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17. Mär 2023

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Gesellschaft

Baubranche zwischen Tradition und Zukunft

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: Presse

Der Bedarf an neuen Gebäuden ist riesig. Was erforderlich ist, um diesen möglichst effizient, klimafreundlich und nachhaltig zu realisieren und welche Rolle die Digitalisierung dabei spielt, erläutern Thomas Kirmayr, Leiter Geschäftsstelle Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP, Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB und Dr. Josef Kauer, Präsident BIM-Tage Deutschland.

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Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB, Dr. Josef Kauer, Präsident BIM-Tage Deutschland, Thomas Kirmayr, Leiter Geschäftsstelle Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP.

Sind unsere „Bau-Traditionen“ noch sinnvoll auf dem Weg zum Bauen der Zukunft?
Thomas Kirmayr: Ja und Nein. Traditionelle Bauweisen entwickeln sich über viele Jahrzehnte hinweg nicht zufällig, sondern spiegeln viel Erfahrungswissen und Anpassung an den jeweiligen Raum wider. Das kann und sollte man nicht ständig verändern. Andererseits zwingen uns die Themen der Kreislaufwirtschaft und Klimaneutralität dazu, Bauen partizipativer, systemischer und nachhaltiger zu gestalten.

Dr. Josef Kauer: Deutschland hat eine lange, sicherlich weiterhin zukunftsweisende Tradition in Bezug auf nachhaltiges und energieeffizientes Bauen. Allerdings werden wir die aktuellen Herausforderungen bzgl. mehr bezahlbaren Wohnraums in Deutschland allein mit traditionellen Mitteln nicht schaffen. Wir brauchen mehr Effizienz in der Bauumsetzung, beginnend bei der Baugenehmigung: Digitalisierung der Baubehörden und Einführung digitaler Bauanträge sind überfällig. Die deutsche Bauwelt ist zu analog, zu langsam und zu bürokratisch!

Dr. Christine Lemaitre: Die „Bau-Traditionen“ der letzten 20 Jahre in vielerlei Hinsicht eher nicht: mehr Material, immer größere Räume, schadstoffbelastete Materialien, die als Sondermüll enden…Von alten Baumeistern können wir jedoch lernen, wie man kultur- und klimasensibel baut: Mit einem schonenden Umgang mit Materialien, die lokal verfügbar sind und für möglichst lange eingesetzt und instandgehalten werden. Das einfache, klimagerechte Bauen zusammen mit dem heutigen Wissensstand ist das Ziel.

Was muss hinsichtlich der Gefahren des Klimawandels allein schon bei der Planung neu gedacht werden?
Dr. Christine Lemaitre: Wir müssen Gebäude wieder angepasst an ihren Standort planen und die Aspekte der Nachhaltigkeit ernst nehmen: Angemessener Fensterflächenanteil, Standort und Ausrichtung des Gebäudes so wählen, dass natürliche Verschattungen genutzt, aber auch Sturm- und Starkregenbeeinträchtigungen minimiert werden und die Bodenversiegelung auf ein Minimum reduzieren. Der Grundriss sollte natürliche Querlüftungen fördern.

Dr. Josef Kauer: Wir sollten noch mehr in Richtung „Bauen im Bestand“ und weniger in Neubauten denken. Die Zementindustrie weltweit bläst jährlich etwa 2,8 Milliarden Tonnen CO2 in die Luft und ist somit für rund sieben Prozent der globalen Kohlendioxid-Emissionen verantwortlich. Wenn weniger Bauschutt durch Abriss entsteht, sondern mehr Bestand renoviert und modernisiert wird, dann entsteht ein geringerer CO2-Fussabdruck der Bauindustrie. „Bauen im Bestand“ beginnt mit der Planung.

Thomas Kirmayr: Hier prägen die Schlagworte „Resilienz“ und „Suffizienz“ die moderne Form der Planung. In Fragen der Resilienz wird es der Schutz vor Starkwetterereignisse, vor allem Regen und Hitze sein, die Suffizienz muss uns zu einem generellen „Weniger“ führen. Also mit weniger Ressourcen, Energie, Flächenverbrauch und Kosten idealerweise die gleiche Nutzerqualität zu sichern.

Inwiefern hilft die Digitalisierung bei nachhaltigerer Bauweise? Warum ist der Einsatz von BIM so sinnvoll?
Dr. Josef Kauer: Es gibt mittlerweile sehr effiziente und kostengünstige Laserscanverfahren für Bestandsgebäude. Hier werden im sogenannten SCAN2BIM-Verfahren exakte 3-dimensionale digitale Bestandspläne von Gebäuden erzeugt, die der Architekt für die weitere Planung verwenden kann. Energieverbrauch und anfallende Abfallmengen lassen sich ebenfalls schon bei der Planung mit BIM optimieren. Bei der Überführung von BIM-Modellen in digitale Gebäudezwillinge, kann man deren Nachhaltigkeit dauerhaft modellieren und überwachen.

Thomas Kirmayr: Digitale Informationen bilden das Fundament einer nachhaltigen Planung und einer wertschöpfenden Kreislaufwirtschaft und sichern den optimalen und optimierten Betrieb. Ohne valide Informationsmodelle und BIM sind wir kaum mehr in der Lage, die gestiegenen und immer komplexer werdenden Anforderungen im Bau zu erfüllen. Auch das Thema ESG erfordert hinsichtlich Finanzierung und Risikobewertung BIM.

Dr. Christine Lemaitre: Nachhaltiges Bauen erfordert eine Vielzahl an Informationen und Daten über das Gebäude über den gesamten Lebenszyklus – von der Rohstoffgewinnung bis zum potenziellen Rückbau. In der Nutzungsphase brauchen wir deshalb ein kontinuierliches Monitoring der Energieverbräuche und CO2-Emissionen. Technologien zur Erfassung und Bearbeitung von Daten helfen dabei, Nachhaltigkeit zu implementieren. Doch Digitalisierung ist ein Hilfsmittel zur Erreichung der Klimaschutz- und Ressourcenschutzziele und kein Selbstzweck. Die Voraussetzung für den sinnvollen Einsatz von BIM ist, dass sich die Planenden auch mit den Aspekten der Nachhaltigkeit auskennen. In beiden Bereichen ist noch viel Wissensaufbau nötig. Sinnvoll ist BIM, weil Entwürfe mittels Simulationen fortlaufend im Sinne der Nachhaltigkeit optimiert werden können und interdisziplinär gemeinsam an einem Modell gearbeitet wird.

Wie lässt sich möglichst fossilfrei bauen?
Dr. Christine Lemaitre: Indem wir immer als allererstes fragen: „Was muss ich wirklich bauen?“ Indem wir Bestandsgebäude erhalten, diese Gebäude möglichst klimaschonend sanieren, um einen klimaneutralen Betrieb zu erreichen. Indem wir bei einem notwendigen Neubau den gesamten Lebenszyklus im Blick haben, potenzielle Umnutzungen einplanen, und jede verursachte Tonne CO2 sinnvoll investieren. Ein klimapositiver Betrieb, der durch Eigenerzeugung Erneuerbarer Energie und Abgabe von Überschuss ans Stromnetz, erreicht wird, sollte Standard sein.

Thomas Kirmayr: Fossile Energiequellen spielen bei vielen Bauprodukten und dem Gebäudebetrieb nach wie vor eine bedeutende Rolle. Der Umbau wird Zeit brauchen, da hier auch viele wichtige technische Qualitäten wie Statik, Funktion und die Bezahlbarkeit gesichert werden müssen. Ein Plusenergiehaus aus Holz mit eigener Energieerzeugung kommt dem Ziel aber schon recht nahe.

11. Sep 2024

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Wirtschaft

4 Gütesiegel in der Landwirtschaft

**AMA-Siegel – staatlich geprüft** Das AMA-Gütesiegel ist das bekannteste österreichische Gütesiegel, dessen Grundlage das österreichische AMA-Gesetz von 1992 ist. Es zeichnet konventionell erzeugte Lebensmittel aus, die nach strengen Kriterien in Bezug auf Qualität, Herkunft und Sicherheit produziert wurden. Neben nachvollziehbarer österreichischer Herkunft gehören dazu Anforderungen an die Tierhaltung, den Einsatz von Futtermitteln und die Hygiene in den Verarbeitungsbetrieben. Das ganzheitliche Qualitätssicherungsprogramm basiert auf strengen Kontrollen entlang der gesamten Produktionskette – vom Bauernhof bis zur Theke. So werden sämtliche AMA-Produkte in einem dreistufigen Kontrollprozess aus Eigenkontrolle, externer Kontrolle und stichprobenartiger Überkontrolle geprüft. Die Anforderungen an die Produkte gehen über die gesetzlichen Bestimmungen hinaus, welche in den jeweiligen Richtlinien geregelt sind. Bei den Tierschutzstandards gibt es freiwillige Zusatzmodule. Vergeben wird das Gütesiegel von der Marktordnungsstelle Agrarmarkt Austria (AMA) im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags. Weiterführende Informationen unter: amainfo.at ![artem-beliaikin-8wtuWVzQbpE-unsplash.jpg](https://fra1.digitaloceanspaces.com/cwbucket/artem_beliaikin_8wtu_W_Vz_Qbp_E_unsplash_ec4014f31a.jpg) (c) Artem Beliaikin/unsplash **Bio Austria – mehr Bio geht kaum** Das Bio Austria-Gütesiegel kennzeichnet eine breite Palette von pflanzlichen und tierischen Bio-Lebensmitteln und steht für höchste Qualität, umfassende Nachhaltigkeit und ethische Verantwortung. So geht das vom Anbauverband österreichischer Biobauern herausgegebene Label deutlich über die Mindestanforderungen des EU-Bio-Siegels hinaus. Der gesamte Betrieb muss biologisch bewirtschaftet werden und es gelten strengere Kriterien bei Art, Ausmaß und Zeitpunkt des Einsatzes von biologischen Pflanzenschutz- und Düngemitteln sowie für Futtermittelimporte. Hierzu gehört beispielsweise der Verzicht auf chemisch-synthetische Pestizide und Düngemittel, die Förderung von Biodiversität sowie der Einsatz von gentechnikfreiem Saatgut und Futtermitteln. Im Bereich der Tierhaltung legt das Siegel besonderen Wert auf artgerechte Bedingungen, wie ausreichend Platz und Bewegung sowie Zugang zu Freiland. Die Futtermittel stammen primär aus Österreich, Rinder bekommen im Vergleich zu gewöhnlichem Bio deutlich weniger Kraftfutter. Zu finden ist das Siegel hauptsächlich auf direkt vermarkteten Bio-Produkten in Hofläden, Bauernmärkten aber auch in Supermärkten. Weiterführende Informationen unter: www.bio-austria.at ![pexels-pixabay-164504.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/pexels_pixabay_164504_c2df8ec61d.jpg) (c) Pixabay/pexels **Tierwohl kontrolliert - Haken dran** Die Gütezeichen “Tierwohl kontrolliert” steht für biologische Tierhaltung, welche über die EU-Bio-Verordnung hinausgeht. Es kennzeichnet Lebensmittel bei deren Herstellung das Wohl der Tiere im Mittelpunkt steht. Dazu gehören artgerechte Haltung, wiederkäuergerechte Fütterung und der Ausschluss von qualgezüchteten Rassen. Es gibt zwei Varianten des Siegels. “Tierwohl kontrolliert 2 Häkchen“ kennzeichnet diverse Verbesserungen im Tierhaltungs-Standard des biologischen Landbaus aber erreicht noch nicht den höchsten möglichen Standard. Es werden konkrete Richtlinien für Mast- und Milchrinder sowie Mastschweine definiert. Das Siegel “Tierwohl kontrolliert 3 Häkchen“ steht für noch strengere Anforderungen und bietet den Tieren erheblich mehr Platz und noch bessere Lebens- und Schlachtbedingungen. Neben Richtlinien für Mastschweine, Mast- und Milchrinder gibt es weitere für Legehennen, Masthühner und -enten sowie Milchschafe und -ziegen. Jede Richtlinie unterliegt einer permanenten Evaluierung neuer wissenschaftlicher Erkenntnisse sowie Kontrollergebnissen aus Tierhaltung, Landwirtschaft und Verarbeitung. Siegel-Herausgeber ist die Gesellschaft !Zukunft Tierwohl! Weiterführende Informationen unter: www.zukunfttierwohl.at ![daniel-leone-LXQx98FPPQ4-unsplash.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/daniel_leone_LX_Qx98_FPPQ_4_unsplash_7a422f1f60.jpg) (c) Daniel Leone/unsplash **Geschützte Ursprungsbezeichnung – sicher vermarktet** Das EU-Kennzeichen "geschützte Ursprungsbezeichnung" (g.U.) garantiert, dass die Erzeugung, Verarbeitung und Zubereitung von Erzeugnissen in einem bestimmten geografischen Gebiet nach festgelegten Herstellungsverfahren erfolgt ist. Die Lebensmittel, Weine und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnisse weisen somit aufgrund ihrer Herkunft und spezieller Produktionsverfahren besondere Eigenschaften und Qualitäten auf. So dürfen beispielsweise der Tiroler Graukäse (g.U.), die Pöllauer Hirschbirne (g.U.) oder die Steirische Käferbohne (g.U.) mit dem geschützten geografischen Namen bezeichnet und vermarktet werden. Jeder Verarbeitungsschritt – also Erzeugung, Verarbeitung und Zubereitung – muss dabei in der jeweiligen Region erfolgen. Gebiet und Herstellungsverfahren sind in einer Produktspezifikation festgelegt. Das Siegel zielt darauf ab, traditionelle Herstellungsverfahren zu bewahren, die Produzenten vor Nachahmung zu schützen und ihnen einen Marktvorteil bei der EU-weiten Vermarktung zu verschaffen. Vergeben wird das Siegel von der Europäischen Kommission in Zusammenarbeit mit einer nationalen Behörde. Weiterführende Informationen unter: www.svgh.at ![alexander-maasch-KaK2jp8ie8s-unsplash.jpg](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/alexander_maasch_Ka_K2jp8ie8s_unsplash_59dbc11c7a.jpg) (c) Alexander Maasch/unsplash