31. Aug 2021
|
Gesellschaft
Journalist: Kirsten Schwieger
Experteninterview über die Qualität und Chancen deutscher Ausbildungsbetriebe, die Folgen der Pandemie und worauf Schulabgänger:innen achten sollten.
Zweifellos, der Ausbildungsmarkt wurde von der Pandemie erheblich gebeutelt. Angebot und Nachfrage sind aus der Balance geraten. Wenn wir aber ehrlich sind: Schon vor Corona gab es eine Schieflage am Markt. Seit Jahren sinken die Bewerberzahlen, weil es weniger Schulabgänger:innen gibt. Außerdem gibt es erhebliche regionale und branchenspezifische Unterschiede in der Versorgungslage. Hauptproblem aber sind die unbesetzten Stellen. Betriebe und Bewerber:innen finden nicht mehr so einfach zueinander. Oft geht es um die Eignung der Bewerber:innen, mitunter auch um überzogene Erwartungshaltungen insbesondere leistungsstarker Jugendlicher.
Gute Ausbilder:innen bilden junge Menschen zu qualifizierten Fachkräften aus, die mit der Dynamik der modernen Arbeitswelt Schritt halten können. Sie bereiten auf Anforderungen und Situationen vor, die heute noch unbekannt sind. Hört sich abstrakt an, aber genau das ist das Ziel der Ausbildung: Azubis sollen Handlungskompetenz entwickeln, also die Fähigkeit, selbstständig zu handeln und Entscheidungen zu treffen.
Nicht selten wird noch nach dem Motto ausgebildet: Was Franz vormacht, muss Fränzchen nur nachmachen, dann klappt‘s schon mit der Ausbildung. Aber: Niemand kann gelernt werden. Der Nürnberger Trichter hat noch nie funktioniert. Azubis lernen, indem sie aktiv mit neuen Herausforderungen umgehen. Die Betriebe sollten ihren Azubis mehr zutrauen, ihnen anspruchsvolle Aufgaben übertragen, damit sie Erfahrungen sammeln können. So entsteht Handlungskompetenz. Das bedeutet aber auch, loslassen zu können. Genau das fällt vielen Ausbildenden schwer.
Wir lassen die Ausbildungsqualität von Auszubildenden, den ausbildenden Fachkräften sowie von ehemaligen Azubis bewerten. Grundlage ist ein Fragebogen zu aktuell 72 Kriterien der Berufsausbildung.
Wichtig ist, dass die Unternehmen ein Verständnis davon entwickeln, was eine gute Ausbildung ausmacht – und wie man sie konzeptionell gestaltet und optimal justiert. Zur Zielerreichung muss aber vor allem an der personellen Schraube gedreht werden. Ohne engagierte und bestens geschulte nebenamtliche Ausbilder:innen ist eine hohe Ausbildungsqualität nicht zu erreichen. Leider setzt sich diese Erkenntnis nur zögerlich durch.
Ich könnte es mir einfach machen und sagen: Schaut, ob das Unternehmen ein Gütesiegel trägt. Oder achtet auf den Ruf des Betriebs. Dies sind wichtige Anhalts-punkte. Idealerweise werfen Ausbildungsplatzsuchende aber einen Blick hinter die Kulissen – etwa im Rahmen eines Praktikums oder durch Probearbeiten. Der persönliche Eindruck ist durch nichts zu ersetzen. Auch der Austausch mit gleichaltrigen Azubis im Betrieb kann helfen, die richtige Entscheidung zu treffen.