17. Dez 2019
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Gesellschaft
Journalist: Jörg Wernien
Kaum eine Branche übt sich im Augenblick so im Spagat zwischen Digitalisierung und dem alten Geschäftsmodel, wie die Versicherungsbranche. Wie Versicherungen überleben wollen.
Wer auf die Webseite www.uptodate.de geht, kann sich einen Rundum-Einbruchschutz für die Zeit seines Urlaubes mieten, seine Kinder mit smarten Uhren sicher zur Schule bringen oder über das Internet die Fellnasen zuhause versorgen lassen. Nichts auf dieser Seite lässt erahnen, dass sich hinter dem Angebot der siebtgrößte Erstversicherer Deutschlands verbirgt. Die Versicherungskammer eröffnet ganz neue und ungewöhnliche Geschäftsmodelle: „Uns ist bewusst, dass es neue Wege zum Kunden geben wird. Immer mehr Kunden wollen nicht nur eine Versicherung kaufen, sondern wollen von uns ein Problem gelöst haben. Darauf haben wir reagiert und bieten ihnen Ökosysteme z. B. für Leben und Wohnen mit uptodate oder für den Pflegefall mit dem Pflegepartner an,“ sagt Martin Fleischer, Vorstand des digitalen Versicherers BavariaDirekt, einem Tochterunternehmen der Versicherungskammer und Leiter New Business Models im Konzern.
Auch eine weitere große Versicherung, die SIGNAL IDUNA Gruppe, befindet sich im Aufbruch in das digitale Zeitalter. „VISION2023 ist ein auf fünf Jahre ausgelegtes Transformationsprogramm, mit dem wir uns konsequent auf die veränderten Herausforderungen im Markt und bei den Kundenwünschen ausrichten. Darüber steht unsere Vision: „Gemeinsam mehr Lebensqualität schaffen! Dabei setzen wir auf exzellente Produkte und Services – zunehmend Lösungen – im Bereich Gesundheit und Altersvorsorge sowie der privaten und gewerblichen Risikoabsicherung.“ erklärt Ulrich Leitermann, der Vorsitzende der Vorstände der SIGNAL IDUNA Gruppe.
Diese Transformation der großen Versicherungen ist auch dringend notwendig. Immer mehr junge Insur-Techs drängen mit neuen Produkten und Ideen auf den Markt. Und sie sind erfolgreich –jedenfalls was das Einsammeln von Kapital betrifft. Eine Firma wie OttoNova (unter 5.000 Kunden als rein digitale PKV) hatte keine Probleme, in einer zweiten Finanzierungsrunde 60 Millionen Euro zu bekommen. Vor solchen neuen Playern ist den alten Versicherungsriesen nicht bange, noch nicht. „Bei der SIGNAL IDUNA sehen wir diese Entwicklung nicht als Bedrohung, sondern als Chance. Denn die Digitalisierung ermöglicht es uns, die Wünsche unserer Kunden noch besser zu bedienen. Unsere bisherigen Erfahrungen und auch die Geschäftsentwicklung zeigen, dass wir allen Grund haben, optimistisch zu sein,“ so Ulrich Leitermann. Auch bei der Versicherungskammer sieht man die neue Situation gelassen. „Unser großer Vorteil ist die „Mehrhändigkeit“. Die Basis ist natürlich die erfolgreiche kundenorientierte Optimierung des bestehenden Geschäfts mit allen Chancen, die uns die Digitalisierung bietet. Gefolgt von diversen Angeboten für unsere Kunden, die ihnen das Leben im Alltag erleichtern. Unser großer Vorteil ist unser großer Kundenstamm vom Privatmann bis zum Unternehmen. Das haben wir jedem Startup voraus. Es wäre ein großer Fehler, wenn wir als Versicherungskammer nur in eine Richtung denken und handeln würden“, so Martin Fleischer.
Ob es nun ein Ökosystem für Leben und Wohnen ist oder ob es um digitale Lösungen im Bereich Gesundheitsvorsorge und Altersvorsorge geht, die gesamte Versicherungsbranche befindet sich in einem riesigen Transformationsprozess. Und nur wer hier schnell die richtigen Weichen stellt, die Zukunft schon vor den Augen hat und die neuen und jungen Zielgruppen erreichen kann, wird auch in den nächsten Jahren noch eine starke Position am Markt behaupten können. „Wir haben schon 2014 damit begonnen in unsere IT zu investieren und den Außendienst neu zu ordnen. Unser Ziel ist, schneller und digitaler zu werden und die Wünsche unserer Kunden besser zu bedienen. Darüber steht unsere Vision: „Gemeinsam mehr Lebensqualität schaffen!“ Das ist unser Anspruch und unser Versprechen an die Kunden, an dem wir uns messen lassen“, so Ulrich Leitermann, der Vorsitzende der Vorstände der SIGNAL IDUNA Gruppe.
„Die Entwicklungen der vergangenen Jahre und sicher auch die künftigen sehe ich als große Chance, aber auch als Herausforderung, der sich alle Versicherungsunternehmen stellen müssen. Noch nie haben sich Kundenbedürfnisse so schnell geändert, wie heute mit den neuen digitalen Möglichkeiten. Gewinnen oder sogar überleben werden die Unternehmen mit dem besten Kundenfokus. Alles wird bei uns vom Kunden aus gedacht und die Technik ist dabei nur Ermöglicher“, sagt Martin Fleischer.
In der Branche gibt es viele neue Gründungen, aber auch Kooperationen und Zukäufe. Nicht alles lässt sich selbst entwickeln. „Unsere Cyberversicherung ‚Digitaler Schutzschild‘ für mittelständische Unternehmen, die wir zusammen mit dem IT-Startup Perseus entwickelt haben, oder die Kooperation mit ‚Chargery‘, einem Ladedienst für E-Autos, sind zwei sehr gute Beispiele für unsere Entwicklungen für die Zukunft,“ erklärt Ulrich Leitermann die Pläne der SIGNAL IDUNA Gruppe.
Auch die Versicherungskammer denkt in die Zukunft. „Wir entwickeln auf kommunaler Ebene ein digitales Netzwerk für die Bewohner auf dem Land – die digitalen Dörfer. Zusammen mit dem Fraunhofer Institut IESE, bieten wir den Kommunen und Gemeinden eine Plattform an, die sie exakt auf ihre Bedürfnisse hin ausgestalten können. Es ist ein Angebot mit Inhalten aus der Region, für die Region, mit dem sich Bürger, Vereine und Händler vernetzen und ihr Gemeindeleben aktiv gestalten können“, so Martin Fleischer.
Beide Versicherungen, die SIGNAL IDUNA und die Versicherungskammer, sind gerüstet für die digitale Zukunft. Ob Online-Schadensmeldung, agile Arbeitsweisen oder das Anbieten ganz neuer Produkt- und Erlebniswelten für die Kunden – die nächsten Jahre werden vermutlich ziemlich spannend für beide Unternehmen.