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21. Dez 2023

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Gesellschaft

„Der Kunde wird zum Kraftwerk“

Journalist: Thomas Soltau

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Foto: William Mead/pexels

Die Installation von Solaranlagen boomt. Was für Käufer 2024 wichtig ist, weiß Dr. Enno Wolf, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes Neue Energiewirtschaft (bne) und Geschäftsführer von LichtBlick.

Welche Chancen und Vorteile erwarten Sie für Hausbesitzer, die 2024 eine Photovoltaikanlage auf ihrem Dach installieren lassen?

Im Moment ist es ein Trend, Solaranlagen auf Häuser zu bauen. Dabei gilt Autarkie als wesentlicher Punkt. Gleichzeitig ist es so, dass man sich damit auch selbst gegen höhere Strompreise absichert. In den letzten Jahren ist die Anzahl der selbstinstallierten Systeme immer weiter gestiegen. Wer einen langfristigen Atem hat, kann auf dem Markt von guten Angeboten renommierter Hersteller – und vielleicht auch noch von kommenden Förderungen – profitieren. Wer den Grad der Autarkie selbstständig erhöht, macht sich unabhängiger. Dazu kommt der Umweltgedanke: Wenn ich meinen CO2-Fußabdruck reduziere, dann ist das ein entscheidender Beitrag zur Energiewende.

 

Der Begriff „Prosuming“ wird in der Energiewelt immer bedeutender. Was ist das und wie kommt es Hausbesitzern bei der zukünftigen Nutzung von Photovoltaiksystemen zugute?

Ein Wortkonstrukt, das im Wesentlichen aus Producer und Consumer besteht – daraus ist der Prosumer geworden. Am Ende ist es eine vollkommen neue Form von Nutzertyp. Wir haben früher immer Energie an die Kunden geliefert. Jetzt wird der Kunde selbst zum Kraftwerk. Eigenheimbesitzer gehen in die Erzeugung unter Verwendung von modernster Technologie wie Solarpaneele, Wallbox, Home-Energiemanagement-Systeme, Speichersysteme. Alles zusammen wird zu einer erheblichen Dezentralisierung der Energieversorgung beitragen – und damit auch zu einer zunehmenden Robustheit mit mehr Autarkie. So agieren wir stabiler in Krisensituationen. 11 Millionen Einzelsysteme erhöhen unsere Versorgungssicherheit immens. Zusammen könnten sie vermutlich bis zu 90 TWh Strom erzeugen. Das ist gigantisch. Alles auf Dächern, die keine zusätzliche Fläche für Solaranlagen verschwenden.

 

Die Schweiz geht einen Schritt weiter und speichert die Energie in Blockspeichern, um sie dann wieder ins Netz abzugeben. Das ist bei uns noch nicht so verbreitet.

Sie haben recht. Wir glauben, dass vorgeschaltete Batterien und Blockspeicher wichtig sind. So entsteht eine Topologie von Netzkraftwerken, die im Prinzip Flexibilität überall sicherstellen können. Aber ich denke, das wird auch bei uns kommen. Und da würden wir uns Standards wünschen für das ganze Land.

 

Welche Hindernisse für Hausbesitzer, die Photovoltaikanlagen installieren möchten, gibt es?

Auf jeden Fall haben wir auf der Bürokratieebene die Themen Gebäudeenergiegesetz, Denkmalschutz, Brandschutz, lokales Baurecht – das muss dringend synchronisiert werden. Ein Beispiel: Menschen wollen eine Solaranlage aufs Dach bauen, weil sie eine neue Heizung eingebaut haben. Der Denkmalschutz sagt Nein. Der Gebäuderegulator vor Ort besteht aber auf den Einbau – du bekommst von überall mehr oder weniger unterschiedliche Signale. Und dann sind Sie dabei, als Bürger dieses Problem zu lösen: Ausgang offen. Das ist total ineffizient, sich durch alle Behörden durchzufragen. Um eine Anlage aufs Dach zu bringen, müssen Sie die online anmelden, dafür benötigen Sie mehr als 100, teilweise unglaublich spezifische Informationen. Auf der Herstellerseite wiederum gibt es immense Wartezeiten, etwa für Smart Meter.

 

Welche Lösungsvorschläge oder Technologien gibt es, um diese Hürden zu überwinden?

Zuerst einmal: Noch ein Hindernis ist die Teilnahme der Anlagen am Flexibilitätsmarkt. Sie müssen sich vorstellen, dass diese Anlagen teilweise nicht jeden Tag voll genutzt werden. Das heißt, Sie haben eine Flexibilität in der Anlage, die Sie eigentlich auch vermarkten könnten. Und diese Mechanismen für die Flexibilitätsvermarktung sind im Moment nicht gegeben oder gar standardisiert. Wenn Sie zum Beispiel eine Wallbox haben oder eine Wärmepumpe können Sie bei Netzüberlastung runter- oder rausgeregelt werden. Das ist inakzeptabel, Sie wollen ja nicht im Kalten sitzen. Hier benötigen wir intelligente Netztarife, je nach Auslastung günstig oder teurer. Ich glaube, da müssen wir bei der Netztarifgestaltung noch klarer nach Zeitzonen gehen, um Anreize zu schaffen, Netznutzung intelligent zu verteilen. Dann lässt sich z. B. außerhalb der teuren Hauptzeiten der Wäschetrockner nutzen. Einfachheit, Durchführbarkeit, Wirksamkeit – darauf kommt es bei der erfolgreichen Umsetzung an.

 

Welches Land könnte als Blaupause in Energieregelung für uns dienen?

Eine gute Frage. Wir wissen zum Beispiel, dass in den Niederlanden der Smart Meter Rollout wesentlich besser und schneller vorangeschritten ist als bei uns. Da frage ich mich immer: Warum geht das da schneller? Auch in Skandinavien läuft es oftmals besser. Ich würde mir wünschen, dass man sich bei uns keinen nächsten Papiertiger mit Bürokratieirrsinn überlegt. Lieber mal über den Tellerrand hinausschauen und gucken, wie andere das Problem lösen.

 

Welche Ratschläge würden Sie Hausbesitzern geben, die darüber nachdenken, Solaranlagen zu installieren?

Sich vielleicht fragen: Wie haben das die Nachbarn gemacht? Dann sollte man sich seriöse Angebote erstellen lassen, von verlässlichen Anbietern, die die Anlage auch installieren. Qualität ist wichtig, damit keine technischen Schwierigkeiten auftreten. Hier genau auf den Euro zu gucken, kann teuer werden. Und selbst für Objekte, die als ungeeignet für neue Technik galten, gibt es Lösungen. Zum Beispiel die Kombination von einem Gas-Brennwertgerät mit einer Luft/Wasser-Wärmepumpe samt hoher Vorlauftemperatur – die ist dann auch altbaugeeignet. Letztlich sollte man für die eigenen Rechte kämpfen und sich nicht durch die Bürokratie entmutigen lassen. Auch die letzten Hochburgen des Energie Establishment Widerstands werden durch Prosumerinnen irgendwann eingenommen.

9. Jul 2025

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Gesellschaft

Die Herausforderungen des Wohnens heute und morgen – ein Beitrag vin Dr. Christine Lemaitre

Kaum ein Bereich des Lebens ist so individuell und emotional behaftet wie das Wohnen. Die Gestaltung des eigenen Zuhauses spiegelt unsere Persönlichkeit wider, zeigt, worauf wir Wert legen und was wir bereits erlebt haben. Die eigenen vier Wände bieten Sicherheit und sind Orte der Entspannung. Nun rückt das Thema Wohnen in der aktuellen Debatte immer wieder in den Fokus. Es herrscht ein Mangel insbesondere an bezahlbarem Wohnraum und das in allen Schichten der Gesellschaft. Gründe dafür gibt es viele, darunter der Bevölkerungswachstum, Binnenwanderung und gestiegene Baukosten. Lösungsansätze sind vorhanden, die nicht nur angesichts der politischen Klimaziele im Einklang mit Nachhaltigkeit und Klimaschutz umgesetzt werden müssen. Denn die Auswirkungen des Klimawandels sind längst spürbar. Die Baubranche steht als einer der Hauptverursacher klar in der Pflicht, Gebäude und Außenräume wieder für den Menschen zu planen und auf eine langfristige, qualitätsvolle Nutzung auszulegen. Das größte Potenzial, um Ressourcen und CO2 einzusparen, bieten der Erhalt und bei Bedarf die Umnutzung bestehender Gebäude, wodurch auch gleich die baukulturelle Identität des Ortes bewahrt wird. Gerade in Städten, wo der Wohnraum besonders knapp ist, stehen Flächen leer deren ursprünglich vorgesehene Nutzung nicht mehr benötigt wird. Durch Offenheit und Mut kann hier etwas ganz Besonderes entstehen. Nachhaltige Strategien wie Suffizienz und Lowtech bieten sowohl im Neubau als auch im Bestand reizvolles Innovationspotenzial. Mit dem Suffizienz-Gedanken geht die Frage einher, wie viel genug ist. Sie sollte immer wieder gestellt werden, um abzuwägen, was bezüglich Fläche, Material und Gebäudetechnik wirklich gebraucht wird. Wer hier einspart, übernimmt Verantwortung. Das gesparte Geld lässt sich an anderer Stelle beispielsweise zugunsten einer hohen Qualität und guter Gestaltung sinnvoll investieren. Ein weiterer wichtiger Punkt ist Flexibilität, um auf sich ändernde Lebenssituationen reagieren zu können. Diese Ansätze sind wie geschaffen für einen neuen, zukunftsweisenden Trend beim Planen, Bauen und Erhalten von Gebäuden. Hilfestellung zur Umsetzung kann das speziell für kleine Wohngebäude entwickelte Zertifizierungssystem der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen geben. Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Neben dem ganz eigenen, individuellen Rückzugsraum, bestückt mit liebgewonnenen Möbelstücken und Accessoires, entsteht dadurch ein besonderer Wert, nämlich der der körperlichen und geistigen Gesundheit. >Neben Klimaschutz, Kreislauf- und Zukunftsfähigkeit stehen bei der Planung, beim Bau und bei der Sanierung nachhaltiger Wohngebäude der akustische, thermische und visuelle Komfort, sprich die Wohnqualität und das Wohlbefinden der Nutzenden im Mittelpunkt. Als Non-Profit-Verein setzen wir uns bei der DGNB für die nachhaltige Transformation der Bau- und Immobilienwirtschaft ein. Wir klären auf, leisten Hilfestellung und sensibilisieren für ein verantwortungs- und qualitätvolles Bauen und Betreiben von Gebäuden. Das DGNB-Zertifizierungssystem verhilft dabei allen am Bau Beteiligten zu einem gemeinsamen Verständnis darüber, welche Möglich- aber auch Notwendigkeiten das nachhaltige Bauen mit sich bringt, um einen positiven Beitrag für Mensch, Umwelt und Wirtschaftlichkeit zu leisten.