4. Mär 2025
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Gesundheit
Journalist: Thomas Soltau
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Foto: Presse
Die Behandlung des Multiplen Myeloms hat in den letzten Jahren enorme Fortschritte gemacht. Die CAR-T-Zelltherapie gilt als vielversprechende Hoffnungsträger für Patienten, die auf konventionelle Behandlungen nicht mehr ansprechen. Doch wie weit ist die Forschung wirklich? Frau Prof. Dr. Dr. Ulrike Köhl und Herr Prof. Dr. Stephan Fricke vom Fraunhofer-Institut für Zelltherapie und Immunologie Leipzig geben spannende Einblicke in den aktuellen Stand und die Zukunft der Krebsmedizin.
Wie verändern Zell- und Gentherapien aktuell die Behandlung des multiplen Myeloms? Fricke: Die Behandlung des Multiplen Myeloms (MM) hat sich in den letzten Jahren signifikant weiterentwickelt. Während die therapeutischen Möglichkeiten früher begrenzt waren und die Prognose einiger Patienten trotz der verfügbaren Behandlungsmöglichkeiten oft ungünstig blieb, haben moderne Wirkstoffklassen wie Proteasom-Inhibitoren, immunmodulatorische Medikamente und monoklonale Antikörper das Therapieansprechen und die Überlebenszeit teilweise erheblich verlängern können. Auch die Diagnostik des Multiplen Myeloms hat sich in den letzten Jahren entscheidend verbessert. Neben der klassischen Untersuchung des Knochenmarks und des Blutes ermöglicht der gezielte Nachweis radiologischer und genetischer Marker heute eine deutlich präzisere Prognose.
Eine der vielversprechendsten Entwicklungen der letzten Jahre ist die CAR-T-Zelltherapie (CAR = chimärer Antigen-Rezeptor). Diese neuartige Immuntherapie richtet sich vor allem an Patienten mit therapierefraktärem oder rezidiviertem Multiplem Myelom, deren Erkrankung auf die vorherigen Behandlungen nicht angesprochen haben oder nicht mehr ansprechen. Bei der CAR-T-Zelltherapie werden T-Zellen des Patienten genetisch so verändert, dass sie Myelomzellen gezielt erkennen und zerstören können.
Was sind die größten Herausforderungen für den breiten Einsatz der CAR-T-Zelltherapie beim Multiplen Myelom und darüber hinaus? Köhl: Trotz vielversprechender Erfolge birgt diese Therapieform aktuell noch verschiedene Herausforderungen. Nebenwirkungen wie das Zytokinfreisetzungssyndrom, eine Art Überreaktion des Immunsystems, und neurologische sowie infektiöse Komplikationen erfordern eine engmaschige Überwachung durch spezialisierte Zentren und erfahrene Fachkräfte. Zudem ist die Herstellung der CAR-T-Zellen aufwendig und zeitintensiv, da diese bislang individuell für jeden Patienten produziert werden müssen. Diese komplexen Prozesse schränken insbesondere bei Patienten mit schnell fortschreitender Erkrankung die Verfügbarkeit ein. Um Patienten kosteneffektiver behandeln zu können und die Verfügbarkeit zu steigern, arbeiten wir am Fraunhofer IZI gemeinsam mit verschiedensten Partnern an der Optimierung und Automatisierung der Herstellungsprozesse. Darüber hinaus entwickeln wir Methoden zur Nutzung von Zellen gesunder Spender, um mit einem Produkt dann viele Patienten behandeln zu können oder zukünftig CAR-T-Zellen direkt als sogenannte „in vivo-Therapie“ im Patienten selbst zu erzeugen.
Um Patienten kosteneffektiver behandeln zu können und die Verfügbarkeit zu steigern, arbeiten wir am Fraunhofer IZI gemeinsam mit verschiedensten Partnern an der Optimierung und Automatisierung der Herstellungsprozesse.
Welche neuen Forschungsansätze verfolgen Sie am Fraunhofer IZI, um diesen Herausforderungen zu begegnen? Fricke: Am Fraunhofer IZI erforschen und entwickeln wir insbesondere Technologien, um die Entwicklung und Herstellung von CAR-T-Zelltherapien und anderen Zell- und Gentherapeutika zu beschleunigen und zu verbessern. Das fängt bei der Identifizierung und Optimierung der geeignetsten CAR-Konstrukte an, also den artifiziellen Molekülen, die für das Erkennen der Krebszellen und das Auslösen einer effektiven Immunantwort verantwortlich sind. Weiterhin beschäftigen wir uns mit der Entwicklung und Optimierung von pharmazeutischen Herstellungsprozessen von Zell- und Gentherapien. Das klingt banal, ist jedoch sehr komplex und für den Transfer einer Forschungsidee in die Klinik essenziell und nicht zuletzt auch für den Behandlungserfolg enorm relevant. Zudem ist es wichtig, mittels Prozessoptimierung und Automatisierungstechnologien zukünftig wirklich jedem Patienten, der eine CAR-T-Zelltherapie benötigt, diese personalisierte Medizin zuverlässig anbieten zu können.
Wie sieht die Zukunft aus? Können wir damit rechnen, dass das multiple Myelom irgendwann heilbar sein wird? Köhl: Das ist natürlich eine spannende Frage, die ich liebend gerne mit einem optimistischen JA beantworten würde. Als Wissenschaftlerin fällt meine Antwort naturgemäß verhaltener aus. Ich glaube persönlich nicht an DAS Wundermittel gegen Krebs. Aber ich bin überzeugt, dass wir in den kommenden Jahren weitere signifikante Fortschritte und Erfolge in dem Bereich sehen werden und sicher auch den ein oder anderen Rückschlag. Zell- und Gentherapien werden dabei eine entscheidende Rolle spielen. Unser Verständnis der zugrundeliegenden pathologischen Ursachen, neue gentechnologischer Prozesse, die Möglichkeiten der KI und die damit verbundenen therapeutischen Möglichkeiten wachsen stetig an und führen uns zwangsweise zu einer neuen Form der Krebsmedizin (und darüber hinaus).