3. Apr 2023
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Gesellschaft
Journalist: Armin Fuhrer
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Foto: Presse
Carsten Wachholz, Co-Lead Secretariat of the Business Coalition for a Global Plastics Treaty bei der Ellen MacArthur Foundation
Ohne staatliche Regulierung lässt sich die Kreislaufwirtschaft nicht realisieren, sagt Carsten Wachholz vom Brüsseler Büro der Ellen MacArthur Foundation.
Herr Wachholz, sehen Sie ein wachsendes Bewusstsein bei Unternehmen und Konsumenten für das Thema Kreislaufwirtschaft?
Im deutschsprachigen Raum wird Kreislaufwirtschaft seit Beginn der 1990er Jahre häufig mit Recycling gleichgesetzt. Dagegen wird der englische Begriff „circular economy“ in den vergangenen zehn Jahren zunehmend breiter verstanden: Es geht darum, neue Geschäftsmodelle und letztendlich eine Wirtschaftsweise zu etablieren, deren Wertschöpfung nicht mehr auf Ressourcenverschwendung und immer weiter steigenden Produktionszahlen beruht. Dazu werden unternehmerische Strategien entwickelt, die den Nutzen und Gebrauch von Materialien und Produkten maximieren.
Wie kann das funktionieren?
Indem sie deren Wert durch Reparatur, Personalisierung oder Upgrades steigern, neue Kundensegmente durch Miet- oder Sharing-Angebote erschließen, sowie die Wiederverwendung und das Recycling gebrauchter Waren durch Rücknahmesysteme bzw. An- und Verkaufsplattformen ermöglichen.
Wie fördert Ihre Stiftung den Prozess? Wen sprechen Sie an?
Unser Ziel ist es, den Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft weltweit zu beschleunigen. Dazu arbeiten wir mit Unternehmen, Hochschulen, politischen Entscheidungsträgern und Institutionen zusammen, um Systemlösungen in großem Maßstab zu mobilisieren. Wir haben spezielle Programme für Kooperationen im Bereich von Kunststoffverpackungen, in der Mode- und der Lebensmittelindustrie sowie mit dem Finanzsektor entwickelt.
Reichen die Standards der Unternehmen, um langfristige Klimaziele zu erreichen?
Viele Unternehmen beschränken ihre derzeitigen Bemühungen zum Klimaschutz darauf, ihre Energienutzung zu optimieren und auf erneuerbare Energien umzustellen. Damit lassen sich aber nur bis zu 55 Prozent aller Treibhausgas-Emissionen weltweit reduzieren. Die restlichen 45 Prozent betreffen die Art und Weise, wie wir unsere Ressourcen nutzen, um Land- und Forstwirtschaft zu betreiben, und um Güter zu produzieren und zu konsumieren. Eine konsequente Einbettung von Strategien zur Kreislaufwirtschaft zur Erreichung der Klimaziele würde es Unternehmen ermöglichen, zusätzliche Emissionsminderungen entlang der Wertschöpfungsketten ihrer Produkte und Dienstleistungen zu erschießen.
Was ist mit der Verbraucherseite? Müssen wir alle unser Verhalten ändern?
Die Stiftung unterstützt ein umfangreiches Netzwerk von Unternehmen dabei, attraktive Ideen und marktfähige Lösungen für Produkte und Dienstleistungen zur Kreislaufführung zu entwickeln. So lange aber in unserer Marktwirtschaft die Anreize für eine Wegwerfgesellschaft dominieren, können wir das durch unser individuelles Konsumverhalten nur sehr bedingt ändern. Daher arbeiten wir mit Entscheidungsträgern darauf hin, die ökonomischen Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Kreislaufwirtschaft zur Norm wird, statt die Ausnahme darstellt.
Ist es die Aufgabe der Politik, das Verhalten von Wirtschaft und Verbrauchern durch gesetzliche Regelungen zu ändern?
Ohne staatliche Regulierung und neue Industriestandards lässt sich der Übergang zu einer Kreislaufwirtschaft nicht realisieren. Gesetzliche Mindestanforderungen an das Design von Produkten und Verpackungen müssen darauf ausgelegt sein, dass sie deren Kreislaufführung ermöglichen, bevor sie auf den Markt gebracht werden. Die Politik ist auch gefordert, weil Steuern und Abgaben bislang vor allem den Faktor Arbeit statt den Verbrauch natürlicher Ressourcen belasten. Wenn freiwillige Angebote einzelner Unternehmen nicht ausreichen, muss die Industrie zur Schaffung gemeinsamer Systeme für die Rückführung wiederverwendbarer und recyclingfähiger Produkte und Materialien rechtlich verpflichtet werden.
Es gibt Streit darüber, was besser ist: Recycelbare Verpackungen oder langlebige Verpackungen. Wie ist Ihre Einschätzung?
Auch langlebige Verpackungen müssen selbstverständlich recycelbar sein. Allerdings müssen wir das jeweilige Produkt, dessen Verpackung und das Vertriebsmodell des Unternehmens stärker zusammen denken. Manchmal lässt sich das Produktdesign so verändern, dass eine schwer recycelbare Verpackung überflüssig oder durch eine recyclingfähige Alternative ersetzt werden kann. In anderen Fällen bietet eine langlebige, oft wieder befüllbare Verpackungslösung mehr Vorteile im Bereich der Logistik, der Kundenbindung und der Abfallvermeidung, als dass bei einer Einwegverpackung der Fall ist.