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19. Jun 2024

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Wirtschaft

Zeitenwende auch bei den Lieferketten? – Ein Beitrag von Dr. Helena Melnikov

Der Wandel ist mit Händen zu greifen. Die Lieferketten stehen vor einschneidenden Veränderungen. Ihnen drücken Megatrends wie Digitalisierung und KI, verändertes Verbraucherverhalten, vor allem aber die wachsenden globalen Herausforderungen ihren Stempel auf. Angesichts der Vielzahl, der rasanten Geschwindigkeit und Gleichzeitigkeit der Herausforderungen hat die aktuelle Situation das Potenzial zur „Zeitenwende“.

Dr. Helena Melnikov, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbandes Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e. V. (BME)

Wir alle spüren es: Eine instabile Weltordnung, sich verschärfende Auswirkungen extremer Wetterereignisse und ökonomische Unsicherheit führen dazu, dass sich Risiken beschleunigen und immer weiter ausbreiten. Erinnern wir uns: In den vergangenen Jahrzehnten haben Unternehmen ihre Lieferketten auf die ganze Welt ausgedehnt, um Kosten zu senken, Gewinne zu steigern und auf neuen internationalen Märkten Fuß zu fassen. Das hat zu Prozessen geführt, die zwar effizient sind, aber auch anfällig für Störungen – sei es durch Naturkatastrophen, Kriege oder Pandemien. Die Coronakrise hat uns allen die Verwundbarkeit globaler Waren- und Handelsströme und deren Bedrohung für Wirtschaft und Logistik aufgezeigt. Immer mehr Unternehmen erkennen die Notwendigkeit, widerstandsfähigere Lieferketten zu etablieren. Resilienz statt Effizienz lautet das neue Ziel. Deshalb investieren Unternehmen verstärkt in Strategien zur Risikominderung.

Lässt sich damit schon heute ein Blick auf die Zukunft erhaschen? Ja, denn die technologischen Fortschritte sind beachtlich. KI-Systeme können große Datenmengen aus verschiedenen Quellen erfassen und analysieren, um Muster, Trends und potenzielle Risiken zu erkennen. Sie können historische Daten nutzen, um zukünftige Ereignisse vorherzusagen, indem sie komplexe Algorithmen und maschinelles Lernen verwenden. KI kann auch dabei helfen, Compliance-Risiken zu managen, indem automatisierte Überprüfungen von gesetzlichen und regulatorischen Anforderungen durchführt werden. Der Anwendungsbereich ist immens und Unternehmen können schneller denn je proaktive Maßnahmen ergreifen.

Das ist auch nötig, denn die Anforderungen werden immer gewaltiger. Neben geopolitischen Ereignissen belasten auch die regulatorischen Berichtspflichten viele Unternehmen gerade im Mittelstand sehr. Bis zu welchem Glied in der Lieferkette sind Unternehmen in der Verantwortung, ihren Einfluss zur Durchsetzung sozialer und ökologischer Standards zu nutzen? In welchem Glied der Lieferkette hört die unternehmerische Verantwortung auf? Und darf das zulasten der Menschrechte, der Umwelt oder doch lieber zulasten der Preise oder des ökonomischen Unternehmenserfolgs gehen? Dieses Spannungsfeld müssen wir als Gesellschaft und als Wirtschaft neu austarieren – auch das kann rückblickend eine Zeitenwende werden.

Es geht um die Transformation unserer globalen Verbindungen, unserer wirtschaftlichen Grundsätze und unserer gesellschaftlichen Werte – weg von traditionellen, linearen Modellen hin zu flexibleren, vernetzten und innovativen Systemen. Machen wir uns auf den Weg.

30. Apr 2025

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Wirtschaft

Bidirektionales Laden spart Milliarden , Elektroautos können viel mehr, als „nur“ leise und ohne Abgase zu fahren

Mit bidirektionaler Ladetechnologie (BiDi) können sie Strom speichern und ins Netz zurückspeisen. Eine aktuelle Studie von Transport & Environment (T&E) zeigt, dass dies für Europas Energieversorger und Autofahrer Einsparungen in Milliardenhöhe ermöglichen könnte. Die Einsparungen resultieren aus einer effizienteren Nutzung der Erzeugungskapazitäten und einem geringeren Kraftstoffverbrauch. Um das Potenzial dieser Technologie zu nutzen, sind jedoch geeignete regulatorische Rahmenbedingungen notwendig. Laut der T&E-Studie könnte das Einsparpotenzial für Energieversorger und Verbraucher in der EU bis zu 22 Milliarden Euro jährlich betragen, was etwa acht Prozent der Kosten für das EU-Energiesystem entspricht. Von 2030 bis 2040 könnte die BiDi-Technik EU-weit mehr als 100 Milliarden Euro einsparen, allein in Deutschland bis zu 8,4 Milliarden Euro jährlich. Ein Grund für die hohen Einsparungen ist die Möglichkeit, mehr Strom aus erneuerbaren Quellen, insbesondere Solarstrom, in das Energiesystem zu integrieren. Die Nutzung der Fahrzeugakkus könnte den Bedarf an teureren stationären Speichern in der EU um bis zu 92 Prozent senken und die installierte PV-Leistung um bis zu 40 Prozent steigern. Die Halter von Elektrofahrzeugen profitieren direkt vom bidirektionalen Laden, da sie mit geringeren Stromkosten rechnen können. Zudem dürfte die Lebensdauer der Fahrzeugakkus durch optimiertes Laden steigen. In Frankreich haben The Mobility House und Renault beispielsweise das erste Vehicle-to-Grid (V2G)-Angebot eingeführt. Besitzer eines V2G-fähigen Renault 5 können mit einer speziellen Wallbox kostenfrei laden und ihren Fahrzeugakku ins Energiesystem einspeisen. Dieses Angebot soll bald auch in Deutschland und dem Vereinigten Königreich verfügbar sein. Im deutschen Markt gibt es jedoch noch Herausforderungen, wie den langsamen Roll-out von Smart Metern und die Notwendigkeit, einen passenden rechtlichen Rahmen zu schaffen. Der zweite Europäische Gipfel für bidirektionales Laden hat klare Handlungsempfehlungen ausgesprochen, die nun umgesetzt werden müssen. Dazu gehört die Abschaffung der Doppelbelastung von zwischengespeichertem Strom durch Netzentgelte und die Sicherstellung, dass „grüner“ Strom seine Förderansprüche auch bei Zwischenspeicherung im Akku behält. Die Messe „The smarter E Europe“ 2025 wird dem Thema eine eigene Sonderschau widmen, um Chancen und Herausforderungen für die Mobilitäts- und Energiebranche aufzuzeigen. Die Veranstaltung findet vom 7. bis 9. Mai 2025 in München statt und vereint vier Fachmessen: Intersolar Europe, ees Europe, Power2Drive Europe und EM-Power Europe. Die Sonderschau auf „The smarter E Europe“ wird dabei Produkte und Lösungen für das bidirektionale Laden präsentieren und Raum für Austausch und Networking bieten. ## Factbox The smarter E Europe vereint als Europas größte Messeallianz für die Energiewirtschaft vier Fachmessen (Intersolar Europe, ees Europe, Power2Drive Europe und EM-Power Europe) und findet vom 7. bis 9. Mai 2025 auf der Messe München statt. https://www.powertodrive.de/home