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1. Sep 2022

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Wirtschaft

Wie sieht die Logistik der Zukunft aus?

Journalist: Jakob Bratsch

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Foto: Presse

Marten Bosselmann, Wolfgang P. Albeck und Carmen Schmidt äußern sich zu den Zukunftsthemen der Logistikbranche. 

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Marten Bosselmann, Vorsitzender des BIEK:

Paketdienste sind Klimaschützer und Innovationstreiber zugleich. Bereits heute leisten sie durch den Einsatz von Fahrzeugen mit Elektroantrieben sowie eine effiziente Bündelung und Organisation der enormen Vielzahl an Warenströmen einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz.

Die Stärke unserer Mitglieder liegt in ihrer Flexibilität, Agilität und Kreativität. Das zeigt sich v. a. in der stetigen Weiterentwicklung nachhaltiger Zustellkonzepte. In den Ballungsräumen werden zunehmend umweltfreundliche Lastenräder in Kombination mit Mikrodepots eingesetzt. Künftig werden smarte Übergabeeinrichtungen wie Paketboxen, Paketstationen oder Quartier-Paketshops, die die Autonomie der Empfängerinnen und Empfänger erhöhen, die City-Logistik noch stärker prägen.

Steigende Sendungsvolumina erfordern noch effizienter gestaltete Prozesse, um Pakete weiterhin schnell, zuverlässig und flexibel ausliefern zu können. Vernetzung, Automatisierung und Digitalisierung werden hier eine zentrale Rolle spielen, um Anlagen optimal auszulasten, Regellaufzeiten einzuhalten, auf Mengenschwankungen zu reagieren und digitale Services anbieten zu können. Der Einsatz autonomer Fahrzeuge wird sicherlich auch in den Fokus rücken, mit dem Ziel, Laufwege zu reduzieren und die Parkplatzsuche für die Zustellerinnen und Zusteller zu eliminieren.

Ich bin sicher, dass die Paketbranche auch künftig Kundenbedürfnisse erfolgreich in Produktinnovationen transformieren wird – zum Wohle der Verbraucherinnen und Verbraucher.

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Wolfgang P. Albeck, Vorsitzender der Geschäftsführung, trans-o-flex Express GmbH & Co. KGaA:

Die Logistik der Zukunft wird von zwei Megatrends geprägt und getrieben werden: Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Und der entscheidende Hebel für die Nachhaltigkeit ist die Digitalisierung, denn die Digitalisierung wird Transport und Lagerung weiter optimieren. Wer sich davon allerdings sinkende Kosten verspricht, der wird enttäuscht werden. Angesichts der Kostenexplosion bei der Energie und beim Personal durch Fachkräfte- und vor allem Fahrermangel sowie der hohen Eigenkosten der Digitalisierung selbst kann die Optimierung der Supply-Chain den Anstieg der Logistikkosten bremsen. Ein Rückgang ist aber nicht zu erwarten.

Eine spannende Frage ist, welche Unternehmen die Effekte der Digitalisierung zu ihren und ihrer Kunden Gunsten nutzen können. Denn entscheidende Voraussetzung dafür ist, Daten der Vergangenheit und Gegenwart über Algorithmen (KI) so für Prognosen – etwa der Transportnachfrage zu bestimmten Zeiten an bestimmten Orten oder auf bestimmten Strecken – nutzen zu können, dass stets eine optimale Auslastung der Kapazitäten gewährleistet ist. Klar ist: Wer das nicht lernt, verliert.

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Carmen Schmidt, Geschäftsführerin der Logistik Initiative Hamburg (LIHH):

Die Logistik ist derzeit enorm großen Herausforderungen auf mehreren Ebenen ausgesetzt – nämlich der digitalen, ökologischen und ökonomischen Transformation. Das Management steht vor der Frage, wie bei all diesen Transformationsprozessen eigentlich die Mitarbeitenden mitgenommen werden können. Das wird besonders bedeutsam durch den existierenden Mangel an Arbeitskräften. Automatisierung ist zwar Teil der Lösung, aber kann nicht alle Probleme beseitigen.

Dem Thema Kooperation von Unternehmen innerhalb Deutschlands und Europas und auch weltweit sollte in der Logistik eine noch größere Bedeutung zukommen. Es gibt gute Beispiele für Zusammenarbeit, aber zukünftig kann der Einsatz von KI helfen, sie weiter zu optimieren und so Lieferketten zu stabilisieren, transparenter und nachhaltiger zu machen. Auch die Vernetzung von Daten kann deutlich verbessert werden. Digitale Zwillinge oder Urban-Data-Plattformen, wie es sie für viele Städte schon gibt, können helfen, die Wirtschaftsverkehre effizienter zu gestalten.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Warum deutsche Gründlichkeit KI nicht killt, sondern krönt – mit Markus Willems, Geschäftsführer der wibocon GmbH

![Markus Willems-2025 Online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Markus_Willems_2025_Online_14a23ae24b.jpg) ``` Markus Willems, Geschäftsführer der wibocon GmbH ``` Die Integration von Künstlicher Intelligenz in die deutsche Wirtschaft erfordert einen strategischen Balanceakt. Unternehmen müssen robuste Dateninfrastrukturen schaffen, in Fachkräfte investieren und eine Innovationskultur etablieren, die KI als Werkzeug versteht, nicht als Bedrohung. Die Absicherung von KI-Modellen gegen Angriffe wie Model oder Data Poisoning verlangt einen ganzheitlichen Ansatz: kontinuierliches Monitoring, regelmäßige Audits und die Implementierung des „Security-by-Design”-Prinzips. Besonders wichtig ist die Nachvollziehbarkeit von KI-Systemen durch transparente Dokumentation der Trainingsverfahren und Datenquellen. „Trustworthy AI” bedeutet im Cybersicherheitskontext konkret: Robustheit gegen Manipulationen, Transparenz in Entscheidungsprozessen und nachvollziehbare Compliance-Mechanismen. Deutschland kann hier durch die Verbindung seiner traditionellen Stärken in Qualitätssicherung mit innovativen KI-Ansätzen Standards setzen – nicht durch übermäßige Regulierung, sondern durch praxisnahe Zertifizierungsverfahren und Best Practice-Richtlinien. Die Cybersicherheitsanforderungen werden zur Chance, wenn sie sich als Qualitätsmerkmal „Made in Germany” etablieren lassen. Deutsche Unternehmen können durch vertrauenswürdige KI-Lösungen internationale Wettbewerbsvorteile erzielen – vorausgesetzt, Sicherheitsanforderungen werden nicht als Innovationshemmer, sondern als Qualitätstreiber verstanden. Dabei lässt sich die technologische Abhängigkeit von Cloud-Anbietern durch hybride Ansätze reduzieren: Kritische Prozesse können in europäischen Cloud-Infrastrukturen verbleiben, während standardisierte Schnittstellen die Interoperabilität sicherstellen. Entscheidend ist stets die Entwicklung souveräner Kompetenzen für Datenverarbeitung und -analyse, ohne sich vom globalen Innovationsökosystem abzukoppeln. Letztlich wird erfolgreiche KI-Integration in Deutschland davon abhängen, ob es gelingt, Sicherheit nicht als Gegenpol zu Innovation zu begreifen, sondern als deren Fundament. >Deutsche Unternehmen können durch vertrauenswürdige KI-Lösungen internationale Wettbewerbsvorteile erzielen – vorausgesetzt, Sicherheitsanforderungen werden nicht als Innovationshemmer, sondern als Qualitätstreiber verstanden.