2. Okt 2025
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Lifestyle
Journalist: Julia Butz
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Foto: Presse
Spitzenkoch und Gastronom Alexander Herrmann im Interview.
Der vielseitige Unternehmer führt das mit zwei Michelin-Sternen und einem grünen Stern ausgezeichnete Restaurant AURA by Alexander Herrmann & Tobias Bätz im Posthotel Wirsberg und betreibt weitere kulinarische Hotspots im Raum Nürnberg. Seit über 20 Jahren ist er regelmäßig im Fernsehen zu sehen, unter anderem als langjähriger Juror und Coach bei der Kochshow „The Taste“.
Herr Herrmann, Ihr Restaurant AURA steht für ‚grenzenlose Heimat‘. Warum ist Ihnen die Verbindung von Tradition und Innovation so wichtig? Ein Gast besucht ein Restaurant nicht nur, um ein perfektes Gericht zu genießen – was wirklich berührt und begeistert, sind Emotionen und Persönlichkeit auf dem Teller. Gerade die regionale Küche eröffnet hier großartige Möglichkeiten: Bekanntes auf neue Weise präsentieren und vermeintlich einfache Produkte als kreativen Geschmacksmoment oder besonderes Würzelement weiterentwickeln. Omas Heimatküche stellt dabei aber eine Herausforderung dar, da sie tief in der Erinnerung jedes Gastes verankert ist. Und genau hier liegt der Reiz und mein Anspruch als Koch: Emotionen zu wecken, die regionale Identität lebendig halten und trotzdem zu überraschen.
Welche Rolle spielt dabei die Zusammenarbeit mit regionalen Produzenten? Sie ist die Grundlage unserer Arbeit. Wir kooperieren dank unseres Food Scouts Joshi Osswald mit rund 100 Landwirten und Produzenten, vom Metzger bis zum Gemüsebauern. Diese Partnerschaften ermöglichen es uns, das Beste unserer fränkischen Wurzeln herauszuholen und gleichzeitig neue kulinarische Wege zu gehen. Aktuell arbeiten wir z. B. an einer besonderen Schweinezucht: Wir kreuzen Duroc- und Iberico-Schweine, die bei einem unserer Partnerlandwirte Haselnüsse fressen, angelehnt an die spanische Tradition der Eichel-Fütterung. Die Haselnuss-Stelze könnte zu einer einzigartigen Spezialität werden; mit einem Geschmack, den es so nur bei uns gibt. Mit den Landwirten stimmen wir auch die saisonalen Erntezeiten nach unseren Bedürfnissen ab. Manchmal ernten wir Erdbeeren absichtlich noch grün, wenn sie ihr typisches Aroma, aber noch keinen Zucker entwickelt haben. Eingelegt entwickeln sie ganz eigene Geschmackserlebnisse. Auch unseren Ingwer, den wir bei einem Bamberger Gärtner anbauen lassen, ernten wir sehr jung. Zum einen, da er mit einer besonders zarten Zitronennote überrascht, ohne scharf zu sein; zum anderen, da der Gärtner sein Feld dann für den Feldsalat benötigt (lacht). Diesen jungen Ingwer verarbeiten wir z. B. durch spezielles Einlegen zu einer regionalen Delikatesse.
Ein Gast besucht ein Restaurant nicht nur, um ein perfektes Gericht zu genießen – was wirklich berührt und begeistert, sind Emotionen und Persönlichkeit auf dem Teller.
Im Future Lab? Ja, in unserem Future Lab ANIMA veredeln Joshi Osswald und Christoph Vejdovsky Rohstoffe durch Fermentation, Trocknung, Reifung oder Räuchern – und holen das Maximum an Geschmack heraus. Diese Techniken erlauben es, regionale Produkte nicht nur neu zu interpretieren, sondern ihnen eine moderne Identität zu geben. Ein Beispiel ist unser Steckrüben-„Schinken“: Mithilfe von Kochi-Pilzen entziehen wir der Steckrübe über Monate Wasser, bis sie zu einer kleinen Kugel schrumpft. Fein gehobelt erinnert es geschmacklich an Schinken mit Blauschimmel-ähnlichem Aroma, während innen der konzentrierte Steckrüben-Geschmack in voller Süße erhalten bleibt. Die von Tobias Bätz, mir und unserem Team entwickelten Menüs bestehen dann zu 80 bis 90 Prozent aus saisonaler Frischware, ergänzt und vollendet durch unsere Gewürze und Geschmacksprofile aus dem ANIMA.
Ein Erfolgskonzept. Gerade, weil Gäste sich heute mehr denn je nach Gerichten mit Herz und Seele sehnen. Welche gesellschaftlichen Veränderungen beobachten Sie noch? Wir stellen klar fest, dass der Konsum von Fleisch und Fisch zurückgegangen ist, während der Anspruch an deren Qualität und Herkunft stark gestiegen ist. Den Gästen ist es wichtig, verantwortungsbewusst zu genießen. Auch deshalb setzen wir auf Transparenz. Um zu zeigen, mit welcher Sorgfalt und Würdigung wir Produkte verarbeiten. Unser Grüner Michelin Stern zeichnet genau das aus. Noch ein Punkt ist mir wichtig: In den letzten 20 Jahren hat sich die deutsche Gastronomie enorm weiterentwickelt – und das vor allem dank des deutschen Gastes. Nicht die internationalen Touristen, wie es in vielen europäischen Metropolen der Fall ist, sondern die deutschen Genießer haben die Spitzenküche in Deutschland groß gemacht und regionaler sowie saisonaler Küche zu der Bedeutung verholfen, die sie heute hat. Das wird hierzulande oft unterschätzt. Danke dafür, liebe Gäste!
Nicht die internationalen Touristen, wie es in vielen europäischen Metropolen der Fall ist, sondern die deutschen Genießer haben die Spitzenküche in Deutschland groß gemacht und regionaler sowie saisonaler Küche zu der Bedeutung verholfen, die sie heute hat.
Aufgepasst beim nächsten Spaziergang durch den Frankenwald. Das, was aussieht wie ein schmutziger Stein, könnte der fränkische Schiefertrüffel sein: eine Pilzrarität, die Alexander Herrmanns Vater einst fand und heute AURAs Signature Dish ist.