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10. Okt 2023

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Business

Cybersecurity

Journalist: Susanne Dehmel

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Foto: Presse

Cyberkriminalität hat sich zu einer der größten Bedrohungen für unsere Wirtschaft und Gesellschaft entwickelt. Längst geht es nicht mehr um den Ausfall einzelner Computer oder auch IT-Systeme, die Auswirkungen einer erfolgreichen Cyberattacke können verheerend sein.

Cyberattacken können die Geschäftstätigkeit eines Unternehmens vollständig lahmlegen, sie können notwendige Operationen in einem Krankenhaus verhindern, Kraftwerke ausschalten oder Flughäfen und Bahnstrecken zum Stillstand bringen. Jedes zweite Unternehmen in Deutschland stimmt mittlerweile der Aussage zu, ein erfolgreicher Cyberangriff könnte seine Existenz bedrohen. Zugleich erwarten knapp zwei Drittel, in den kommenden zwölf Monaten Ziel von solchen Angriffen zu werden.

206 Milliarden Euro Schaden ist den Unternehmen in Deutschland in den vergangenen zwölf Monaten durch Wirtschaftskriminalität entstanden, davon rund 150 Milliarden Euro durch Cyberattacken. Cyberkriminalität längt Teil der weltweiten organisierten Kriminalität geworden. Die Angreifer handeln arbeitsteilig, sind spezialisiert und professionell – und haben nicht selten Verbindungen zu staatlichen Akteuren, wobei oft die Grenzen zwischen staatlich geduldetem und staatlich forciertem Handeln verschwimmen.

Gefordert sind Behörden und die Politik, Antworten auf diese Bedrohungslage zu finden. Wir brauchen eine höhere Präsenz von Polizei und Strafverfolgungsbehörden im Cyberraum. Die wiederum brauchen dazu Know-how, Personal und technische Ausstattung. Und wir benötigen eine stärkere Konzentration von Zuständigkeiten, Cyberkriminalität orientiert sich nicht an unseren föderalen Strukturen.

Gefordert sind aber auch alle Unternehmen selbst, entsprechende Schutzmaßnahmen zu treffen. Zuallererst darf IT-Sicherheit in den Unternehmen nicht allein Aufgabe der IT-Abteilungen sein, sondern sie muss Priorität für das Top-Management werden. Wenn Cyberattacken existenzbedrohend sein können, dann muss ihre Abwehr Top-Priorität sein – überall. Jedes Unternehmen benötigt darüber hinaus einen Notfallplan für Cyberangriffe. Nur wer weiß, wie im Falle einer Attacke zu handeln ist, wird diese auch abwehren können. Und wer sich erst dann darüber Gedanken machen will, verliert im besten Fall wertvolle Zeit. Im schlimmsten Fall sind die Kommunikationsmöglichkeiten im Unternehmen so weit eingeschränkt, dass es ohne Notfallplan handlungsunfähig ist. Und drittens muss IT-Sicherheit die Menschen in den Mittelpunkt rücken. Deshalb sollte jedes Unternehmen alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter regelmäßig schulen. Dazu, wie sie sich bei einer Cyberattacke verhalten, aber vor allem auch, wie sie eine solche möglicherweise im Vorfeld erkennen und sogar verhindern können, etwa indem Social Engineering ins Leere läuft oder Schadsoftware keinen Weg auf die Firmenrechner findet. Und schließlich muss IT-Sicherheit mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet werden. Mindestens 20 Prozent der gesamten IT-Ausgaben sollten dafür aufgewendet werden.

Es geht um die Abwehr jedes einzelnen Angriffs. Und es geht um die die Stärkung der Widerstandsfähigkeit unserer Unternehmen und Infrastrukturen, im Schulterschluss zwischen Politik, Behörden und Wirtschaft – und letztlich um die Souveränität Deutschlands in einer digitalen Welt.

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.