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15. Nov 2023

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Lifestyle

„Wir versuchen eine kulinarische DNA zu entwickeln“

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: Presse

Thomas Imbusch und Sophie Lehmann leiten das ausgezeichnete Gourmet-Restaurant 100/200 in Hamburg. Warum Qualität, Leidenschaft und Weiterentwicklung elementar sind, verraten die Gastronomen im Interview.

Thomas Imbusch und Sophie Lehmann

Wie definieren Sie Qualitätsgastronomie und welche Rolle spielt sie in Ihrem Restaurant?

Qualitätsgastronomie ist immer da, wo Menschen mit Herz, Leidenschaft, Handwerk, unternehmerischem Verstand und besten Lebensmitteln Gäste bewirten. Das Mettbrötchen kann einem genauso die Tränen in die Augen treiben wie ein großartiges Menü mit begleitenden Getränken, das einen tagelang sprachlos zurücklässt. Es geht eben um Qualität. Für uns bedeutet das, dass jedes Detail passen muss. Das Licht auf dem einzelnen Teller, die Playlisten, die zu jeder Saison kuratiert sind, oder der Klang des Porzellans. Genauso wie die ständige Weiterentwicklung, um neue einzigartige Momente für die Gäste zu schaffen und dabei doch ein gewisses Gefühl von zu Hause zu vermitteln. Wir versuchen eine Art kulinarische DNA zu entwickeln, die man im 100/200 schmeckt.

 

Warum haben Sie sich dazu entschieden, eine Gedeckpauschale einzuführen?

Neben dem Überraschungsmenü bieten wir eine kleine à la Cart-Version an. Bei einem Menü richten wir uns danach, was die Erzeuger liefern – wir verstehen uns als Sprachrohr zwischen Natur, Erzeuger und Gast. Hier wissen wir exakt, was passiert, können Lebensmittel und Personal planen, Verschwendung und Verlust nahezu komplett vermeiden. Beim à la carte ist dies nicht so. Auf wirtschaftlicher Seite haben wir uns entgegen der gängigen Praxis dazu entschieden, nicht mit Getränken oder insgesamt höheren Preisen für die Gerichte quer zu subventionieren, sondern transparent zu bepreisen. Wir hoffen, dass es hilft, eine gewisse Wertschätzung für unser Handwerk zu schaffen. Wer zu uns kommt, erlebt immer allerhöchste Qualität und Fürsorge. Brot, Butter, Service, Ambiente sind nicht belanglos, sondern einzigartig. Also zahlt man bei uns, wenn man kein Menü, sondern à la Carte isst, 35,00€ für Sauerteigbrot und Joghurtbutter mit Rosmarin, Schnittlauch, Chili und Wasser satt. Es gibt Gäste, die nur dafür kommen.

 

Welche negativen Auswirkungen kann PR auf ein Sterne-Restaurant haben und wie gehen Sie damit um?

PR kann beflügelnd oder verheerend sein. Reißerische Schlagzeilen sind immer herausfordernd. In unserem Fall führte es zu Wünschen der Insolvenz, dem Verhungern unserer Kinder und persönlichen Beleidigungen der Mitarbeiter.

Es geht einem an die Niere, und es gibt sicher die Momente, in denen man sich wünscht, weniger im Fokus zu stehen. Aber wir lieben Gastronomie! Esskultur ist für uns höchst politisch und zugleich absoluter Exzess. Und daher treffen wir auch Entscheidungen, die für Unverständnis sorgen – wie etwa Ticktet-System, Überraschungsmenü, Gedeckpauschale. Aber wir wollen ein zukunftsfähiges Unternehmen führen und glauben an die Revolution im Alltag. Die Erlebnisse mit unseren Gästen und der Austausch mit den Kollegen geben uns recht. Ebenso die Wirtschaftlichkeit des 100/200.

 

Welchen Tipp können Sie uns für ein gelungenes Weihnachtsessen zu Hause geben?

Das Wichtigste: Kochen Sie kein Menü, für das Sie permanent in der Küche stehen müssen.

Suchen Sie Gerichte, die Sie vorbereiten können. Entspanntheit ist die wichtigste Eigenschaft eines guten Gastgebers. „Luxus“ liegt in der Auswahl des besonderen, nicht in einem Übermaß an Zimt und Nelke. Und bei den Getränken: Es kann, aber muss nicht Champagner sein – Fancciacorta, Cava, Crement oder Winzersekt: Hauptsache hochwertig.