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1. Okt 2021

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Gesellschaft

„Der Kunde sitzt am längsten Hebel“

Journalist: Armin Fuhrer

Der Ruf nach nachhaltigen Verpackungen wird lauter. Eine Herausforderung, die lösbar ist, sagt Kim Cheng vom Deutschen Verpackungsinstitut e.V.

Verpackungen sollen Kund:innen unter anderem zum Kauf animieren. Ist das mit dem wachsenden Wunsch der Kund:innen nach nachhaltigen Verpackungen vereinbar?

Darin liegt eine der wichtigsten Aufgaben, vor der die Verpackungsindustrie steht. Und zu den Kernaufgaben der Verpackung gehören ja außerdem auch der Produktschutz, die Lager- und Transportfähigkeit oder, gerade auch in Corona-Zeiten, das Thema Hygiene. Alle diese Aufgaben unter einen Hut zu bekommen, mit dem Wunsch nach Nachhaltigkeit, ist eine ständige Herausforderung. 

Also gibt es einen Widerspruch zwischen diesen Anforderungen und dem Wunsch nach Nachhaltigkeit?

Nein, denn die Verpackungsindustrie entwickelt immer mehr Produkte, die zeigen, dass beides gut zusammenpasst.

Spüren Sie denn, dass die Ansprüche der Kund:innen wachsen?

Das ist ganz sicher so. Wir haben in einer repräsentativen Bevölkerungsumfrage festgestellt, dass 70 Prozent der Konsument:innen bereits einmal auf den Kauf eines Produkts verzichtet hat, weil ihnen die Verpackung nicht nach-haltig genug war. Zudem wissen wir, dass 68 Prozent der Verbraucher:innen erst die Informationen auf der Verpackung lesen, bevor sie ein Produkt kaufen. Verpackung ist unverzichtbar. Es gibt also gar keine andere Option als Verpackungen immer nachhaltiger zu gestalten. 

Was viele nicht wissen, ist die Tatsache, dass der ökologische Footprint von verpackten Lebensmitteln 16 bis 30 Mal höher ist als der Footprint der Verpackung. Und das bedeutet, dass das Produkt auf gar keinen Fall verderben darf – und dafür sind Verpackungen wichtig. Aktuell landen jährlich in Deutschland rund 6,8 Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Deutschland hat sich dem Ziel der Vereinten Nationen verpflichtet, die Lebensmittelverschwendung bis zum Jahr 2030 zu halbieren. Das Ziel ist ohne Verpackungen gar nicht erreichbar, denn eine Verpackung verlängert die Haltbarkeit um Tage, Wochen oder sogar Monate.

Verpackungen machen nur 1,5 bis zwei Prozent des Fußabdrucks einer europäischen Person aus. Eine einzige Flugreise nach Singapur verursacht beispielsweise so viel Treibhausgasemissionen, wie der gesamte Verpackungsbedarf einer Person in 30 Jahren. 

Wird die Branche geradezu gezwungen, nachhaltige Verpackungen anzubieten?

Es gibt ja drei Akteure: die Konsument:innen, den Handel und die Verpackungsindustrie. Am längsten Hebel sitzt der:die Konsument:in, also wir alle. Wir dürfen uns nicht wegducken, denn wir können steuern, welche Produkte am Markt sind. Der Handel steht in der Mitte und wird durch die Kund:innen zu immer mehr Innovationen gezwungen. Die müssen von der Verpackungsindustrie umgesetzt werden. Sie ist sehr innovativ und hat eigentlich Lösungen oft schon parat hat, wenn der Handel mit seinen Wünschen kommt. Natürlich gibt es große Unterschiede, zum Beispiel benötigt ein kühlintensives Produkt wie Käse eine andere Verpackung als ein Hightech-Gerät. Außerdem übt auch die Politik über das Verpackungsgesetz zu-nehmend Druck aus. Die Industrie geht hier verschiedene Wege: Zum Beispiel wird neben Mehrwegsystemen und Nachfüllstationen viel im Bereich des kreislaufgerechten Verpackungsdesigns sowie des Einsatzes von Monomaterial und alternativer Rohstoffe entwickelt. Darüber wird ständig an Materialreduzierungen gearbeitet. Die Produktion von Dosen, Flaschen, Kartons und so weiter hat vor zehn Jahren noch sehr viel mehr Material und Energie benötigt, als heute. Diese Entwicklung geht weiter.

Hat uns die Pandemie auch vor Augen geführt, wie wichtig Verpackungen im Gesundheitswesen sind, zum Beispiel bei den Impfstoffen?

An dieser Stelle ist das Thema Verpackungen ein Selbstläufer. Jedem ist klar, was Schutz und Hygiene bedeuten. Man muss sich nur mal anschauen, bei welchen Temperaturen manche Impfstoffe gelagert werden müssen – dann erkennt man, was Verpackung leisten muss. Hier kann man auch die Wertschöpfungskette gut erkennen. Sie beginnt bei dem Verpackungshersteller, der die Ampullen aus Glas oder Kunststoff herstellt über den Maschinenbau-er, der die Anlagen für das Abfüllen produziert bis hin zu den Herstellern der Kühlboxen, die den temperatur-gesicherten Transport ermöglichen. Grundsätzlich sind Medikamente besonders sensible Produkte, die eine sichere Verpackung benötigen.

30. Apr 2025

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Gesellschaft

Eine benutzerfreundliche Infrastruktur ist ein Muss für den Erfolg der Elektromobilität in Deutschland – mit Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM)

![Christian Heep Vize-Präsident BEM Bundesverband eMobilität -Online.JPG](https://cwbucket.fra1.digitaloceanspaces.com/Christian_Heep_Vize_Praesident_BEM_Bundesverband_e_Mobilitaet_Online_14b581b45a.JPG) ``` Christian Heep, Vorstand im Bundesverband eMobilität (BEM) ``` **Welche strategischen Bereiche stehen derzeit im Fokus des BEM?** Wir setzen auf die systemische Transformation des Mobilitätssektors. Dabei liegt unser Augenmerk auf dem flächendeckenden Ausbau der Ladeinfrastruktur, der Verknüpfung mit erneuerbaren Energien, klaren regulatorischen Rahmenbedingungen und der Stärkung der industriellen Wettbewerbsfähigkeit in Deutschland. **Wie gestaltet sich der Ausbau der Ladeinfrastruktur?** Ein leistungsfähiges Ladenetz ist entscheidend für die Akzeptanz der Elektromobilität. Wir fördern eine interoperable und benutzerfreundliche Infrastruktur, die intelligente Netzintegration, bidirektionales Laden und Speicherlösungen umfasst. Bestehende Tankstellen sollen als multifunktionale Energiehubs umgerüstet werden. **In welcher Verbindung stehen E-Mobilität und erneuerbare Energien?** Elektromobilität ist nur dann nachhaltig, wenn der Strom aus Wind und Sonne kommt. Daher muss eine direkte Verbindung zwischen Ladeinfrastruktur und erneuerbaren Energien geschaffen werden – unterstützt durch intelligente Netzsteuerung, lokale Erzeugung und Speicherlösungen. Regulatorische Anreize sollen Betreibende und Nutzende dazu motivieren, verstärkt Grünstrom zu verwenden. >Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. **Welche Rolle spielt die Verkehrswende im Klimaschutz?** Die Verkehrswende ist ein zentraler Hebel, um CO₂-Emissionen zu senken und die Luftqualität zu verbessern. Neben der Elektrifizierung des Straßenverkehrs setzen wir auf multimodale Verkehrskonzepte und die effiziente Nutzung vorhandener Infrastruktur. **Wie trägt E-Mobilität zur Stärkung der deutschen Wirtschaft bei?** Der Übergang zur Elektromobilität bietet Deutschland die Chance, sich von fossilen Technologien zu lösen und in Zukunftsbranchen zu investieren. Wichtige Bereiche sind hier die Forschung, Entwicklung und Produktion von Batterien, Ladeinfrastruktur und digitalen Mobilitätsdiensten – essenziell, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. **Ist staatliche Förderung noch notwendig?** Ja, staatliche Förderungen bleiben essenziell, müssen aber zielgerichtet, degressiv und langfristig ausgerichtet sein. Sie sollen den Markthochlauf, den Infrastrukturausbau und die Forschung unterstützen – während gleichzeitig Subventionen für fossile Kraftstoffe reduziert werden müssen. >Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. **Wie sollten staatliche Fördermaßnahmen gestaltet sein?** Es braucht eine Förderpolitik, die die Transformation gesamtheitlich betrachtet: Infrastruktur, Fahrzeugflotten, Speichertechnologien und Netzintegration. Gleichzeitig müssen regulatorische Hemmnisse abgebaut werden, etwa bei Netzentgelten oder Abgaben auf Eigenstromnutzung. Neben regulatorischen Rahmenbedingungen und politischer Lenkungswirkung sind sowohl monetäre als auch nicht-monetäre Förderungen notwendig. Jeder investierte Euro zahlt sich langfristig aus, indem er Innovationskraft, Arbeitsplätze, Wertschöpfung und Klimaschutz sichert. **Wie bewertet der BEM die erhöhten Zölle auf chinesische Elektroautos?** Protektionismus ist kein zielführender Ansatz. Statt Handelsbarrieren sollten wir unsere eigenen Stärken in der Elektromobilität ausbauen, um die Wertschöpfung in Europa zu erhöhen und langfristig eine nachhaltige Industriepolitik zu verfolgen. ## Factbox: **Christian Heep ist Vorstand beim BEM** und leitet Marketing, Medien, PR, Kommunikation, Politik, Messen und Events. Seine Leidenschaft für erneuerbare Energien und Elektromobilität inspiriert ihn zu innovativen Projekten für eine nachhaltige Mobilität.