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29. Jun 2022

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Lifestyle

„Wir wollen Menschen, die lieben, was sie tun“

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: Caroline Attwood/unsplash, Presse

Das Hamburger 100/200 Kitchen ist mit zwei Michelin Sternen und einem grünen Stern ausgezeichnet. Neben dem nachhaltigen Essen lockt hier die das besondere Ambiente und die lebendige Atmosphäre Gäste an. Um die Qualität langfristig zu steigern, haben die Gründer Sophie Lehmann und Thomas Imbusch jetzt ihre Brandherd Esskultur Akademie gegründet.

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Sophie Lehmann und Thomas Imbusch, Gründerduo der 100/200 Kitchen und der Brandherd Esskultur Akademie

Wie ein modernes Raumschiff, das inmitten abgerockter Lager- und Bürogebäude an den Hamburger Elbbrücken liegt, erstrahlt das 100/200 Kitchen in sanftem Licht. Wohl niemand ahnt, dass sich hier im Industriegebiet ein Zwei-Sterne-Restaurant versteckt. Eine riesige offene Küche dient als Kommandobrücke, alle Fäden laufen dort zusammen. Der lässige Teamspirit ist der Pfeiler des Erfolgs – die Gäste schätzen den Top-Service im 100/200 Kitchen. Damit das auch so bleibt, haben sich die Geschäftsführer Sophie Lehmann und Thomas Imbusch dazu entschlossen, ihr eigenes Ausbildungskonzept zu entwickeln: die Brandherd Esskultur Akademie. Hier vermitteln sie ganzheitlich und vollumfänglich das Handwerk der Gastronomie. Warum sie die Akademie ins Leben gerufen haben und wie die Ausbildung abläuft, erklärt Sophie Lehmann.

Sophie, welche konkreten Erfahrungen mit dem klassischen Ausbildungsweg haben euch dazu bewogen, die Akademie ins Leben zu rufen?

Veraltete Lehrinhalte und Strukturen, die zu wenigen Menschen gerecht werden. Das duale System ist für einige Menschen sehr sinnvoll. Beispielsweise für sehr junge Auszubildende, die auch noch eine Form der Grundbildung erfahren sollen. Wenn aber, überspitzt gesagt, auch ein Erwachsener mit zwei Masterabschlüssen in der Berufsschule acht Stunden lang Dreisatz rechnen muss, ist dies einfach verschwendete Lebenszeit. Hier gibt es leider aktuell keine andere uns bekannte Möglichkeiten der Individualisierung als die Akademie.

Was sagen offizielle Stellen wie die IHK zu eurer Akademie – und gibt es eine Form der Ausbildungsanerkennung?

Nein, es gibt Stand heute bedauerlicherweise keine offizielle Anerkennung. Die IHK sieht keine Möglichkeit für eine Kooperation, wie beispielsweise eine externe Prüfung in zwei Bereichen zu angepassten Bedingungen. Man ließ uns sogar wissen, dass man uns verklagen würde, wenn wir von „Ausbildung“ sprächen. Sowohl nachvollziehbar wie auch bedauerlich und hoffentlich nicht das Ende der Gespräche.

Wie sieht die Zukunft eurer Absolventen aus?

Innerhalb der Akademie erlernen Sie zunächst einmal ein klassisches Handwerk. Und dies in einer Intensität, wie es andere Betriebe kaum können. Durch die vier Saisons, in denen wir arbeiten werden alle Themenbereiche abgedeckt: Fisch&-Meeresfrüchte, Wild, Nose to Tail, Farm to Table und vegetarische Küche. Dann entwickeln sie sich innerhalb der Akademie nach persönlichen Stärken – und werden in den Bereichen Küche, Service oder Drinks anderem gefördert. Wenn sie uns dann verlassen, haben Sie ein wirklich umfassendes Wissen über die Abläufe in einem Restaurant. Sie können sich also guten Gewissens überall bewerben und wissen, was Sie können. Wir hoffen, Menschen zu entlassen, die lieben, was Sie tun, diese Leidenschaft weitertragen und ihren Platz in der Welt der Gastronomie finden. Und der muss eben nicht nur zwangsläufig am Herd sein.

Wie gestaltet sich der Alltag für die Anwärter und wie lange dauert das Programm?

Drei Jahre, wie eine klassische Ausbildung auch. Diese Zeit sollte man sich mindestens zugestehen, um ein Handwerk zu lernen. Die Anwärter arbeiten pro Saison immer auf einem festen Posten. Von der Spüle über den Service, vom Frühdienst bis zum Abschließen des Ladens gehört alles dazu. Darüber hinaus schreiben Sie jede Woche eine Retrospektive, um Ihren Wissensstand zu dokumentieren, die Learnings aus der Woche mitzunehmen und sich ein eigenes Standard-Werk aufzubauen. Das soll ihre Zeit bei uns dokumentieren und später als Nachschlagewerk fungieren. Neben den täglichen Aufgaben gibt es immer wieder Lehrunterweisungen zu übergreifenden Themen. Etwa eine Zerlegeschulung. Oder Zwischenprüfungen, um sicherzustellen, dass wir keine „100/200 Idioten“ ausbilden. Wenigstens einmal im Monat gibt es eine externe Schulung durch unsere Partner. Angefangen mit „Kommunikation“ mit Janina Felix bis zu „Arbeitsrecht“ mit der Kanzlei Felix Korten. Natürlich aber auch fachliche Themen wie Milch oder Kaffee mit Thilo Metzger-Petersen vom Backensholzer Hof – oder mit Andreas Pingo Felsen von Quijote Kaffee. Alles, in dem wir nicht selber Experten sind, lassen wir extern schulen. Die Menschen sollen von unseren Beziehungen profitieren und immer das beste Wissen bekommen. Die ersten Praktika stehen jetzt gerade an. Beispielsweise eine Stage im Haerlin, das zum Hotel Vier Jahreszeiten, gehört.

Sind bereits Unterschiede erkennbar – etwa in Persönlichkeit oder Fähigkeiten – zwischen euren aktuellen Anwärtern und Azubis, die den konventionellen Ausbildungsweg gegangen sind?

Absolut. Die Anwärter haben ein extrem gutes Qualitätsverständnis. Sie lernen jeden Tag, sich als Team zu verstehen. Das Bewusstsein, dass jeder Teilbereich gleich elementar ist, damit der Gast einen guten Abend hat, ist entscheidend. Dies fehlt vielen anderen Menschen in der Gastronomie immer öfter.

11. Jul 2025

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Gesundheit

Wo demenzkranke Menschen mit allen Sinnen gefordert sind – mit Esther Daenschel, zertifizierte Gartentherapeutin nach IGGT, Hospital zum Heiligen Geist

![Esther_Daenschel_xl online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Esther_Daenschel_xl_online_7618aeaf4e.jpg) ``` Esther Daenschel, zertifizierte Gartentherapeutin nach IGGT, Hospital zum Heiligen Geist ``` **Was ist ein Sinnesgarten?** Ein Therapie- und Sinnesgarten ist ein gestalteter Raum, der alle Sinne anspricht und Menschen mit Demenz positive Erlebnisse ermöglicht. Besonders wichtig sind die Barrierefreiheit und die klare Aufteilung in verschiedene Gartenbereiche, die die Orientierung erleichtern und unterschiedliche Bedürfnisse – von Aktivierung bis Entspannung – ansprechen. Jeder Therapiegarten ist individuell und sollte immer an die Gegebenheiten vor Ort, das Klientel und die Menschen, die ihn mit Leben füllen, angepasst werden. **Welche Bedeutung haben solche Gärten für demenzkranke Menschen?** Für Menschen mit Demenz hat ein Therapie- und Sinnesgarten große therapeutische Bedeutung. Er wirkt anregend, vermittelt Geborgenheit, kann Erinnerungen wecken und den Erhalt von Alltagskompetenzen unterstützen. Sinnesgärten stärken Selbstwirksamkeit, Teilhabe und Lebensqualität und bieten Raum für Begegnung und sinnvolle Beschäftigung. Sie fördern soziale Kontakte, bieten Abwechslung und schaffen kleine Inseln der Ruhe, Begegnung und Aktivität. **Welche Aktivitäten sind dort möglich?** In unserem Therapie- und Sinnesgarten im Hinsbleek 9 können vielfältige Angebote stattfinden, die sich an den individuellen Fähigkeiten und Ressourcen der Bewohner:innen orientieren. Neben der Sinnesanregung durch Riechen, Tasten und Schmecken von Kräutern, Gemüse und Obst können die Besucher:innen unter der Pergola oder auf der Klönschnackbank gemeinsam sitzen und plaudern. Bewegungseinheiten wie Spaziergänge und Naturbeobachtungen fördern die Mobilität und Wahrnehmung. Darüber hinaus bietet unser Sinnesgarten barrierefreie Hochbeete, die unterfahrbar oder in Stehhöhe zum Gärtnern einladen.

17. Jun 2025

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Lifestyle

DIY als Philosophie – mit Jonas Winkler

![JonasWinkler Online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Jonas_Winkler_Online_8c75c7f697.jpg) ``` Jonas Winkler, Tischlermeister & Content Creator ``` Selbstgemacht statt gekauft: „Do it Yourself“ ist eine Einladung für jeden, das eigene Zuhause ganz persönlich und mit Herzblut zu gestalten. Ob Möbel, Deko oder kleine Reparaturen: Jedes selbstgemachte Stück, jede Upcycling-Kommode erzählt seine eigene Geschichte und macht die eigenen vier Wände noch gemütlicher. Dabei geht es um Spaß am Handwerk, die Freiheit, Materialien und Techniken nach Lust und Laune auszuprobieren – und auch darum, aus Fehlern zu lernen. Genau das lebt Jonas Winkler, Tischlermeister und Produktdesigner auf seinen Social Media-Kanälen vor. Mit seinen inspirierenden Ideen und detaillierten DIY-Tutorials motiviert er Heimwerkende und alle, die es noch werden wollen. Darf es ein ergonomischer Gaming-Tisch sein oder ein paar Kniffe, wie man ein krummes Holzbrett wieder gerade bekommt? Egal, ob großes oder kleines Projekt: „Mit etwas Selbstgemachten entsteht nicht nur ein Objekt, sondern eine emotionale Verbindung zwischen Mensch, Material und dem Stolz, etwas Bleibendes geschaffen zu haben.“ Dabei dürfen auch Fehler passieren. „Ich mache selbst nicht alles richtig, wie man in meinen Videos sieht“, sagt Jonas Winkler lachend, „das Spannende ist doch das Knobeln: Wie kriegen wir den Karren jetzt aus dem Dreck? Probleme offen zeigen und Lösungen finden, darum geht es. Aufgeben ist keine Option.“ Natürlich muss man einige Dinge nicht selbst erleben, um zu wissen, dass sie auch gefährlich sein können, betont Jonas Winkler: „Gerade Laien müssen Sicherheit priorisieren. Bei Billigwerkzeug etwa ist das Unfallpotenzial enorm. Wie schnell ein günstiger Akku überhitzt oder ein Schraubenschlüssel bricht – das demonstrieren wir in meiner Werkstatt als sicheren Raum, um Risiken zu minimieren.“ Sein eigener Weg begann mit dem Studium des Produktdesigns. Die Neugier, wie Entwürfe Realität werden, führte ihn zu ersten eigene DIY-Projekten und schließlich dazu, auch den Handwerksmeister zu absolvieren. Gerade heute, wo so vieles fremdbestimmt ist und durch Technologien immer schwerer greifbar wird, bietet das Handwerk eine besondere Möglichkeit, selbst aktiv Einfluss auf das Ergebnis zu nehmen. „Der Gedanke, etwas selbst zu designen, zu erschaffen und damit einem Möbelstück eine Geschichte zu geben, ist unersetzlich“, erklärt er. Und was braucht es seiner Meinung nach, damit das Holzhandwerk auch als Ausbildungsbetrieb attraktiv und zeitgemäß bleibt? „Inklusivität und eine positive Fehlerkultur, die Raum zum Lernen lässt, sind entscheidend – ob beim traditionellen Hobeln oder digitalen Fräsen. Das Wichtigste aber ist, das es Spaß macht.“ Also nichts wie los: Neugierig sein, ins Tun kommen und sich ein Traum-Zuhause schaffen, das genauso einzigartig ist, wie man selbst. Das nächste DIY-Projekt wartet vielleicht schon am nächsten Straßenrand. >Inklusivität und eine positive Fehlerkultur, die Raum zum Lernen lässt, sind entscheidend – ob beim traditionellen Hobeln oder digitalen Fräsen.