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26. Mär 2025

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Wirtschaft

Wie die Gen Z das Investieren entdeckt – und manchmal auch Boomer an die Börse bringt – Jessica Schwarzer, Buchautorin und Finanzjournalistin

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: Presse, Marga Santoso/unsplash

Börsenexpertin Jessica Schwarzer über den Unterschied im Money Mindset zwischen Jugend und Senioren, und die Frage, warum die meisten Menschen ab Renteneintritt nicht mehr investieren.

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Jessica Schwarzer, Buchautorin und Finanzjournalistin

Sparbuch oder Aktien? Diese Entscheidung ist eine Frage der Erziehung, nicht der Bildung, sagt die Finanzexpertin und Buchautorin Jessica Schwarzer. In den USA hätten die Menschen auch nicht mehr Finanzwissen als in Deutschland, aber dort sei es völlig normal, Aktien eines Unternehmens zu kaufen, das man gut findet.

„In Deutschland dagegen werden wir zu fleißigen Sparern erzogen“, sagt Jessica Schwarzer. „Wir haben eine Sparquote von zehn Prozent und mehr. Sich an Unternehmen zu beteiligen, hat für viele immer noch ein Geschmäckle, warum auch immer. Dabei sind Aktien doch eine ganz normale Form der Geldanlage.“ Zwar ist die Zahl der Aktionäre in den Corona-Jahren leicht gestiegen, zuletzt ging es aber wieder etwas abwärts: 12,1 Millionen Menschen in Deutschland investieren in Aktien, das sind 17,2 Prozent der über 14-Jährigen. Doch viele, vor allem ältere Bürgerinnen und Bürger, halten Aktien immer noch für riskant und „nur etwas für Reiche“. „Aktienkurse schwanken, das stimmt“, sagt die Börsenexpertin. „Aber sie schwanken seit Jahren vor allem nach oben.“ Die Börse ist kein Casino, sondern eine Form der Unternehmensfinanzierung. Ein wichtiges Ziel von Unternehmen ist Wachstum, nicht Verlust, aber das wird in Deutschland oft nicht richtig gesehen.

Die Börse ist kein Casino, sondern eine Form der Unternehmensfinanzierung. Ein wichtiges Ziel von Unternehmen ist Wachstum, nicht Verlust, aber das wird in Deutschland oft nicht richtig gesehen.

Es macht durchaus Sinn, sich auch nach dem 60. Geburtstag noch mit der Börse zu beschäftigen. „Auch hier gibt es den weit verbreiteten Denkfehler, dass der Anlagehorizont mit dem Renteneintritt endet“, sagt Jessica Schwarzer. „Das mag für eine private Rentenversicherung zutreffen, aber als Aktionärin habe ich einen viel längeren Anlagehorizont und kann natürlich auch einen Teil meines Vermögens, den ich nicht zeitnah zum Leben brauche, an der Börse arbeiten lassen.“

Die Jungen dagegen können nicht nur, nein, sie müssen sogar in Aktien investieren, sagt die Finanzexpertin. Denn unser Rentensystem krankt und wird nicht besser. Aktien sind ein enorm wichtiger Baustein für die Altersvorsorge. Bei langfristiger Anlage mit breiter Risikostreuung, am besten über ETFs oder Fonds, bringen sie im Schnitt sechs bis acht Prozent Rendite pro Jahr. Natürlich gibt es auch schlechte Jahre, aber Turbulenzen und Crashs können die jungen Anleger gelassen aussitzen. „Ich habe das Gefühl, dass sich bei den Jungen etwas im Mindset ändert: Bei den 14- bis 39-Jährigen geht es mit dem Aktienbesitz seit 2018 richtig steil bergauf! Sie sind mutiger und investieren mehr in ETFs, während die über 60-Jährigen eher auf Einzelaktien und aktiv gemanagte Fonds setzen. Die Generation Z hat verstanden, dass sie etwas tun muss – und sie hat offensichtlich sogar Spaß am Investieren. Sie hat Themen wie langfristiges Investieren und breite Risikostreuung verinnerlicht. Das finde ich großartig! Vielleicht springt dieser Funke auch auf die Älteren über und wir werden von einer Nation der Sparerinnen und Sparer zu einer Nation der Aktionärinnen und Aktionäre!

Bei den 14- bis 39-Jährigen geht es mit dem Aktienbesitz seit 2018 richtig steil bergauf!

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.