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2. Sep 2024

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Wirtschaft

Zero Trust kann man nicht kaufen – mit Dr. Matthias Paletta und Tim Merscheid

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: Onur Binay/unsplash, Presse

Um sich gegen Cyberangriffe zu schützen, reicht nicht der einmalige Besuch eines Sicherheitsexperten. Dr. Matthias Paletta, Head of IT Transformation EMEA und Tim Merscheid, Cybersecurity Experte, beide von der Information Services Group (ISG), raten zur permanenten Kombination aus Technologie, Prozessen und Mitarbeiterschulung.

Paletta.Matthias Pic.Sq_online.jpg Dr. Matthias Paletta, Head of IT Transformation EMEA bei der Information Services Group (ISG)

Zero Trust ist ein Sicherheitskonzept, das darauf beruht, nichts und niemandem zu vertrauen. „Das klingt zunächst paranoid, ist aber angesichts der vielfältigen Bedrohungslagen in der IT, insbesondere in Cloud-Umgebungen, hochaktuell“, sagt Dr. Matthias Paletta, Head of IT Transformation EMEA. Wirft man einen Blick auf regulatorische Vorgaben wie DSGVO, DORA und NIS2, lässt sich ein erhöhtes Risiko in regulierten Branchen feststellen.

Merscheid.Tim Pic.Sq_online.jpg Tim Merscheid, Cybersecurity-Experte bei der Information Services Group (ISG)

„Auch wenn das Thema mittlerweile für alle Branchen wichtig ist, hat IT-Sicherheit für regulierte Branchen deutlich mehr Auswirkungen“, sagt Tim Merscheid, Cybersecurity-Experte bei ISG. Im Gegensatz zu einem lokalen Rechenzentrum ist die Cloud überall zugänglich. Das Identity Access Management (IAM) muss in der Cloud anders gehandhabt werden, da hier virtuelle Identitäten kontrolliert werden müssen. Dazu werden spezielle Identity Management Tools eingesetzt. „Im Grunde geht es darum, eine zentrale Plattform zu etablieren und diese mit verschiedenen Tools zu kombinieren“, sagt Dr. Matthias Paletta.

Die Unternehmensrealität bewegt sich heute typischerweise in einer hybriden Umgebung, in der sowohl eigene (traditionelle) IT-Systeme als auch Systeme in der (Public) Cloud abgesichert werden müssen. Die Herausforderung besteht darin, diese beiden Welten zu verbinden und abzusichern. Zero Trust ist ein Leitgedanke, der die bestehenden Sicherheitsmaßnahmen wie Firewalls und Netzwerksicherheit verstärkt – und zwar an jedem einzelnen Glied der Kette. „Neben Technologie und Design ist vor allem die Etablierung der Prozesse wichtig“, sagt Tim Merscheid. „Die Sicherheitsmaßnahmen müssen greifen, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entsprechend geschult sein. Denn der Faktor Mensch ermöglicht nach wie vor einen Großteil der Angriffe – oft aus Unachtsamkeit. Die meisten Cyberangriffe sind relativ plump, manche aber auch sehr gut gemacht. Deshalb bestehen wir auf einer jährlichen Schulung unserer Mitarbeitenden inklusive Prüfung und Zertifikat.“

Multifaktor-Authentifizierung spielt bei Zero Trust eine große Rolle, in sensiblen Bereichen wird daher nicht nur eine Zwei-, sondern eine Drei-Faktor-Authentifizierung eingesetzt: Passwort, Push-Nachricht auf dem Smartphone plus beispielsweise Fingerabdruck. Kontinuierliches Monitoring und dynamische Anpassung sind für Zero Trust in der Cloud absolut notwendig, denn einerseits muss die Cloud rund um die Uhr erreichbar sein, andererseits muss auf ungewöhnliche Aktivitäten sofort reagiert werden können.

„Aus unserer Sicht wird Zero Trust als Sicherheitsphilosophie und -konzept in Zukunft eine immer wichtigere Rolle spielen“, sagt Tim Merscheid. „In allen Unternehmen, sowohl in der Privatwirtschaft als auch in öffentlichen Institutionen.“ Das Konzept Zero Trust bedeutet nichts anderes, als dass man nichts und niemandem trauen sollte und auch, dass die Bedrohungslage entlang der Einfallstore eine immer größere Rolle spielen wird. Parallel dazu werden sich die entsprechenden Tools und Anwendungen verändern, um mit dem kriminellen Potenzial von Cyberangriffen Schritt zu halten.

Unternehmenssicherheit ist daher keine einmalige Angelegenheit, die man von seinem Provider implementieren lassen kann. Zero Trust ist ein fortlaufender Prozess, der sich ständig weiterentwickelt.

4. Jul 2025

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Wirtschaft

Chancen für die Zukunft der Versorgung – mit Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus & Dr. Johannes Danckert

![Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Dr_Johannes_Danckert_Copyright_Kevin_Kuka_Vivantes_online_6e3b6d01f5.jpg) ``` Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH ``` **Dr. Johannes Danckert, Vorsitzender der Geschäftsführung, Vivantes – Netzwerk für Gesundheit GmbH** Digitalisierung kann die Patientenversorgung schneller, besser und sicherer machen. Immer öfter werden dabei auch die traditionellen Grenzen zwischen ambulanten und stationären Bereichen sowie einzelnen Versorgungseinrichtungen abgebaut. So kann die ‚Patient Journey‘, also der gesamte Behandlungsweg eines Patienten von Diagnose bis Nachsorge, zu einer vernetzten Gesundheitsregion verbunden werden. Trotz deutlicher digitaler Fortschritte haben deutsche Krankenhäuser allerdings weiterhin erheblichen Entwicklungsbedarf, bedingt vor allem durch kleinteilige Strukturen und unzureichende Finanzierung. Denn die Implementierung innovativer Lösungen setzt bereits einen hohen Digitalisierungsgrad voraus. Bei Vivantes wurden zentrale Prozesse wie die Patientenkurve, Medikation, Pflegeprozesssteuerung sowie Anforderungs- und Befundungsprozesse digitalisiert. Auch große Teile der Medizintechnik sind eingebunden. KI-gestützte Systeme helfen uns, Frakturen und Embolien schneller zu erkennen oder warnen vor Komplikationen wie Delir oder Nierenversagen. Künstliche Intelligenz unterstützt uns auch dabei, Patientendaten direkt aus dem Rettungswagen in das Klinik-Informationssystem (KIS) zu übertragen, sodass die Krankenakte bei Ankunft bereits angelegt ist. Eine von uns entwickelte, interoperable Datenplattform ermöglicht zudem den automatisierten Datenaustausch von inzwischen 15 Klinikträgern in der Region Berlin-Brandenburg. Damit entstehen telemedizinische Versorgungskonzepte weit über Berlin hinaus. ![prof.dr.dr.jurgendebus_online.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/prof_dr_dr_jurgendebus_online_d7f732ea04.jpg) ``` Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor des Universitätsklinikums Heidelberg ``` **Prof. Dr. med. Dr. rer. nat. Jürgen Debus, Vorstandsvorsitzender und Leitender Ärztlicher Direktor Universitätsklinikum Heidelberg** Smarte Technologien und eine optimale Datennutzung verbessern den Klinikalltag und die Patientenversorgung. Das zukünftige Herzzentrum am Universitätsklinikum Heidelberg planen wir als Smart Hospital: Dort werden z. B. OPs gefilmt und das KI-System warnt automatisch bei Veränderungen des Patienten oder ungewöhnlichen Vorgängen. So werden Risiken früh erkannt und die Sicherheit erhöht. Dank verknüpfter Patientendaten und digitalem Terminmanagement läuft auch die Vorbereitung auf Eingriffe effizienter, da benötigte Ressourcen wie CT-Termine frühzeitig ersichtlich sind. Ein smartes Entlassmanagement stellt relevante Dokumente für den Patienten automatisch bereit und koordiniert Sozialdienst, Pflege und Medikamentenbedarf, sodass der Übergang in die weitere Versorgung optimal organisiert ist. In all diesen Algorithmen und Systemen steckt das gebündelte Wissen von Ärztinnen und Ärzten, Pflegepersonal und Forschenden. Die meisten KI-Anwendungen basieren auf maschinellen Lernmodellen, die mit Patientendaten trainiert werden, um Muster zu erkennen. Je größer der verfügbare Datensatz, desto exakter fallen Diagnosen und Prognosen aus – ein wichtiger Faktor angesichts des steigenden Versorgungsbedarfs bei gleichzeitig sinkender Zahl an Fachkräften. Smarte Technologien helfen, diese Lücke zu schließen und die Versorgung weiterhin auf hohem Niveau zu gewährleisten. Damit es nicht bei Insellösungen bleibt, treiben wir die übergreifende Datenintegration voran, ähnlich wie sie in der internationalen Forschung etabliert ist.

30. Jun 2025

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Wirtschaft

Krise als Chance: Wie KI und strategisches Supply Chain Management Europas Rolle stärken können – Ein Beitrag von Dr. Lars Kleeberg, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Materialwirtschaft, Einkauf und Logistik e.V. (BME)

Globale Lieferketten stehen unter massivem Druck. Handelskonflikte, Protektionismus und geopolitische Krisen haben die Weltwirtschaft grundlegend verändert – mit direkten Auswirkungen auf Produktion, Versorgungssicherheit und Wettbewerbsfähigkeit. Seit Trumps Zoll-Eskalationen ist klar: Lieferketten sind keine stille Infrastruktur im Hintergrund mehr – sie sind kritische Erfolgsfaktoren für Unternehmen und Volkswirtschaften. Just-in-time ist out, just-in-case-Konzepte sind jetzt notwendig. Es ist höchste Zeit, dass Deutschland und Europa ihre Abhängigkeiten hinterfragen und ihre Versorgungssicherheit neu denken. Politik und Wirtschaft sind gleichermaßen gefordert, die Schlüsselrolle von Einkauf, Logistik und Supply Chain Management strategisch anzuerkennen und aktiv zu stärken. Gerade Deutschland als Exportnation ist in besonderem Maße auf stabile, resiliente Lieferketten angewiesen. Steigende regulatorische Anforderungen wie CSRD, CSDDD, EUDR oder REACH verschärfen den Druck auf die Unternehmen zusätzlich: Einkauf, Supply Chain Management und Logistik müssen heute ökologische, soziale und wirtschaftliche Ziele gleichzeitig erfüllen – ein Spagat, der die Komplexität erheblich erhöht und insbesondere den Mittelstand herausfordert. In diesem Spannungsfeld wächst die Bedeutung von Künstlicher Intelligenz. Mithilfe von KI können Supply Chain-Manager Transparenz entlang globaler Lieferketten herstellen, Risiken frühzeitig erkennen, Compliance-Anforderungen effizienter erfüllen und Prozesse automatisieren. Doch trotz des enormen Potenzials sind KI- Anwendungen heute oft noch Pilotprojekte – gehemmt durch mangelnde Integration, rechtliche Unsicherheiten und zögerliche Entscheidungen in der Unternehmensführung. Es braucht deshalb eine klare Haltung in den Vorstandsetagen: Der strategische Einsatz von KI muss Chefsache werden. Nur, wer Technologie gezielt integriert und daraus neue Fähigkeiten entwickelt, sichert sich langfristige Wettbewerbsvorteile. Gleichzeitig müssen die politischen Entscheidungsträger in Berlin und Brüssel an einem Strang ziehen. Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben. Die neue Bundesregierung muss zügig die wirtschaftliche Resilienz unserer Unternehmen durch ein neues Außenwirtschaftsgesetz stärken und die versprochene Expertenkommission zur Risikoanalyse globaler Abhängigkeiten einsetzen. Europa kann gestärkt aus dieser Krise hervorgehen, wenn es gelingt, strategische Rohstoffe zu sichern, Handelsbeziehungen auf Augenhöhe auszubauen und ein level playing field – insbesondere im Verhältnis zu China – durchzusetzen. Ein strategischer Wandel ist unumgänglich. Insbesondere für Deutschland und Europa gilt: Versorgungssicherheit, Innovationsfähigkeit und wirtschaftliche Souveränität sind untrennbar mit robusten Lieferketten verbunden. Supply Chain Management, Einkauf und Logistik sind längst keine operativen Randfunktionen mehr – sie sind zentrale Erfolgsfaktoren in einer zunehmend fragmentierten Weltwirtschaft. Die internationale Wettbewerbsfähigkeit Europas entscheidet sich nicht in der nächsten Krise – sie entscheidet sich jetzt. >Angesichts geopolitischer Spannungen, zunehmenden Protektionismus und wirtschaftlicher Entkopplung muss die EU mit einer Stimme zentrale Handelsabkommen und strategische Partnerschaften vorantreiben.