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31. Mär 2025

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Wirtschaft

Wichtige Impulse für Circular Economy – mit Rebecca Tauer, Teamleitung Circular Economy beim WWF

Journalist: Julia Butz

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Foto: Polina Tankilevitch/pexels, WWF

„Wir wollen die gesamte Wirtschaft zirkulär aufstellen“: Rebecca Tauer, Teamleitung Circular Economy beim WWF im Interview.

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Rebecca Tauer, Teamleitung Circular Economy beim WWF

Frau Tauer, welche Verantwortung haben Politik und Wirtschaft für eine funktionierende Kreislaufwirtschaft? Nur im Zusammenspiel von politischen Leitplanken und unternehmerischem Engagement kann Circular Economy gelingen. Leider behindern verschiedene Marktversagen einen schnellen Umbau, wie das Externalisieren von Umweltkosten, fehlende Infrastrukturen für zirkuläre Prozesse und langfristige Pfadabhängigkeiten im linearen Wirtschaftssystem. Diese gilt es zu durchbrechen. Dafür ist ein verbindlicher politischer Rahmen entscheidend. Die Politik sollte klare Ressourcenziele von 7 t Rohstoffverbrauch pro Kopf und Jahr verankern, umweltschädliche Subventionen abbauen und sektorübergreifende Maßnahmen wie Steueranpassungen und Innovationen fördern. Unternehmen wiederum müssen in ihren Geschäftsmodellen verstärkt Kreislaufprinzipien wie Refuse, Reduce und Reuse berücksichtigen, transparente Wertschöpfungsketten und ökologische Standards fördern und nachhaltige Produkte zur Norm machen.

Ein besonderer Fokus liegt auf der Verpackungswende. Hier sollte der Verpackungsverbrauch um 30 Prozent bis 2045 reduziert werden.

Wie arbeitet der WWF dabei mit Unternehmen zusammen? Die Zusammenarbeit erfolgt auf der Grundlage des „One Planet Business“-Frameworks, das dabei unterstützt, ökonomische Ziele mit ökologischen Anforderungen in Einklang zu bringen. Die Lösungen des WWF können sich auf alle Wertschöpfungsstufen beziehen, von der Emissionsanalyse und Lieferkettengestaltung bis hin zur B2C-Kommunikation. Mit einem der führenden Hersteller von Kunststoffverpackungen haben wir beispielsweise ein digitales Pfandsystem und recyclingfähige Mehrwegprodukte für Gastronomie und Events entwickelt. Zudem haben wir ganz aktuell mit UN Global Compact einen Strategieleitfaden Circular Economy für Unternehmen veröffentlicht. Die praxisorientierte Handreichung führt Schritt für Schritt durch die Entwicklung wesentlicher und wirksamer Circular-Economy-Maßnahmen. Eine Übersicht der politischen Rahmensetzung auf nationaler und europäischer Ebene sowie verschiedene Fallbeispiele helfen dabei in der externen Einordnung.

Welche Instrumente und fixen Ziele braucht es, für mehr Fortschritte in Richtung Nachhaltigkeit? Grundlegend sind klare rechtliche Rahmenbedingungen. Deutschland fehlen verbindliche Ressourcenschutzziele, wie etwa 7 t Rohstoffkonsum pro Kopf und Jahr bis 2045 und eine Verdopplung der zirkulären Materialnutzungsrate auf 25 Prozent bis 2030. Der WWF setzt sich dabei u. a. für eine erweiterte Herstellerverantwortung über den gesamten Produktlebenszyklus durch ein Gebührensystem ein. Im Bau- und Gebäudesektor fordern wir eine effizientere Nutzung bestehender Gebäude und geben der ressourcenschonenden Sanierung klar den Vorrang vor Neubauten. Ein besonderer Fokus liegt auf der Verpackungswende. Hier sollte der Verpackungsverbrauch um 30 Prozent bis 2045 reduziert werden. Eine neue materialübergreifende Verpackungsressourcensteuer und eine Pflicht für Unverpackt- und Mehrwegsysteme helfen dabei.

Nur im Zusammenspiel von politischen Leitplanken und unternehmerischem Engagement kann Circular Economy gelingen.

Factbox

In der Publikation „Modell Deutschland Circular Economy“ zeigt der WWF auf, dass Marktmechanismen allein nicht ausreichen, um die notwendigen Veränderungen herbeizuführen und wie eine umfassende Kreislaufwirtschaft für Deutschland gelingen kann.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.