12. Nov 2021
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Gesellschaft
Journalist: Armin Fuhrer
Börsen-Anfänger:innen sollten mög-lichst breit in ETF-Fonds anlegen und nicht alles auf eine Karte setzen, rät Investment-Experte Christian W. Röhl im Interview.
Ich war knapp 15, als ich meine ersten Aktien gekauft habe. Erfolgreich waren sie allerdings ganz und gar nicht. Ich habe in etwa einem halben Jahr 20 Prozent verloren und sie dann wieder abgestoßen. Drei Wochen später hatte sie das Minus wieder wettgemacht.
Es war eine sehr heilsame Erfahrung für mich, denn ich musste sehr früh lernen, dass ich nicht der neue Gordon Gekko bin. Ich habe mich aber nicht entmutigen lassen, wenngleich es noch eine Weile dauerte, bis ich die ganze Sache systematischer angegangen bin.
Den jungen Leuten, die heute in den Aktienmarkt einsteigen, fehlt die Erfahrung eines Rückschlags. Denn in der jüngeren Vergangenheit ging es an der Börse ja nur bergauf. Das hat zur Folge, dass viele glauben, sie seien großartige Investmentexpertinnen und -experten. Aber die Rückschläge werden definitiv kommen und ich halte es dann mit Warren Buffett, der sagt: Erst bei Ebbe sieht man, wer ohne Badehose schwimmt. Aber Rückschläge sollten niemanden entmutigen, denn wer überhaupt in Aktien investiert, macht grundsätzlich schon mal etwas richtig.
Wenn eine einzelne Aktie fällt, vor allem gegen den Trend, dann sollte man die Hintergründe checken. Aber wenn wir über eine Korrektur am Gesamtmarkt sprechen, also zwischenzeitlich 20 Prozent oder 30 Prozent Rückgang im MSCI World, im S&P 500 und im DAX: Etwas Besseres kann jungen Investor:innen doch gar nicht passieren. Sich vergegenwärtigen, dass man mit Aktien am langfristigen Wachstum der Wirtschaft, an Fortschritt und Innovation beteiligt ist – und den Sparplan durchhalten, weiter monatlich ETFs kaufen, wenn möglich einen Teil der Cash-Reserve mobilisieren und auf diese Weise beim nächsten Anstieg quasi mit Hebel dabei sein.
Möglichst mit der Geburt, dann müssen es allerdings natürlich die Eltern für sie tun. So früh wie möglich mit dem Aufbau eines Kapitalstocks für das Kind anzufangen, ist eine ganz zentrale Entscheidung. Die Eltern müssen sich entscheiden, ob man im Namen des Kindes anlegt oder ihm das Geld bereits übereignet. Wenn Eltern merken, dass ihr Kind sich für das Thema interessiert, können sie ruhig im Familienkreis darüber reden, sobald sie eine gewisse Reife spüren. Aber auch, wenn die Eltern dem Kind bis jetzt noch kein Depot angelegt haben: Zum Anfangen ist es nie zu früh, aber auch nie zu spät.
Ich rate Einsteigenden immer zu möglichst breit gestreuten ETFs. Börsen-gehandelte Fonds, die zu sehr günstigen Kosten von maximal 0,2 % p.a. einen globalen Index abbilden, sodass man sich mit einer einzigen Sparrate Bruchteile von Hunderten oder sogar Tausenden Unter-nehmen sichert. Da muss man sich um nichts kümmern und wenn es bei einzelnen Firmen oder in bestimmten Branchen oder Ländern mal nicht so gut läuft, fällt das nicht so stark ins Gewicht.
Ein typischer Fehler junger ETF-An-legenden ist der Optimierungszwang. Gibt es vielleicht einen ETF, der noch 0,05 Prozent günstiger ist? Oder sollte man nicht in einen Fonds mit 50 statt 60 Prozent USA-Gewichtung wechseln? Aber der gefährlichste Fehler ist natürlich, gar nichts zu machen. Manche Menschen beschäftigen sich endlos mit der Theorie des Investierens – werden aber gar nicht aktiv, weil sie sich in den Details verheddern. Aber irgendwann muss man halt mal anfangen: Strategie festlegen, Depot eröffnen, Sparplan starten. Der zweite häufige Fehler liegt darin, einen einmal festgelegten Sparplan nicht durchgängig zu verfolgen. Ganz wichtig ist aber, ihn konsequent durchzuziehen, solange es finanziell irgendwie klappt.
Die EU-Kommission und die deutschen Behörden haben in den vergangenen Jahren eine ganze Reihe von Direktiven erlassen, die Nachhaltigkeit bei Finanzprodukten fördern sollen. Ich rechne damit, dass man innerhalb der kommenden fünf Jahre als nicht nachhaltig klassifizierte Produkte aktiv abwählen muss oder diese gar nicht mehr erworben werden können. Es gibt Siegel, die Nachhaltigkeit kenn-zeichnen sollen, aber oftmals fehlt da die Transparenz – nur dass Tabak-, Kohle- und Rüstungsaktien nicht nachhaltig sind, gilt als „Common Sense“.