Diesen Artikel teilen:

28. Mär 2023

|

Business

„Der Mensch sollte die Kontrolle behalten“

Journalist: Thomas Soltau

|

Foto: SmartFactory KL/A. Sell

Professor Martin Ruskowski von der RPTU Kaiserslautern ist Vorstandsvorsitzender der SmartFactory-KL. Das Netzwerk für Forschungs- und Entwicklungsprojekte arbeitet an einer Fabrik der Zukunft, die Resilienz, Nachhaltigkeit und Flexibilität bietet. Wie er die Digitalisierung der Industrie beschleunigen will, erklärt der Experte im Interview.

as-f0466-martin-ruskowski-online.jpg
Prof. Dr. Martin Ruskowsky, Vorstandsvorsitzender SmartFactory KL

Was sind die Zutaten für die schnelle industrielle Revolution?
Die Zutaten sind künstliche Intelligenz und automatisierte Systeme, die dank vielfältiger Sensoren und Sicherheitstechniken entsprechend agieren können. Entscheidend ist aber eine Neudefinition des Menschen, der seine Rolle in der Form formuliert, dass er immer die finale Instanz zum Eingreifen bleibt. Sämtliche automatisierte Produktionssysteme und Abläufe müssen so gestaltet sein, dass der Mensch jederzeit versteht, warum und wie welche Entscheidungen getroffen wurden – und entsprechend eingreifen kann. 

Über Industrie 4.0 wird schon seit Jahren gesprochen. Was ist davon in der Industrie angekommen?Industrie 4.0 wurde 2011 formuliert. Und seitdem ist natürlich unheimlich viel passiert. Wir haben festgestellt, dass viele Unternehmen nur automatisiert und digitalisiert haben – nur ein teilweises Verständnis von Industrie 4.0. Denn sie haben nicht berücksichtigt, welche Rolle der Mensch spielt. Deswegen haben wir uns 2019 hingesetzt und ein Update gefahren – das wir Production Level 4 nennen. Und dieses Level Vier bezieht sich einerseits auf Industrie 4.0, aber auch auf die Level der Autonomie, die von 0 bis 5 reichen. Das ist wie beim autonomen Fahren. Fünf bedeutet ohne Mensch, das heißt beim Auto: ohne Lenkrad. Wir halten das in absehbarer Zeit nicht für machbar und schon gar nicht für erstrebenswert. Der Mensch sollte stets die finale Kontrolle behalten. 

Ihr Forschungsgebiet ist Shared Production. Was genau können wir uns darunter vorstellen?
Um es kompakt und konkret zu beschreiben, handelt es sich um die Vision der zukünftigen industriellen Produktion als eine geteilte (shared) Produktion. Das bedeutet: Zum einen ergeben sich für jeden Auftrag neue Wertschöpfungsnetzwerke, deren Konfiguration über entsprechende Plattformen zusammengestellt werden kann. Dazu ist der ständige Zugriff auf Daten und Maschinen für eine werks- und firmenübergreifende Produktion nötig. Diese Maschinen, die in Deutschland oder Europa verteilt sind, können Auftraggeber über eine digitale Plattform sozusagen leihen. Über eine digitale Matching-Plattform zeigen die Maschinen automatisch ihre Kapazität an – und welcher CO2-Ausstoß bei der Produktion entsteht. So wird die Abhängigkeit von starren globalen Lieferketten durch die Verteilung der Produktion verringert. 

Wahrlich resilient ist eine Industrie, wenn ich per Mausklick auf neue Rahmenbedingungen reagieren kann. Wann sind wir so weit?
Wir realisieren meistens Dinge, die in den nächsten fünf bis 15 Jahren umgesetzt werden. Es gibt viele Unternehmen, die bereits als unsere Partner mitarbeiten, weil sie einfach gemerkt haben – das ist wirklich die Zukunft. Der nachhaltige Aspekt steht dabei im Vordergrund: sowohl ökonomisch, ökologisch als auch sozial. Wir kommen um diesen Schritt aufgrund der demografischen Entwicklung gar nicht mehr herum. Wegen der weltweiten Verwerfungen ist es auch absolut notwendig, dass wir an dieser Stelle umdenken. Unser Ziel: Eine resiliente Fertigung zu entwickeln, widerstandsfähig gegen externe Einflüsse, die CO2 vermeidet, als Kreislaufwirtschaft gedacht ist, sowie nachhaltig und energieeffizient arbeitet.