Diesen Artikel teilen:

10. Okt 2023

|

Business

Cybersicherheit hat höchste Priorität

Journalist: Thomas Soltau

|

Foto: Jefferson Santos/unsplash

Das Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik schätzt die IT-Sicherheitslage in Deutschland als angespannt bis kritisch ein. Im Schnitt wurden im Zeitraum von Juni 2020 bis Mai 2021 täglich 394.000 neue Schadsoftware-Varianten bekannt. Opfer von Cyberangriffen sind auch Energieversorger.

Sie kommen aus dem Nichts und sind wie kleine Naturkatastrophen: Cyberangriffe. Das wissen die Darmstädter Energieversorger Entega und der Frankfurter Versorgungsbetrieb FES nur zu genau. Im Juni wurden sie Hackern attackiert – mit weitreichenden Folgen: In Darmstadt waren Internetseite und E-Mail-Server lahmgelegt, in Frankfurt traf es das Kundenportal und Online-Dienste.

Die Cyberattacke auf Entega war ein sogenannter Ransomware-Angriff, wie das hessische Innenministerium mitteilte. Als Ransomware werden Computerprogramme bezeichnet, die Daten in einem System entweder verschlüsseln oder den Zugriff verhindern, sodass Nutzer und Nutzerinnen nicht mehr darauf zugreifen können. Ist so ein Programm erstmal aktiv, verlangen Cyberkriminelle für die Wiederherstellung der wichtigen Daten in vielen Fällen Lösegeld. Laut einer aktuellen Studie des Sicherheitsdienstleisters Sophos hätten 2021 rund 42 Prozent der betroffenen Unternehmen durchschnittlich rund 250.000 Euro Lösegeld gezahlt.

Experten beobachten seit langem eine signifikante Zunahme dieser Angriffe. Entega und FES sind prominentere Ziele, viele kleinere Unternehmen haben ebenfalls unter dieser Entwicklung zu leiden. Eine Studie des Branchenverbands der deutschen Informations- und Telekommunikationsbranche Bitkom bezifferte den Schaden für die deutsche Wirtschaft durch Datendiebstähle, Spionage und Sabotage 2021 auf sagenhafte 220 Milliarden Euro. Ransomware-Angriffe machen den Löwenanteil aus. Bei 86 Prozent aller Unternehmen hätten Cyberangriffe demnach Schäden verursacht, im Jahr 2019 waren es noch 70 Prozent.

Waren es anfangs noch Hacker, die große Unternehmen mit den Attacken bloßstellen wollten, haben die Angriffe mittlerweile eine andere Dimension angenommen. Immer häufiger sind die Angriffe politischer Natur. So kommen etwa viele Angriffe aus Russland. Eine Entwicklung, die vielen Fachkräften aus Wissenschaft und Forschung schon länger Sorge bereitet. Das weiß auch Prof. Dr. Claudia Eckert, Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC. „Man wird Angriffe nie gänzlich vermeiden können. Um schädliche Auswirkungen von Angriffen so gering wie eben möglich zu halten, müssen wir Cybersicherheit konsequent als Prozess verstehen und leben, also kontinuierlich die Sicherheit von Systemen analysieren, Erfahrungen offen teilen und Probleme zügig beheben.“

Experten vermuten, dass Russland in Zukunft vermehrt Cyberangriffe startet. Ein Ziel dieser Aktionen könnte sein, die Kosten für eine mögliche Energiewende in die Höhe zu treiben. Es ist bestimmt kein Zufall, dass seit Kriegsausbruch auch die deutsche Windenergiebranche massiv mit Cyberangriffen zu kämpfen hat. Doch das ist nur ein Akteur im politischen Weltgeschehen. Auch China versucht mit aller Macht seine Expansionsbestrebungen durch Cyberangriffe auf die kritische Infrastruktur zu flankieren. Langfristig hilft nur die Erhöhung der Robustheit von IT-Systemen. Denn in Zukunft werden die Angriffe von allen Seiten eher zunehmen. Prof. Dr. Claudia Eckert kann diese Tendenz stützen. „Wir bekommen jetzt schon einen Vorgeschmack auf eine mögliche Veränderung der Cybersicherheit durch die geopolitische Lage. Staatliche Angriffe sind viel präsenter als bislang, als es eher um kommerzielle Interessen ging, wie mittels Ransomware Geld zu erpressen. Nun sind Hacker-Trupps im staatlichen Auftrag unterwegs, um an Daten zu gelangen oder technische Infrastrukturen zu unterwandern, damit sie bei Bedarf, sozusagen auf Knopfdruck, lahmgelegt werden könnten. Dagegen müssen wir Vorkehrungen treffen“, so die Leiterin des Fraunhofer-Instituts für Angewandte und Integrierte Sicherheit AISEC.

Doch was hilft gegen die Angriffe? Um bei einer erfolgreichen Attacke schnell wieder arbeitsfähig zu werden, gilt es Strategien zu entwickeln und mit Technologien zu unterfüttern, ohne womöglich neue Angriffsflächen zu bieten. Bei Ransomware-Angriffen hilft meist schon eine gute Backup-Strategie. Bleiben die Daten des Backups aber ungeschützt, machen sich Unternehmen dadurch erst recht angreifbar. Haya Shulman, die am Fraunhofer Institut für Sichere Informationstechnologie (SIT) in Darmstadt den Forschungsbereich für Netzwerk- und Computersicherheit verantwortet, ist wie ihre Kollegin große Verfechterin der „Zero-Trust-Architektur“. Gemeint ist damit, dass Unternehmen nicht nur das Netzwerk als Ganzes schützen, sondern jeder Nutzerin und jedem Nutzer für jede einzelne Anwendung nur ganz bestimmte Zugangsberechtigungen erteilen. Mit dem Ergebnis, dass Angreifer es schwerer hätten, auf das gesamte System zuzugreifen.

Völlig falsch wäre jedenfalls Lösegeld zu zahlen. Die Zahlung ist immer nur eine kurzfristige Lösung. Die Ursache bleibt weiterhin bestehen, warnen die Experten. Ein weiterer wichtiger Punkt: Die gezahlten Lösegelder ermöglichten es den Kriminellen, weiter zu investieren und zu wachsen. Das sei ein geopolitsicher Nachteil für Deutschland gegenüber anderen Wirtschaftsstandorten.

27. Jun 2025

|

Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.