22. Jul 2019
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Gesellschaft
Journalist: Chan Sidki-Lundius
Mit dem Sparen von Verpackungen ist es für Prof. Dr. Michael Braungart nicht getan. Er wünscht sich mehr biologisch abbaubare Verpackungen.
Der älteste deutsche Umweltschutzpreis, die Goldene Blume von Rheydt, geht in diesem Jahr an Prof. Dr. Michael Braungart. Der Chemiker erhält die Auszeichnung für seinen Einsatz im Bereich der Ökologie und Nachhaltigkeit - insbesondere für seine Forschung und Leistung im Rahmen des „Cradle-to-Cradle“-Prinzips. Das System für die Herstellung von Produkten und industriellen Prozessen ermöglicht es, Materialien als „Nährstoffe" in geschlossenen Kreisläufen zu halten – von der Wiege zur Wiege.
Befragt man den Wissenschaftler zum Thema Verpackungen, gerät er zunächst ins Schwärmen. Verpackungen seien elementar wichtig, um Lebensmittel haltbar zu machen und diese sicher zu transportieren. Zudem würden Nahrungsmittel weniger stark beschädigt und weniger Krankheitserreger beinhalten. So trügen Verpackungen auch dazu bei, Menschenleben zu retten. „Die andere Seite der Medaille ist, dass Verpackungen mehr denn je giftige Pigmente enthalten. Weil er leicht und billig sein soll, finden sich in einem einzigen Joghurtbecher bis zu 600 Chemikalien. Oder Glas: Es enthält Blei. In einer Tonne Altglas stecken bis zu 200 Gramm davon. Oder Papier: Nahezu kein Papier ist derzeit kompostier- oder recycelbar, weil es so viele Giftstoffe enthält oder so stark mit Kunststoff beschichtet ist“, führt der Professor aus. Kein Wunder also, dass er sich aus tiefster Überzeugung dafür einsetzt, Verpackungen neu zu denken.
Beispiel Plastik: Wenn man schon Plastik für Verpackungen einsetze, müsse sichergestellt sein, dass es wiederverwertet werde. „Man könnte alle Verpackungen aus drei Kunststoffen herstellen, und zwar aus sortenreinen“, so ein Vorschlag des renommierten Wissenschaftlers. Nylon etwa sei ein Plastik, welches sich sehr gut in die ursprünglichen chemischen Substanzen zurückverwandeln lasse und dann erneut polymerisiert werden könne. Auch PET sei ein Kunststoff, der sich bis zu acht Mal einsetzen lasse und biologisch abbaubar sei, wenn man die Zusammensetzung etwas ändere. Und wenn PET ins Meer gelange, würde es sich abbauen. Eine brauchbare Alternative zu Plastik sieht Braungart auch in Ecoflex, einen ebenfalls biologisch komplett abbaubaren Kunststoff. „Doch zunächst einmal müssten PVC und die Giftstoffe in allen Verpackungen verboten werden. Zweitens müssten Hersteller auf die Verpackungen draufschreiben, was darin enthalten ist. Und drittens müssten die Erzeuger in die Verantwortung genommen werden, damit sie ihr Zeug selbst entsorgen“, so der Gründer und wissenschaftliche Geschäftsführer von EPEA in Hamburg, der Wiege von „Cradle to Cradle“. Außerdem schlägt er vor, dass alle Kunden eine Pfandkarte bekommen, auf die ein Geldbetrag gebucht wird. Damit könnten sie etwa 120 verschiedene Produkte kaufen, dann wäre das Pfand aufgebraucht. Die entsprechenden Verpackungen müssten dann natürlich zurückgebracht werden, damit diese in den Kreislauf zurückgelangen. „Wir haben pro Kopf noch nie so viel Verpackungen erzeugt wie jetzt, über 150 Kilogramm pro Jahr“, bilanziert Braungart. „Jetzt ist es an der Zeit, bessere Materialien zu entwickeln und das Pfandsystem auszuweiten. Für den Einzelhandel wäre es eine Riesenchance, bereits verloren gegangene Kunden zurückzubekommen.“