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30. Sep 2021

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Gesellschaft

Clever & Smart? Stadtentwicklung im Zeichen der Digitalisierung

Journalist: Dr. Olaf Schnur/Prof. Dr. Jürgen Aring

Es gehört zu den besonderen Begabungen des Menschen, sich auf neue Situationen rasch einzustellen und sie nach kurzer Zeit für selbstverständlich zu halten. Ein gutes Beispiel dafür ist unser in kurzer Zeit von Smartphone und Internet durchdrungener Alltag. Die Digitalisierung geht dabei Hand in Hand mit dem gesellschaftlichen Wandel. Mehr noch: Sie verschmelzen und verbinden sich in einer untrennbaren Wechselwirkung des Analogen und Digitalen. Das Labor und die Bühne für digitale Innovationen bieten die Städte mit ihren komplexen Infrastrukturen, kreativen Akteuren und experimentell genutzten Sozial-räumen. 

Dr. Olaf Schnur, Bereichsleitung Forschung  und Prof. Dr. Jürgen Aring, Vorstand des vhw e. V.; Foto: Presse

Im ökonomischen Bereich gilt die „Smart City“, worunter längst mehr als datenbasierte Vernetzung zur Effizienzsteigerung zu verstehen ist, als umkämpftes Geschäftsfeld, das durch einen Wettbewerb zwischen zahllosen Anbietern und Städten angeheizt wird – u. a. durch Smart City-Rankings. Es geht nicht nur um viel Geld, sondern auch um die Deutungsmacht für die Stadtentwicklung der Zukunft. Verlustängste werden geschürt und Hoffnungen auf eine goldene Zukunft durch Digitalisierung genährt. Kommunen sind in diesem Narrativ Geschäftskunden und Bürgerinnen und Bürger Endkunden für High-Tech-Lösungen und -Produkte. 

In den Kommunen steht Digitalisierung ganz oben auf der Tagesordnung, wie das OB-Barometer des Deutschen Instituts für Urbanistik immer wieder zeigt. Digitalisierung wird als eine Chance gesehen, besseren Service zu bieten, schwergängige Verwaltungsstrukturen und die Interaktion mit Bürgerinnen und Bürgern geschmeidiger zu gestalten und Prozesse effizient und kostengünstig zu organisieren. Gleichzeitig bestehen Hoffnungen auf breitere Partizipation durch Digitalisierung oder auf eine gut zugängliche Stadtverwaltung durch Plattformen, Social Media oder digitalisierte Ämter. 

Hier eine gestaltende Rolle einzunehmen und nicht den Anschluss zu verpassen, ist der Wunsch vieler Kommunen. Gleichzeitig werden jedoch Bedrohungen und Überforderungen wahrgenommen, wenn globale, kapitalstarke High-Tech-Konzerne und agile Start-ups auf einem hochspezialisierten technologischen Feld mit einem enormen Innovationstempo auf ressourcenschwache Kommunen treffen, die in ihrer Verwaltungslogik arbeiten (müssen) und komplexe stadtgesellschaftliche und politische Ziele auf einer demokratischen Basis erreichen wollen.

Das soziale Narrativ verspricht darüber hinaus positive Effekte der Digitalisierung auf die Stadtgesellschaften. So können durch Digitalisierung soziale Infrastrukturen resilienter oder der gesellschaftliche Zusammenhalt gestärkt werden (z. B. durch Nachbarschaftsplattformen). Darunter mischt sich jedoch die Sorge, dass sich der digitale Schub in neuen oder alten Segregationsmustern niederschlägt, dass der Datenschutz ausgehöhlt wird oder Plattformökonomien lokale Wertschöpfungsketten oder Begegnungsorte zerstören.

Es stellt sich die Frage, ob und wie diese Interessen, Chancen und Risiken sich im Rahmen unseres politisch-demokratischen Systems aushandeln lassen, ohne den Digitalisierungsprozess auszubremsen. Trotz aller unternehmerischer Energien, deren Wert unbestritten ist, sind wir gut beraten, technologische Möglichkeiten verantwortungsvoll und kooperativ zu entwickeln. Die Frage sollte nicht allein sein: Wie könnte man Technologien Gewinn bringend einsetzen? Sondern auch: Was benötigen wir für eine soziale und nachhaltige Stadtentwicklung und wo können uns neue Technologien dabei unterstützen? Technologie-Anbieter werden mit dieser Haltung am besten fahren, denn nur gemeinwohlorientierte, demokratisch stabile Städte bieten auch ein sicheres ökonomisches Umfeld. Als Orientierungsrahmen eignen sich die zentralen Diskurse der Stadtentwicklungspolitik, die durch das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat und das Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung unter Einbeziehung aller Stakeholder begleitet werden (z. B. Smart City Charta, Memorandum Urbane Resilienz, Neue Leipzig Charta der EU). In einer sozialen, gerechten und produktiven Stadtentwicklung – inklusive einer intelligenten Digitalisierung – liegt demnach die Zukunft.

Es gilt also, den Digitalisierungsprozess in der unternehmerischen und kommunalen Praxis aktiv und auf Augenhöhe mit Bürgerinnen und Bürgern aller sozialer Milieus und demographischer Gruppen zu gestalten und voranzubringen. Außerdem sind wir gut beraten, die komplexen Entwicklungen wissenschaftlich begleiten zu lassen, konsequent zu reflektieren und nachzusteuern. Oft hört man, Deutschland stehe vor einem digitalen Modernisierungsjahrzehnt. Dafür muss der Smart-City-Gedanke auch in konkrete Ziele und Maßnahmen überführt und konsequent in einem breiten coproduktiven Prozess zwischen Stakeholdern und Zivilgesellschaft angegangen werden.

30. Apr 2025

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Gesellschaft

Eine benutzerfreundliche Infrastruktur ist ein Muss für den Erfolg der Elektromobilität in Deutschland – mit Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM)

![Christian Heep Vize-Präsident BEM Bundesverband eMobilität -Online.JPG](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Christian_Heep_Vize_Praesident_BEM_Bundesverband_e_Mobilitaet_Online_14b581b45a.JPG) ``` Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM) ``` **Welche strategischen Bereiche stehen derzeit im Fokus des BEM?** Wir setzen auf die systemische Transformation des Mobilitätssektors. Dabei liegt unser Augenmerk auf dem flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur, der Verknüpfung mit erneuerbaren Energien, klaren regulatorischen Rahmenbedingungen und der Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland. **Wie gestaltet sich der Ausbau der Ladeinfrastruktur?** Ein leistungsfähiges Ladenetz ist entscheidend für die Akzeptanz der Elektromobilität. Wir fördern eine interoperable und benutzerfreundliche Infrastruktur, die intelligente Netzintegration, bidirektionales Laden und Speicherlösungen umfasst. Bestehende Tankstellen sollen als multifunktionale Energiehubs umgerüstet werden. **In welcher Verbindung stehen E-Mobilität und erneuerbare Energien?** Elektromobilität ist nur dann nachhaltig, wenn der Strom aus Wind und Sonne kommt. Daher muss eine direkte Verbindung zwischen Ladeinfrastruktur und erneuerbaren Energien geschaffen werden – unterstützt durch intelligente Netzsteuerung, lokale Erzeugung und Speicherlösungen. Regulatorische Anreize sollen Betreibende und Nutzende dazu motivieren, verstärkt Grünstrom zu verwenden. >Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. **Welche Rolle spielt die Verkehrswende im Klimaschutz?** Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. Neben der Elektrifizierung des Straßenverkehrs setzen wir auf multimodale Verkehrskonzepte und die effiziente Nutzung vorhandener Infrastruktur. **Wie trägt E-Mobilität zur Stärkung der deutschen Wirtschaft bei?** Der Übergang zur Elektromobilität bietet Deutschland die Chance, sich von fossilen Technologien zu lösen und in Zukunftsbranchen zu investieren. Wichtige Bereiche sind hier die Forschung, Entwicklung und Produktion von Batterien, Ladeinfrastruktur und digitalen Mobilitätsdiensten – essenziell, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. **Ist staatliche Förderung noch notwendig?** Ja, staatliche Förderungen bleiben essenziell, müssen aber zielgerichtet, degressiv und langfristig ausgerichtet sein. Sie sollen den Markthochlauf, den Infrastrukturausbau und die Forschung unterstützen – während gleichzeitig Subventionen für fossile Kraftstoffe reduziert werden müssen. >Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. **Wie sollten staatliche Fördermaßnahmen gestaltet sein?** Es braucht eine Förderpolitik, die die Transformation gesamtheitlich betrachtet: Infrastruktur, Fahrzeugflotten, Speichertechnologien und Netzintegration. Gleichzeitig müssen regulatorische Hemmnisse abgebaut werden, etwa bei Netzentgelten oder Abgaben auf Eigenstromnutzung. Neben regulatorischen Rahmenbedingungen und politischer Lenkungswirkung sind sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Förderungen notwendig. Jeder investierte Euro zahlt sich langfristig aus, indem er Innovationskraft, Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Klimaschutz sichert. **Wie bewertet der BEM die erhöhten Zölle auf chinesische Elektroautos?** Protektionismus ist kein zielführender Ansatz. Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. ## Factbox: **Christian Heep ist Vorstand beim BEM** und leitet Marketing, Medien, PR, Kommunikation, Politik, Messen und Events. Seine Leidenschaft für erneuerbare Energien und Elektromobilität inspiriert ihn zu innovativen Projekten für eine nachhaltige Mobilität.