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7. Dez 2020

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Business

Abhörsicher telefonieren

Journalist: Katja Deutsch

Zur Entwicklung einer zündenden Idee reichen manchmal zwei Personen mit hervorragender Expertise. Bei Henning Schiel und Mirco Jahn aus Hankensbüttel gab eine Anfrage eines NGOs den Anstoß, das ein Telefon suchte, das weder von brutalen Regimes noch von rücksichtslosen Unternehmen abgehört werden konnte. Gibt es das nicht längst? Warum nicht WhatsApp-Sprach-nachrichten versenden – hier steht doch bei jeder Nachricht etwas von Ende-zu-Ende-Verschlüsselung?

Henning Schiel und Mirco Jahn, Gründer der Patero GmbH; Foto: Jan Schiehl

Rein Software-basierte Lösungen können gegen die heute üblichen Angriffsszenarien nicht standhalten. Dazu gibt es, selbst bei den größten Smartphone-Herstellern, zu viele Sicherheitslücken, die auch aktiv ausgenutzt werden und z. B. das Abhören des Mikrofons ermöglichen, ohne dass die Benutzer davon etwas mitbekommen“, so Henning Schiel. „Unsere Behörden, Unternehmen, NGOs, Ärzte und Journalisten haben bisher de facto keine Möglichkeit, wirklich sicher zu telefonieren.“ 

Nach einem halben Jahr hatte das Team aus der Nähe von Braunschweig, das mittlerweile das Start-up Patero GmbH gegründet hat, den ersten Prototypen entwickelt: Einen kleinen Chip, der in ein handelsübliches 5G-taugliches Smartphone eingesetzt wird. Per Knopfdruck schaltet sich nun der Schutz des Mikrofons ein und sämtliche möglicherweise vorab installierte Spy Ware wird wirkungslos: Niemand außer der angerufenen Person ist mehr imstande, zuzuhören. Drückt man erneut auf den Knopf, wechselt man zurück in den normalen Modus, und kann problemlos wieder WhatsApp-Sprach-nachrichten verschicken und sich auf Facebook tummeln. 

„Aktiviert man den kleinen Knopf, wird nicht nur das Gespräch selber verschlüsselt, sondern eben auch das Mikrofon an sich. Deshalb kann man jetzt sein Telefon mit in jedes noch so geheime Meeting nehmen.“ Ganz gleich, ob es sich um Arbeitsgruppen der Bundesregierung, medizinisch-ethische Fragen der Ärzteschaft oder um Autozulieferer handelt, überall versuchen Hacker, Interna auszuspionieren und dieses Wissen zu ihrem Vorteil zu verwenden. Diese Hackerangriffe kann man sogar als so genannte Serviceleistung von etlichen dubiosen Anbietern käuflich erwerben. Am teuersten sind diejenigen Angriffe, die nicht einmal bemerkt werden.

Aus rechtlichen und ethischen Gründen wird das abhörsichere Smartphone mit integriertem Kryptochip, welches im kommenden halben Jahr die Marktreife erreichen wird, weder an Privatpersonen noch an Länder außerhalb Europas geliefert werden. Das Start-up aus der Nähe von Braunschweig möchte zwar selbstverständlich auch Geld verdienen, aber nicht um jeden Preis. Das übergeordnete Ziel ist es, etwas Positives zu schaffen. Patero ist auf einem guten Weg: Auch wenn die Krise viele Start-ups gerade finanziell ausbluten lässt und Coronahilfen bisher vergeblich angefragt wurden, geht es bei Patero in Riesenschritten voran: Die Zusammenarbeit mit strategisch wichtigen Großherstellern ist in greifbarer Nähe. „In diesem ersten Modell arbeiten wir rein an der sicheren Sprachverschlüsselung“, so Henning Schiel. „Hier haben wir sehr viele Kundengruppen, die wir persönlich betreuen. Bald schon werden wir das mit anderen Methoden kombinieren, um auch Daten sicherer zu machen.“

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.