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14. Okt 2020

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Wirtschaft

Wie soll die Digitalisierung die Landwirtschaft voranbringen?

Journalist: Jörg Wernien

4 Experten über die Digitalisierung in der Landwirtschaft

Franz-Josef Holzenkamp, Präsident des Deutschen Raiffeisenverbandes e.V.; Foto: Presse

Die Digitalisierung ist längst in der Landwirtschaft angekommen: Satelliten und Sensoren liefern Daten, die dem Landwirt oder der Landwirtin helfen, den Anbau zu planen, aber auch konkrete Arbeitsanweisungen für land-wirtschaftliche Maschinen liefern: Wo Pflanzen weniger dicht stehen und sich deshalb Pilzkrankheiten entwickeln wird automatisch weniger Pflanzenschutzmittel ausgebracht. In der Tierhaltung helfen IT-Systeme zur individuellen Tierbeobachtung, um Krankheiten oder Verletzungen frühzeitig zu erkennen. Durch Künstliche Intelligenz „lernen“ diese Systeme, schon kleinste Hinweise zu identifizieren. Der Einsatz digitaler Technologien schützt also die Tiere und schont die Umwelt. Anfängliche Investitionen amortisieren sich rasch. Auch für bäuerliche Familienbetriebe. 

Die Technik stößt allerdings an Grenzen, wenn keine schnelle Datenverbindung zur Verfügung steht und wenn gesetzliche Vorgaben regional unterschiedlich ausgelegt werden. Hier besteht erheblicher Nachholbedarf. 

Wenn der Staat die notwendige Infrastruktur bereitstellt und den Wettbewerb der Dienstleistungs-Unternehmen nicht unnötig behindert, dann wird die Digitalisierung zum Schlüsselfaktor einer nachhaltigen Landwirtschaft. 

Markus W. Ebel-Waldmann, Präsident des VDL Bundesverband e.V.; Foto:  Silv Malkmus

Die Landwirtschaft ist über die gesamte Wertschöpfungskette ein Wirtschaftsbereich, der schon im letzten Jahrhundert auf Innovation und technischen Fortschritt gesetzt hat, um eine stark wachsende Weltbevölkerung mit ausreichenden und qualitativen Nahrungsmitteln zu versorgen. Die Landwirtschaft hat die Digitalisierung schon frühzeitig und als eine der ersten Branchen überhaupt als Chance begriffen. Mit der Einführung von Computern und Sensoren um 1980 in der Landwirtschaft, haben diese sich rasant bis zum derzeitigen „Precision Farming“ und „Precision Livestock Farming“ weiterentwickelt. Eine Vielzahl unterschiedlicher Sensoren erheben kontinuierlich Daten, die auf verschiedenen Plattformen gespeichert und mit unterschiedlichen Softwaresystemen verarbeitet werden. Neben den innerbetrieblichen Sensorsystemen in der Nutztierhaltung und im Pflanzenbau zur nachhaltigen Betriebsoptimierung, sind landwirtschaftliche Betriebe gesetzlich zur Aufzeichnung und Weiterleitung einer Viel-zahl von Daten an staatliche Institutionen und Verbänden verpflichtet. Das Datenmanagement der umfangreich zur Verfügung stehenden, aber nicht einheitlich erhobenen und bearbeitbaren Daten, stellt zahlreiche Herausforderungen und bisher ungenutzte Chancen dar.

Die Digitalisierung wird die Landwirtschaft voranbringen, weil sie nicht nur Komplexität auflöst, die Produktivität ressourcenschonend steigert und zur Arbeitserleichterung beiträgt, sondern auch die Arbeitsqualität und den Arbeitsschutz spürbar erhöht. Landwirtschaft war und ist ein spannendes Berufsfeld und wird es auch dauerhaft bleiben!

Frank Gemmer, Hauptgeschäftsführer,  Industrieverband Agrar e. V.; Foto: Presse

Frische Nahrungsmittel sind für uns selbstverständlich. Zugleich wächst die Zahl derer, die eine regionale, umwelt- und klimaverträgliche Landwirtschaft erwarten. Nachhaltigkeit bedeutet für sie auch, dass so wenig chemische Hilfsmittel wie möglich zum Einsatz kommen. 

So wenig wie möglich, so viel wie nötig – so setzen Landwirte Pflanzenschutz- und Dünge-mittel ein. Allein wirtschaftlich haben sie großes Interesse, diese kostenintensiven Betriebsmittel möglichst sparsam zu verwenden, denn die Mittel haben ihren Preis. Dabei hilft ihnen schon immer der Fortschritt in der Landtechnik, heute auch die Digitalisierung.Die Kombination von moderner Ausbringtechnik und digitalen Lösungen wird zum präziseren Einsatz von Pflanzenschutz- und Düngemitteln beitragen. Feldspritzen bringen satelliten-gesteuert Pflanzenschutzmittel punkt-genau aus, Sensoren erkennen den Nährstoffbedarf oder den Schädlingsbefall der Pflanzen. Die notwendigen Mengen werden in Zukunft online optimiert. 

Für den langfristigen Erfolg wird die Landwirtschaft aber ein schnelles mobiles Breitbandnetzes zwingend angewiesen sein. Hier ist die Politik gefordert, das Potenzial digitaler Lösungen auf dem Land zu entfesseln.

Michael Oelck, Hauptgeschäftsführer des  LandBauTechnik – Bundesverband e.V.; Foto: Presse

Dank digital vernetzter Systeme wissen Landmaschinen, was sie wo auf dem Acker machen. Wurde bei Flächenspritzen bislang noch der gesamte Acker „geduscht“, können sie heute Schadkräuter oder Pilznester erkennen und unterwegs einzeln bearbeiten. Auch Saatmengen oder Düngergaben lassen sich für jeden Quadratmeter berechnen, wobei im Moment der Ausbringung noch Bodentemperatur oder Windgeschwindigkeit berücksichtigt werden. Dasselbe gilt für die Milchkuh, die im immer geöffneten Melkstand erkannt wird und ihre Futter-gaben erhält; hier werden Milchmengen und -qualität erfasst, die wiederum auf Tierwohl und optimierte Fütterung be-rechnen. Oder Bauwirtschaft: Hier wird in bspw. einem Bagger jeder Arbeitsprozess laufend erfasst, überprüft und mit Soll-Werten abgeglichen. So kann der Mechatroniker Schäden beheben, bevor sie überhaupt entstehen. 

Ob in der Erntetechnik, bei Kommunalmaschinen oder in der Tierhaltung – Digitalisierung ist in der LandBauTechnik heute schon gelebte Realität. Die berufliche Bildung muss dies berücksichtigen, die Fortbildung ist ebenso zwingende Voraussetzung wie ausreichend dimensionierte Datennetze. Da ist noch einiges aufzuholen.

30. Apr 2025

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Wirtschaft

Bidirektionales Laden spart Milliarden , Elektroautos können viel mehr, als „nur“ leise und ohne Abgase zu fahren

Mit bidirektionaler Ladetechnologie (BiDi) können sie Strom speichern und ins Netz zurückspeisen. Eine aktuelle Studie von Transport & Environment (T&E) zeigt, dass dies für Europas Energieversorger und Autofahrer Einsparungen in Milliardenhöhe ermöglichen könnte. Die Einsparungen resultieren aus einer effizienteren Nutzung der Erzeugungskapazitäten und einem geringeren Kraftstoffverbrauch. Um das Potenzial dieser Technologie zu nutzen, sind jedoch geeignete regulatorische Rahmenbedingungen notwendig. Laut der T&E-Studie könnte das Einsparpotenzial für Energieversorger und Verbraucher in der EU bis zu 22 Milliarden Euro jährlich betragen, was etwa acht Prozent der Kosten für das EU-Energiesystem entspricht. Von 2030 bis 2040 könnte die BiDi-Technik EU-weit mehr als 100 Milliarden Euro einsparen, allein in Deutschland bis zu 8,4 Milliarden Euro jährlich. Ein Grund für die hohen Einsparungen ist die Möglichkeit, mehr Strom aus erneuerbaren Quellen, insbesondere Solarstrom, in das Energiesystem zu integrieren. Die Nutzung der Fahrzeugakkus könnte den Bedarf an teureren stationären Speichern in der EU um bis zu 92 Prozent senken und die installierte PV-Leistung um bis zu 40 Prozent steigern. Die Halter von Elektrofahrzeugen profitieren direkt vom bidirektionalen Laden, da sie mit geringeren Stromkosten rechnen können. Zudem dürfte die Lebensdauer der Fahrzeugakkus durch optimiertes Laden steigen. In Frankreich haben The Mobility House und Renault beispielsweise das erste Vehicle-to-Grid (V2G)-Angebot eingeführt. Besitzer eines V2G-fähigen Renault 5 können mit einer speziellen Wallbox kostenfrei laden und ihren Fahrzeugakku ins Energiesystem einspeisen. Dieses Angebot soll bald auch in Deutschland und dem Vereinigten Königreich verfügbar sein. Im deutschen Markt gibt es jedoch noch Herausforderungen, wie den langsamen Roll-out von Smart Metern und die Notwendigkeit, einen passenden rechtlichen Rahmen zu schaffen. Der zweite Europäische Gipfel für bidirektionales Laden hat klare Handlungsempfehlungen ausgesprochen, die nun umgesetzt werden müssen. Dazu gehört die Abschaffung der Doppelbelastung von zwischengespeichertem Strom durch Netzentgelte und die Sicherstellung, dass „grüner“ Strom seine Förderansprüche auch bei Zwischenspeicherung im Akku behält. Die Messe „The smarter E Europe“ 2025 wird dem Thema eine eigene Sonderschau widmen, um Chancen und Herausforderungen für die Mobilitäts- und Energiebranche aufzuzeigen. Die Veranstaltung findet vom 7. bis 9. Mai 2025 in München statt und vereint vier Fachmessen: Intersolar Europe, ees Europe, Power2Drive Europe und EM-Power Europe. Die Sonderschau auf „The smarter E Europe“ wird dabei Produkte und Lösungen für das bidirektionale Laden präsentieren und Raum für Austausch und Networking bieten. ## Factbox The smarter E Europe vereint als Europas größte Messeallianz für die Energiewirtschaft vier Fachmessen (Intersolar Europe, ees Europe, Power2Drive Europe und EM-Power Europe) und findet vom 7. bis 9. Mai 2025 auf der Messe München statt. https://www.powertodrive.de/home