24. Dez 2021
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Lifestyle
Journalist: Theo Hoffmann
Man muss sich im Winter zuweilen einen Stoß geben, um sich bei pfeifendem Wind und grauen Wolken hinauszuwagen. Deutschland im Winter hat aber viele Reize.
Ganz so freundlich hat es unser Dichter Heinrich Heine ja nicht gemeint, als er 1844 sein satirisches Versepos „Deutschland. Ein Wintermärchen“ betitelte. Obwohl Heine die Schönheiten seiner Heimat kannte und achtete, nutzte er das Buch als Mittel zur Abrechnung mit Zeitpolitik und Missständen. Dass Deutschland im Winter allerdings märchenhafte Reiseziele zu bieten hat, steht auf einem anderen Blatt.
Die Mittelgebirge, der Harz, das Sauerland, aber auch das Erzgebirge sind im Winter zauberhaft. Auch die dunkle, nebelverhangene Atmosphäre des Teufelsmoors im niedersächsischen Worpswede mit seiner berühmten Künstlerkolonie ist eine Reise wert. Richtig angezogen und gut gelaunt, kommt man durch jedes Wetter und genießt auch raue Seeluft zum Beispiel auf der Ostseeinsel Rügen, wo sich im strengen Winter bizarre Eisformen am Strand zeigen. Vom Kreidefelsen aus betrachtet erzeugt die Landschaft viel Fantasie. Und man kann sich schon denken, warum sich bei diesem Anblick zu früheren Zeiten viele Sagen und Märchen gebildet haben. Natürlich kann es einem passieren, dass man bei längeren Touren kaum einen Menschen trifft. Selbst auf der Binzer Strandpromenade, bestimmt aber nicht in der Binzer Therme, die sich zum Aufwärmen bestens eignet.
Ähnlich sind die winterlichen Ausblicke und Begegnungen bei pfeifendem Wind auch an der Nordsee, wo Wattwanderungen (natürlich geführt) aber noch mystischer sein können als im Sommer. Und seien wir mal ehrlich: Die salz- und jodhaltige Luft Borkums tut einem auch in der kalten Jahreszeit ziemlich gut. Und weil sich die Ostfriesen ja in Sachen Wellness ziemlich gut auskennen, sind im Anschluss ans Laufen ein Meerwasserbad oder eine Schlammmassage in irgendwelchen Thermen eine gute Idee.
Der Winter im Wald mit verschneiten Fichten und Tannen erinnert uns immer an die Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm. Und tatsächlich sind viele Geschichten hier und dort an der sogenannten deutschen Märchenstraße entstanden und wurden in etlichen Abwandlungen tradiert. Im Harz fühlt man das besonders unmittelbar, wenn man den 970 Meter hohen Wurmberg hinaufläuft oder die Brockentour zu Fuß oder mit der historischen Schmalspurbahn von Wernigerode aus macht. Der Ausblick vom Brocken zu Winterzeiten ist unbeschreiblich.
Wenn man Glück hat, ist es windstill, der Himmel ist mattblau und man schaut gen Osten nach Wernigerode und gen Norden fast bis Wolfenbüttel. Weihnachtlich geht es eigentlich zu jeder Jahreszeit im Erzgebirge zu, wo die Schnitzer und Spielzeugmacher zu Hause sind und Schwibbögen und Nussknacker fertigen. Und wenn man schon mal dort ist, sollte man Oberwiesenthal am Fuße des Fichtelbergs nahe der tschechischen Grenze nicht auslassen. Fast so hoch wie der Harzer Wurmberg gilt der charmante Kurort als höchstgelegene Stadt in Deutschland.
Wer sicher gehen will, dass er bei seinen Mittelgebirgsreisen auch wirklich Schnee antrifft, sollte am besten in den Schwarzwald ziehen. Fast die Hälfte des Jahres liegt Schnee auf dem Feldberg im Hochschwarzwald. Und klasse sieht auch der Triberger Wasserfall aus, der aus 160 Metern herunterstürzt und im Winter aufregend beleuchtet wird. Von den Alpen gäbe es sicher noch viel mehr zu erzählen, von der Partnachklamm oder der Zahnradbahn zur Zugspitze. Aber dann würde unser deutsches Wintermärchen am Ende doch ein wenig zu lang.