28. Mär 2023
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Wirtschaft
Journalist: Jakob Bratsch
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Foto: DBV/Breloer
Joachim Rukwied, Präsident des Deutschen Bauernverbandes
Das vergangene Jahr hat verdeutlicht, dass Versorgungssicherheit weder mit Energie noch mit Lebensmitteln selbstverständlich ist.
Das Thema Ernährungssicherung ist wieder in den Mittelpunkt der gesellschaftlichen Debatte gerückt und zur strategischen Aufgabe der EU und Deutschlands geworden. Nicht nur, um weitere Hungerkrisen abzuwenden, die bereits vor Ausbruch des Ukraine-Krieges global viel zu präsent waren. Sondern auch, um die Abhängigkeit Deutschlands und der EU von autokratischen Staaten und politisch instabilen Weltregionen zu verringern. Ohne Landwirtschaft lässt sich diese Herausforderung nicht lösen. Doch dafür muss die Politik die passenden Rahmenbedingungen setzen.
Für uns Landwirte ist Ernährungssicherung seit jeher Teil unseres Selbstverständnisses. Ebenso selbstverständlich ist es für uns weiterhin Klima-, Umwelt-, Naturschutz und Tierwohl voranzubringen. In der Praxis wird auf den Höfen bereits auf vielfältige Fruchtfolgen, schonende Bodenbearbeitung, präzise Pflanzenschutz- und Düngemittelausbringung sowie produktionsintegrierte Natur- und Artenschutzmaßnahmen gesetzt. Auch den Ausbau von Kohlenstoffsenken in der Landwirtschaft wollen wir Bauern mit Carbon Farming-Maßnahmen, also der gezielten Speicherung von CO2 durch Humusaufbau in Ackerböden, voranbringen. Und bereits jetzt trägt die Landwirtschaft mit Wind-, Solar- und Bioenergie zur Bekämpfung des Klimawandels bei und hilft anderen Sektoren, ihre Klimaziele zu erreichen.
Um diesen Weg weiter verfolgen zu können, brauchen wir neben gezielter Agrarforschung, digitalen Innovationen und technologischem Fortschritt weitere praxisorientierte Lösungen. Hier ist insbesondere die Politik gefragt. Die aktuellen Vorschläge aus Brüssel zum Pflanzenschutz gefährden die Landwirtschaft und die Ernährungssicherheit massiv – und das ohne positiven Effekt für Umwelt- oder Klimaschutz. Hier sind intelligentere Lösungen gefragt. Auch muss die Politik verhindern, dass unsere nachhaltige heimische Erzeugung in Länder mit geringeren Standards verlagert wird. Dafür ist eine kluge Handelspolitik unabdingbar – Handelsabkommen wie das geplante Mercosur-Abkommen würden nicht nur unserer Landwirtschaft massiv schaden, sondern auch Anstrengungen beim Klimaschutz und Tierwohl konterkarieren. Darüber hinaus haben wir uns bereits 2021 dafür eingesetzt, Ernährungssicherung und Klimaschutz als Staatsziele ins Grundgesetz aufzunehmen. Im Lichte der aktuellen geopolitischen Ereignisse und klimatischen Entwicklungen hat diese Forderung nochmals an Relevanz gewonnen.
Entscheidend ist letztendlich aber stets, dass sich Ökologie und Ökonomie die Waage halten: Ohne wirtschaftliche Perspektiven, Planungssicherheit und die Bereitschaft der Gesellschaft, die vielfältigen Leistungen unserer Landwirte bei der Lebensmittelerzeugung und im Klima-, Umwelt- und Artenschutz zu honorieren, können unsere Landwirtinnen und Landwirte nicht in die Zukunft investieren. Zukunft braucht Perspektiven. Es wird höchste Zeit, dass die Politik die richtigen Leitplanken setzt, damit für die multiplen Krisen Lösungen gefunden werden können. Denn die großen Herausforderungen unserer Zeit können nur mit der Landwirtschaft bewältigt werden.