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6. Sep 2024

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Business

Das Beste beider Welten

Journalist: Kirsten Schwieger

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Foto: Surface/unsplash

Flexible, hybride Arbeitsmodelle vereinen die Vorteile von Remote Work und Präsenzarbeit und verringern die Kluft zwischen Arbeitgeber- und Arbeitnehmerwillen.

Knapp ein Viertel aller Erwerbstätigen in Deutschland arbeitet regelmäßig im Homeoffice, laut Münchner ifo Institut – vier Mal so viele wie vor Corona. So haben viele Beschäftigte in dieser Zeit das Arbeiten von zuhause aus schätzen gelernt. Kein Wunder: Weniger morgendlicher Stress, kein Zeitverlust durch Arbeitswege, flexiblere Arbeitszeiten sowie mehr Ruhe und Konzentration. Schon vor der Pandemie belegte eine internationale Studie, dass das Homeoffice produktiver macht. Mehr als 70 Prozent der Befragten einer Studie von PricewaterhouseCoopers (PwC) gaben zudem an, dass ihnen Remote Work zu höherer Lebensqualität und einer besseren Work-Life-Balance verhelfe. Wobei Remote Work nicht nur das heimische Büro, sondern generell eine ortsunabhängige Fernarbeit umfasst. Laut Selbsteinschätzung der remote-Arbeitenden profitierten davon sowohl deren Zufriedenheit und Motivation als auch deren psychische Gesundheit.

Auch viele Arbeitgebende schienen sich seinerzeit über erhöhte Motivation und Produktivität sowie geringere Fehltage und Kosten zu freuen. Mittlerweile hat sich der Wind gedreht. In den USA ordern Tech-Riesen wie Alphabet, Meta und OpenAI ihre Belegschaft wieder zurück ins Office und auch hierzulande liebäugeln Großunternehmen wieder mit der Präsenzarbeit – zumindest an bestimmten Wochentagen. Weniger aus Misstrauen oder Kontrollstreben, sondern aus der Überzeugung heraus, dass Präsenzarbeit dem Homeoffice in wichtigen Bereichen überlegen ist. Etwa in puncto Kreativität, Wissenstransfer und insbesondere unter sozialen Aspekten. Laut einer KMPG-Umfrage gehen 68 Prozent der deutschen CEOs davon aus, dass ihre Belegschaft innerhalb der nächsten drei Jahre wieder komplett ins Büro zurückkehren wird.

Rückenwind bekommen die Unternehmen teilweise aus der Arbeitsforschung. So fanden US-Forschende heraus, dass Menschen weniger einfallsreich und kreativ sind, wenn sie nur über Videokonferenzen miteinander kommunizieren. Auch der anfänglich gerühmte Produktivitäts-Boost lässt mit der Zeit, beziehungsweise einem abnehmenden Wir-Gefühl und fehlenden Austausch, nach. Studien belegen, dass mit längerer Zeit im Homeoffice die Identifikation mit dem Arbeitgebenden abnimmt und die soziale Isolation steigt. Was wiederum Auswirkungen auf die Psyche hat.

Dennoch möchte mehr als ein Drittel der Remote-Worker am liebsten gar nicht mehr ins Büro zurück. Für viele sind flexible Arbeitsmodelle eine fundamentale Bereicherung und nicht mehr verhandelbar. Die Wissenschaft empfiehlt deswegen einen Mix aus Remote Work und Präsenztagen. Vielen Unternehmen wird wohl auch keine andere Wahl als hybrides Arbeiten bleiben. So belegen Studien, dass strikte Anwesenheitspflichten insbesondere High-Performer und Millennials zur Kündigung treiben. Vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels werden Unternehmen dem Wunsch nach flexiblen, hybriden Arbeitsmodellen entgegenkommen müssen, um qualifizierte Arbeitskräfte zu gewinnen und die Mitarbeitendenzufriedenheit zu steigern. Anzustreben sind dabei gemeinsame Lösungsmodelle, welche Präsenz- mit Remote- oder Teilzeitarbeit kombinieren.

Interessanter Fakt:

Der Anteil der Beschäftigten im Homeoffice ist seit zwei Jahren nahezu gleichbleibend. Mit 20,5 Prozent liegt der Anteil in KMUs deutlich niedriger als in großen Unternehmen mit 32,1 Prozent. Im europäischen Vergleich bleibt Deutschland damit über dem EU-Schnitt. Mit 34,1 Prozent arbeiten Dienstleister am häufigsten von zu Hause aus. Quelle: ifo Institut

27. Jun 2025

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Wirtschaft

Nachhaltig, transparent und partnerschaftlich – Im Interview mit Barbara Frenkel, Vorstandsmitglied Porsche AG

**Warum bekommt die Beschaffung oft so wenig Aufmerksamkeit – obwohl so viel von ihr abhängt?** Weil Beschaffung meist im Hintergrund läuft – und erst dann in den Blickpunkt rückt, wenn etwas fehlt. Das kennt jeder aus dem Alltag: Fehlt beim Kochen eine Zutat oder beim Möbelaufbau eine Schraube, steht meist alles still. Im industriellen Maßstab kann das bedeuten: keine Teile, kein Auto. Unsere Lieferketten sind heute hochgradig komplex, global und auf Effizienz ausgelegt. Fällt ein einziges Teil aus, sei es durch eine Naturkatastrophe, einen Cyberangriff oder geopolitische Spannungen, kann dies die Produktion gefährden. Deshalb denken wir bei Porsche Beschaffung heute anders: vorausschauender, vernetzter und deutlich resilienter. **Welche Strategie verfolgen Sie, um Lieferketten auch in Krisenzeiten stabil und widerstandsfähig zu halten?** Entscheidend ist die Transparenz in der gesamten Lieferkette – also über unsere direkten Lieferanten hinaus. Uns interessiert: Wer sind die Partner dahinter? Wo haben sie ihre Standorte und welchen Risiken sind sie ausgesetzt? Dabei simulieren wir beispielsweise Wetterereignisse oder Cyberattacken. Wir bewerten globale Rohstoffverfügbarkeiten und identifizieren Single-Source-Situationen. Über allem steht die Frage: Wo könnte ein möglicher Ausfall besonders kritisch für uns sein? **Und welche konkreten Maßnahmen ergreifen Sie, um Risiken zu minimieren?** Hier braucht es ein ganzes Maßnahmenbündel. Als vergleichsweise kleiner Hersteller können wir nicht überall auf eine Zwei-Lieferanten-Strategie setzen. Stattdessen überlegen wir uns etwa, wo wir bei kritischen Materialien gezielt Lagerbestände in Werksnähe aufbauen. Oder wir beauftragen zusätzliche Werkzeugsätze, die bei Bedarf schnell aktiviert werden können. **Wie wählen Sie Lieferanten aus, welche Kriterien sind dabei besonders wichtig?** Die Auswahl unserer Lieferanten ist immer Teamwork. Beschaffung, Entwicklung und Produktion arbeiten eng zusammen. Häufig entwickeln wir die Lösungen gemeinsam mit unseren Lieferanten. Hierbei spielt die technische Bewertung in enger Abstimmung mit unserer Entwicklung eine wichtige Rolle. Die Produktion wiederum achtet sehr stark auf die Logistik. Jeder potenzielle Partner durchläuft ein umfassendes Auditverfahren. Dabei geht es um Qualitäts- und Machbarkeitsaudits. Aber auch um eine umfassende Risikoanalyse. Ein fester Bestandteil bei der Auswahl sind zudem Kriterien bei der Nachhaltigkeit. Also rechtliche, ethische und ökologische Standards. >Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. **Wie wichtig ist Ihnen die Einbindung mittelständischer Lieferanten in Ihrer Lieferkette?** Viele unserer Fahrzeuge sind stark individualisiert – das erfordert flexible, anpassungsfähige Partner. Viele Mittelständler aus Deutschland bieten genau diese Qualität. Vor allem, wenn sie sich in unmittelbarer Werksnähe befinden. Vorteile sind kurze Wege und schnelle Reaktionszeiten. Als in Deutschland verwurzeltes Unternehmen ist uns zudem daran gelegen, die heimische und europäische Lieferkette zu stärken. **Sie haben die Nachhaltigkeit bereits angesprochen. Nochmals konkret: Wie integrieren Sie diese Kriterien in den Beschaffungsprozess?** Wie gesagt, wir denken hier ganzheitlich und in drei Dimensionen: ökologisch, sozial und ethisch. Im ökologischen Bereich legen wir besonderen Wert auf den CO₂-Fußabdruck in der Lieferkette. Hier entscheiden der Energiemix, die verwendeten Rohstoffe und der Anteil an recyceltem Material. Auch der Wasserverbrauch wird immer wichtiger. Soziale und ethische Aspekte sind ebenfalls von Bedeutung. Wir erwarten, dass internationale Arbeitsstandards eingehalten und faire Löhne gezahlt werden. **Wie haben Sie Einkaufprozesse bzw. das Lieferantenmanagement erfolgreich verbessert?** Rund 80 Prozent der Wertschöpfung entsteht bei uns in der Lieferkette. Entsprechend hoch ist die Bedeutung eines effizienten und partnerschaftlich ausgerichteten Lieferantenmanagements. Deshalb setzen wir bewusst früh an: Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. Über diesen engen Austausch entstehen belastbare Partnerschaften – von Anfang an. **Wie reagieren Sie auf regionale Marktanforderungen?** Angesichts fragmentierter Märkte gewinnt die regionale Verankerung an Bedeu-tung. In China arbeiten wir beispielsweise gezielt mit starken lokalen Partnern zusammen. Mit dem Ziel, marktgerechte Lösungen zu entwickeln – etwa beim Infotainment. Auch regulatorische Anforderungen erfordern spezifische Lösungen, das Aufspüren innovativer Technologien und innovativer Partner. Immer mehr handelt es sich dabei auch um Start-ups aus branchenfremden Bereichen, etwa beim autonomen Fahren, der Konnektivität oder Software. >Bereits in der Entwicklungsphase binden wir Lieferanten eng in unsere Prozesse ein. Gemeinsam können wir Kosten optimieren, die Umsetzung garantieren und verlässliche Qualität reproduzieren. ## Infos zur Person Barbara Frenkel: Als Kind wollte sie Astronautin werden. Heute leitet Barbara Frenkel das Vorstandsressort Beschaffung der Porsche AG. Frenkel war die erste Frau im Vorstand des Sportwagenherstellers. Sie blickt auf eine mehr als 20-jährige Managementkarriere bei Porsche zurück. Zuvor war sie bei verschiedenen Automobilzulieferern tätig. Barbara Frenkel (62) scheidet zum 19. August 2025 auf eigenen Wunsch aus dem Porsche-Vorstand aus und übergibt ihre Verantwortung an Joachim Schar-nagl (49), der ihre Nachfolge antritt. Privat genießt sie Ausfahrten mit ihrem Oldtimer, einem 911 G-Modell. Sie ist begeisterte Taucherin und unternimmt gerne Ausflüge mit ihrem Hund in die Natur.