20. Jun 2022
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Gesellschaft
Journalist: Theo Hoffmann
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Foto: Glenn Carstens Peters/unsplash
Es gibt in Europa Länder wie etwa Serbien oder Portugal, in denen noch extensiver ferngeschaut wird. Deutschland liegt mit täglich 220 Minuten eher im Mittelfeld.
Das Fernsehen unserer Tage hat viel von seiner Bedeutung als Leitmedium eingebüßt, aber es erfindet seine Rolle in Konkurrenz zum Internet und den anderen Medien täglich neu. Setzen die öffentlich-rechtlichen Sender viel auf die Qualität von Nachrichten- und Dokumentationssendungen und anspruchsvoller Unterhaltung, so fokussieren die privaten Sender gezielt aufs Populäre und Blockbuster. In Zeiten des Smart-TV und der ständigen ortsunabhängigen Verfügbarkeit des digitalen Fernsehens aber ist die Chance, breite Massen zu erreichen, im Vergleich zu früher ungleich größer. Es ist ja allein schon toll, dass man daheim vom Badezimmer über den Hobbykeller bis hin zur Küche, wo gerade ein leckeres Abendessen angerichtet wird, per iPad, Laptop oder Smartphone alles ansehen kann, ohne dass man im Fernsehsessel kleben bleiben muss. Und welch ein Segen sind doch unsere DVB-T Receiver mit ihren Übertragungen aller möglichen Fernsehprogramme.
Die neue Welt des Fernsehgenusses hat indes auch Vorteile in Sachen Nachhaltigkeit. Ein moderner LCD-Fernseher verbraucht circa ein Watt pro Stunde und die schicken LED-Flachbildfernseher und vernetzten Geräte im WLAN verbrauchen inzwischen nur noch 0,1 und 0,7 Watt im Standby-Modus. Die Energieeffizienzklassen nach EU-Label sind bei neuen Geräten ein immer wichtiger werdendes Kaufkriterium. Der Mix des zeitunabhängigen Fernsehens über die Mediatheken oder das Live-Schauen oder Wiederholen und Zurücksetzen versäumter Passagen hat immense Vorteile. Aber erhöht das vielleicht auch den Fernsehkonsum von uns selbst und unserer Kinder?
Fakt ist, dass unsere Zeit vorm Fernsehbildschirm zu Zeiten der Pandemie leicht gestiegen ist, was uns sicher nicht wirklich überrascht. Im Schnitt verbringen wir heute circa 220 Minuten vorm Fernseher, zwei Jahrzehnte früher waren es nur 183 Minuten. Wie sich der Fernsehkonsum auf die kognitiven Fähigkeiten Heranwachsender auswirkt, ist ein viel diskutiertes Thema, aber längst noch nicht ausreichend erforscht. Selbstverständlich erfordern bewegliche Bilder und platte Inhalte weniger Konzentration als das Lesen eines Buches und schwächen unsere Aufmerksamkeit. Darüber hinaus ist das Schauen von Filmen und Fernsehbeiträgen sicher wenig geeignet, die Kinder ins Freie zu locken und sich bewegen zu lassen. Dass wir über viele übergewichtige Kinder und Jugendliche klagen müssen – Tendenz steigend – hat nicht nur, aber auch mit dem Fernseh- und Medienkonsum überhaupt zu tun.
Die Flexibilität unserer neuen Fernsehwelt haben wir oben schon mit Blick auf die eigenen vier Wände angesprochen. Es ist aber ja nun auch so, dass wir mit IP für unterwegs in der Lage sind, an jedem Ort, auch an Urlaubsorten, unsere Lieblingskanäle zu sehen. Dabei gibt es allerdings auch Einschränkungen. Jeder von uns hat schon die Erfahrung gemacht, dass er noch nicht mal ARD- oder ZDF-Beiträge vollständig im Ausland empfangen kann, wenn man nicht den richtigen Server zur Verfügung hat. Zudem ist digitales Fernsehen auch nur dort ein Vergnügen, wo wir über einen ausreichend schnellen Internet-Anschluss verfügen. Und den brauchen wir: Erst recht, wenn die Fußball-Weltmeisterschaft anläuft und wir nun wirklich nichts versäumen wollen!