen. Was bedeutet für ihn moderne Spitzenküche? „Bei uns gibt es beispielsweise keine klassische Speisekarte, sondern alle vier bis sechs Wochen ein wechselndes 13-gängiges Überraschungsmenü, bei dem das gesamte Tier verarbeitet wird“, erklärt Lukas Mraz. So finden sich im Herbstmenü neben dem Fleisch der Ente auch ihre Innereien, die als würzige Masse im neu interpretierten Lahmacun mit Paprikapaste und Rotkraut Verwendung finden. Die Entenhaut wird für Grieben weiterverarbeitet. „Wir wollen so viel wie möglich vom Tier nutzen und so gut wie nichts wegschmeißen“, betont Lukas Mraz. Der Küchenchef gilt als kreativer Visionär, der konventionelle Regeln der Spitzengastronomie spielerisch hinterfragt und gern mit einer Prise Provokation arbeitet. Wie zeigt sich das in der Atmosphäre seines Restaurants? Kann Casual manchmal auch zu leger werden? „Bei uns sitzen nicht nur die Cool-Kids aus Wien, sondern eine bunte Gästemischung – von jung bis alt, von Künstler bis Politiker. Wichtig ist, dass sich jeder wohlfühlt“, erklärt Lukas Mraz. Dabei legt er trotz aller Lässigkeit großen Wert auf einen stets professionellen Service. „Aber wenn ein Gast seinen Teller ableckt, weil es ihm so gut schmeckt, finde ich das auch nicht schlimm. Das freut doch jeden Koch!“ >Wichtig ist, dass sich jeder wohlfühlt.