7. Okt 2020
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Business
Journalist: Katja Deutsch
Trotz massiver Fördermaßnahmen kommt E-Mobility im geschäftlichen Sektor nicht so recht voran. Marc-Oliver Prinzing, Vorsitzender des Bundesverbands Fuhrparkmanagement, erläutert die Gründe.
Es ist unüberhörbar: Der Verkehr rollt wieder. Nach April und Mai, in denen die halbe Welt in Schockstarre versank und Innenstädte wie Autobahnen beinahe autofrei blieben, geht das Leben jetzt fast so weiter wie vor der Pandemie – aber nur fast. Denn in so ziemlich allen Unternehmen hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass sich problemlos auf einen Teil der Wege verzichten lässt und man Dinge auch am Telefon oder per Video-Konferenz besprechen kann. „Die klassische Fragestellung des Mobilitätsmanagements – wie viel Mobilität überhaupt nötig ist – wird in Zukunft sicherlich anders betrachtet werden“, sagt Marc-Oliver Prinzing, Vorsitzender des Bundesverbandes Fuhrparkmanagement. „Dieses Umdenken betrifft nicht nur den Außendienst, sondern auch die Kunden selber. Muss man wirklich für ein halb-stündiges Gespräch vier Stunden hin- und zurückfahren, beziehungsweise einen Vertriebsmitarbeiter einbestellen? Im Unternehmen ist diese Reisezeit Arbeitszeit. Und somit stellt sich die Frage nach der Wirtschaftlichkeit immer lauter.“
Weniger „Dienstverkehr“ auf den Straßen: Das freut Anwohner, für Fuhrparkmanagerinnen und -manager tun sich aber Probleme auf. „Die wochenlangen Einschränkungen stellen sich für Leasingfahrzeuge als problematisch heraus, weil im Vorfeld geplante Laufleistungen wegfallen, die vertraglich fixiert sind“, sagt Marc-Oliver Prinzing. „Es kann deshalb vorkommen, dass vorhandene Fahrzeuge nicht mehr im gleichen Umfang geraucht werden, aber der Leasingvertrag nicht kurzfristig gekündigt werden kann.“ Bei Liquiditätsproblemen rät er zum Gespräch mit dem Leasinganbieter.
Die Nutzungsdauer eines Firmenwagens liegt bei durchschnittlich drei bis vier Jahren, dann werden sie ausgetauscht und durch modernere ersetzt. Das hängt damit zusammen, dass man als Arbeitgeber auch eine gewisse Fürsorgepflicht gegen-über seinen Angestellten hat. Wer 60.000 bis 80.000 Kilometer pro Jahr in seinem Firmenwagen zurücklegt, macht diesen zu seinem Hauptarbeitsplatz, in dem entsprechende Assistenzsysteme und Sicherheitsvorrichtungen garantiert werden sollten. Auch deshalb haben unsere Unternehmen einen sehr großen Fokus auf Neuwagen.
Bei hoher Erneuerungsfrequenz müssten doch aufgrund der starken staatlichen An-reize merklich mehr alternative Antriebsformen ihren Weg auf unsere Straßen finden, oder? „Rein elektrische Fahrzeuge erfahren durchaus eine starke Nachfrage, weil sich ihre Wirtschaftlichkeit durch die hohe Bezuschussung verändert hat“, so Prinzing. „Doch Wirtschaftlichkeit alleine bringt nichts, wenn ein Fahrzeug für die erforderliche Aufgabe nicht geeignet ist. Hier zeigen sich nämlich gravierende Probleme – sowohl bei den Fahrzeugen selbst als auch bei der öffentlichen Infrastruktur.“ Eine Schwierigkeit ist das Vorhandensein eines zweiten, privaten Fahrprofils neben dem beruflichen, denn Mitarbeiter dürfen ihr Fahrzeug als Gehaltsbestandsteil meistens auch privat nutzen. Und da reichen vielen die relativ kurzen Reichweiten nicht aus.
Zweitens sei die Anzahl der familientauglichen Modelle sehr überschaubar. Die dritte Schwierigkeit sei die Ladeinfrastruktur. Prinzing: „Bei den klassischen Verbrennern wird durchgehend mit Tankkarten gearbeitet. So liegt jeden Monat eine einzige Sammelrechnung auf dem Tisch, aus der alle Details ersichtlich sind. Wer dagegen mit einem Elektrofahrzeug unterwegs ist, lädt es in Hamburg mit Strom von Vattenfall auf, in Köln mit Strom von RheinEnergie und in München mit SWM. Bei jedem Aufladen flattert eine einzelne Rechnung ins Haus, für jedes einzelne Fahrzeug – ein Riesenaufwand in der Fuhrparkverwaltung.“
Bei Vielfahrern sind Plug-in-Hybride derzeit besonders beliebt, weil deren Basiswert steuerlich nur mit 50 Prozent angesetzt wird. Doch für Unternehmen und besonders für die Umwelt seien diese Mischantriebe völliger Nonsens, so der Vorstand. „Wer einem Außendienstler, der 50.000 Kilometer im Jahr unterwegs ist, einen Plug-in-Hybrid mit einer elektrischen Reichweite von 40 Kilometern hinstellt, dann ist klar, dass dieses Fahrzeug so gut wie nie elektrisch fährt. Dieser Hybrid fährt überwiegend im Benzinbetrieb und zwar mit hohem Verbrauch. Ein klassischer, neuer Diesel wäre hier sinnvoller.“ Viele Außendienstler würden sogar gleich ganz darauf verzichten, das Ladekabel überhaupt auszupacken.
Doch selbst wenn der gute Wille im Unternehmen vorhanden sei und alle Hürden genommen wären folge trotzdem oft das böse Erwachen: Zum Beispiel, wenn die bestellte Wunschflotte nicht lieferbar ist. Oder wenn man bei vielen Teilaspekten noch keine Ahnung hat.
„Unternehmen müssen sich mit vielen Themen auseinandersetzen: Wie sie Plug-in-Hybride integrieren können. Sie müssen eine Car Policy, ein Regelwerk aufstellen, und sich auch um Lademöglichkeiten bei den Mitarbeitern zu Hause kümmern. Das Wissen bekommen sie bei unserem umfassenden Onlinekurs ‚Fleetricity‘. Aber politische Entscheidungen treffen nicht wir: Aus Sicht des Verbandes wäre es unbedingt notwendig, wenn bei Förderungen und regulatorischen Maßnahmen auch an Vorteile für die gewerblichen Fuhrparkbetreiber gedacht würde. Denn 60 Prozent aller Neuzulassungen sind gewerblich und darin liegt der Schlüssel zur wünschenswerten Durchsetzung der Elektrofahrzeuge.“