29. Jun 2022
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Wirtschaft
Journalist: Thomas Soltau
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Foto: Hendrik Thoma, Kelsey Chance/unsplash
Hendrik Thomas ist Master Sommelier – und gehört damit zu einem exklusiven Kreis von etwa 270 Menschen auf der gesamten Welt, die diese Prüfung erfolgreich absolviert haben. Im Interview spricht er über aktuelle und zukünftige Entwicklungen rund ums Thema Wein.
Was hat Ihre Leidenschaft für Wein ausgelöst?
Meine Passion für Wein habe ich von 1989 bis 1992 im weltoffenen kalifornischen Napa Valley mit seinen vielen Entrepreneuren erlebt. Handfeste visionäre Leute, mit Sinn für Qualität und Spaß am guten Leben. Heute ist es in weiten Teilen ein Spielplatz von Dot.com Milliardären, Investoren oder ein Disneyland für Weintouristen. Ein wunderschöner, muss man sagen.
Welche aktuellen Entwicklungen beim Thema Wein sind in der Spitzengastronomie zu beobachten? Sowohl in der klassische Hochküche als auch bei den lässigen Bistro- und Weinbar-Konzepten mit ausgewählten Speisen.
Die qualitative Vielfalt hat zugenommen. Auch die Einsicht beim Verbraucher, dass die besten Weine der Welt nicht zwangsläufig alle aus den klassischen Regionen Frankreichs stammen. Die Trennlinien zwischen Handwerk und Industrie zwischen Bio und konventionell werden immer größer. Es ist aber auch schön zu sehen, dass das Interesse an spannenden und interessanten Weinen größer geworden ist. Dazu braucht es Ventile, Plätze, an denen das unkonventionell und allürenfrei gefeiert und geschätzt wird. Im Zeitgeist heißt das wohl authentisch.
Naturweine wurden international mehr getrunken als bei uns. Hat sich das verändert – und spiegelt es sich auf den Weinkarten wider?
Es fängt an, vorerst in der Nische. In Deutschland ist man immer sehr vorsichtig bezüglich neuer Trends und es wird erstmal gründlich ausdiskutiert, bevor ein neuer Weg beschritten wird. Wir liegen fünf bis zehn Jahre zurück, aber holen auf. Es fehlen entsprechende geschulte Serviceleute, die ein so komplexes neues Thema kommunizieren können. Eingefleischte Weintrinker wird das Thema nicht mehr erreichen. Die sind bereits in der Komfortzone angekommen. Schade, denn es kann eine Bereicherung sein. Am Ende geht es um Geschmack. Eine nie endende Reise zu sich selbst und seinen Gefühlen.
Gibt es generell eine Verschlankung von Weinkarten in der Spitzengastronomie? Und wenn ja, wieso?
Die Kapitalbildung ist sehr hoch und viele Weinhändler übernehmen den Part des Lagerns. Absatz und Lager sollten im Einklang sein. Wer trinkt schon gerne Kellerleichen? Eine schlanke, klug zusammen gestellte Weinkarte erfordert mehr Know-how als eine bombastische Enzyklopädie. Es gibt Ausnahmen, wenn es lang gewachsene Strukturen gibt. Viel hilft aber nicht immer viel! Viele meinen, eine große Auswahl ist der absolute Luxus und stellen es über ein sorgsam kuratiertes Angebot. Außer beim Weingenuss, da stelle ich bewussten Konsum über angelerntes Fachwissen.