4. Mär 2019
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Lifestyle
Journalist: Chan Sidki-Lundius
Groß, größer, Big Wave: Nur die besten Surfer der Welt wagen sich in die Riesenwellen, die im Herbst an bestimmten Orten der Atlantikküste zu finden sind. Deutschlands einziger Big-Wave-Surfprofi Sebastian Steudtner ist ein Superstar der Big-Wave-Szene. Den Ritt auf den bis zu 25 Meter hohen und bis zu 500 000 Tonnen schweren Riesenwellen beherrscht er wie kaum ein anderer.
Gerade einmal neun Jahre war Sebastian Steudtner jung, als er das erste Mal mit einem Surfbrett in Berührung kam. Als Knirps von elf Jahren stand sein Entschluss dann fest: Profi-Surfer wollte er werden. Als 16-Jähriger verließ er seine Familie und seine Heimat Nürnberg und zog nach Hawaii, den 50. Bundesstaat der USA, um seinen Traum tatsächlich zu leben. Heute gehört Sebastian Steudtner zu den besten Big-Wave-Surfern der Welt. Bereits zweimal gewann der Sohn eines Deutschen und einer Österreicherin den Surf-Oscar, den Global Big Wave Award in der Kategorie „Höchste Welle“. Seit 2012 gehört der Profi-Surfer mit seinen unglaublich spektakulären Ritten auf den bis zu 80 Stundenkilometer beschleunigten Wellen immer zu den Nominierten in dem international renommierten Wettbewerb.
Viel unterwegs zu sein, um immer da zu sein, wo es gerade die besten und höchsten Wellen gibt, daran hat sich der 33-Jährige längst gewöhnt. „Ich reise unheimlich gern und fühle mich an sehr vielen Orten rund um den Globus heimisch, weil ich dort viele gute Freunde habe. Und ich liebe es, neue Kulturen kennenzulernen“, berichtet Sebastian Steudtner.
Jetzt in den Wintermonaten hält er sich vor allem im europäischen Surfparadies Nazaré auf, das etwa 120 Kilometer von Portugals Hauptstadt Lissabon entfernt ist. Vor der Küste des idyllischen Fischerörtchens toben beeindruckende, dem Laien Angst einflößende Wellen, die zu den gewaltigsten der Welt gehören. Im Laufe des Jahres zieht es den Big-Wave-Wellenreiter dann meistens auch „down under“ nach Australien, an die Westküste der USA, aber auch nach Südafrika, Indonesien, Hawaii oder Tahiti. Immer im Gepäck hat er nicht nur seine schwarzen Hightech-Boards, sondern auch zwei bis drei Leute aus seinem großen Team, zu dem unter anderem versierte Jetski-Fahrer und vorausschauende Wellen-Spotter zählen: „Für mich ist es extrem wichtig, eine tolle Crew zu haben, auf die ich mich immer hundertprozentig verlassen kann. Wir sind auf dem Wasser und auch in der Vorbereitung aufeinander angewiesen und vertrauen uns alle gegenseitig blind. Ich bin draußen auf der Welle zwar allein, aber in den Wellen nie.“ Für die Sicherheit, die laut Steudtner oberste Priorität hat, ist Dr. Axel Haber, ein deutscher Arzt und Marineoffizier, zuständig. Der Respekt für die Wucht der Welle sei stets da, attestiert Steudtner – immer aber auch gebe es da eine respektvolle Grundangst. Wenn man die verliere, sei die Gefahr einer Verletzung im Wasser besonders hoch. Dabei weiß der sympathische Sportler, wovon er spricht. 2015 konnte er aufgrund einer Verletzung insgesamt sechs Monate lang nicht ins Wasser. Im Anschluss an die Genesung musste er seine Muskeln in zeitaufwändigen Trainings wieder neu aufbauen. Ein weiteres einschneidendes Erlebnis: Kurz vor Weihnachten im letzten Dezember rettete er, als er selbst mit einem Jetski auf dem Wasser unterwegs war, einen brasilianischen Surfer vor dem Ertrinken, der auf einer Welle im Big-Wave-Revier Nazaré gestürzt und von vier weiteren gigantischen Brechern überrollt worden war. „Und das wird nicht das letzte Mal gewesen sein. Denn Unfälle und schlimme Stürze gehören in unserem immer bekannter werdenden Sport leider zunehmend dazu, weil viele Surfer sich gegenseitig überbieten wollen. Je spektakulärer unsere Ritte auf den Wellen sind, desto mehr Aufmerksamkeit bekommen wir in den Medien und sozialen Netzwerken. Und das hat teilweise üble Auswirkungen“, so Steudtner, der auch im sozialen Bereich sehr engagiert ist. Im Juni 2017 gründete er den gemeinnützigen Verein „wirmachenwelle“. Dieser hat sich zum Ziel gesetzt, benachteiligten Kindern aus schwierigen Verhältnissen im Alter zwischen elf und 17 Jahren zu einem besseren Leben zu verhelfen. Nach einer zehn Monate langen Vorbereitung mit Stand-up-Paddling, Skateboarden, Schwimmen und Boxen reisen die Jugendlichen für eine Woche mit Sebastian Steudtner nach Portugal, wo dieser sie in die hohe Kunst des Surfens einweiht. Es sei toll zu sehen, wie viel Selbstbewusstsein die Kids teilweise dadurch entwickeln und mit welch anderen Augen sie unsere wunderschöne Welt betrachten. Sebastian Steudtner: „Geduld, Respekt, Selbstwertgefühl und Zusammenhalt sind die Werte, die unsere Teilnehmer vermittelt bekommen. Dabei geht es nicht nur um den Sport, sondern vor allem darum, durchzuhalten, Gemeinschaftsgefühl und Selbstbewusstsein zu entwickeln, Ängste zu überwinden und fit zu werden.“
Derzeit weilt der Superstar der Big-Wave-Surferszene, der täglich zwischen sechs und sieben Stunden etwas für seine körperliche Fitness tut, noch in Portugal. Wohin das Meer ihn danach locken wird, steht derzeit noch nicht fest. Das hat unter anderem auch mit den Wettervorhersagen zu tun, die er und sein Team regelmäßig mit Argusaugen verfolgen. Braut sich in einer Ecke der Welt ein großer Sturm zusammen, bedeutet das hohe Wellen. Da kann es dann schon mal sein, dass Sebastian Steudtner mit seiner Crew spontan los reist. Denn jene Wellen, die 25 Meter hoch oder noch höher sind, gibt es pro Jahr tatsächlich nur an drei bis vielleicht vier Tagen. Wer die Wasserwalzen dann verpasst, kann ganz oben in der Big-Wave-Szene nicht mehr mitmischen – das zeigt die Erfahrung der letzten Jahre.
Ans Aufhören denkt Sebastian Steudtner, der nach eigenen Aussagen in Portugal, Deutschland und auf Hawaii zu Hause ist, noch lange nicht. Dafür liebt der Big-Wave-Surfer seinen Sport, zu dessen Professionalisierung er weiter beitragen will, zu sehr. Die Auseinandersetzung mit dem Meer, die physische Kraft der Wellen, das Unmögliche möglich zu machen, sich immer wieder neu zu erfinden, all das möchte der sympathische Wassermann auf keinen Fall missen. Zurzeit konzentriert er sich vor allem darauf, seine eigene Leistung weiter zu verbessern. Dabei ist es ihm egal, ob schlussendlich ein weiterer Surf-Oscar oder sogar ein Weltrekord für ihn herausspringen: „Ich mache, was ich mache, weil ich die Wellen so sehr liebe. Alles andere ist für mich zweitrangig.“