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10. Jul 2023

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Wirtschaft

Der Wechsel von fossilen auf erneuerbare Brennstoffe zahlt sich aus

Journalist: Katja Deutsch

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Foto: iMattSmart/unsplash, Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Kaminski

Stefan Wenzel, Parlamentarischer Staatssekretär vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, erläutert, warum er sein Gesetz zum Austausch alter Heizanlagen so vehement gegen Kritiker verteidigt.

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Stefan Wenzel, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz

Bei dem Gesetzentwurf der Bundesregierung zum Einbau neuer Öl- und Gasheizungen in Deutschland ab dem kommenden Jahr handelt es sich um eine effiziente Modernisierung unserer Gebäudeinfrastruktur, nicht um ein Verbot: Anstatt veraltete Technik zu nutzen, gibt es acht verschiedene alternative Möglichkeiten und viele Kombinationsmöglichkeiten, um damit bis zu 75 Prozent der Primärenergie einzusparen – die man nicht produzieren, importieren, kaufen muss.

Der Entwurf sieht dabei ganz klar vor, das funktionierende Gas- oder Ölheizungen weiter betrieben und repariert werden können. Wenn jedoch die alte Anlage irreparabel kaputt ist, muss etwas Effizienteres her. Die neue Anlage soll möglichst 65 Prozent Abwärme, Umweltwärme, Solarwärme, Biomethan, Biomasse, Solarstrom oder eine Kombination davon nutzen. Diese Dienstleistungen stellt die Natur kostenlos zur Verfügung, daher zahlt sich der Wechsel von fossil auf erneuerbar am Ende aus.

In vielen Regionen gibt es Fern- und Nahwärmenetze, an die Gebäude angeschlossen werden oder neu gebaut werden können. Das ist meist günstiger als viele Einzelanlagen. Alternativ kommen Lösungen mit Wärmepumpen unterschiedlicher Größe, Biomasseheizungen oder Hybridheizungen in Frage, bei denen die Erneuerbaren-Heizung die Grundlast übernimmt und an besonders kalten Tagen zusätzlich eine fossile Heizung einspringt. Auch solarthermische Anlagen sind möglich, bei Neubauten und gut gedämmten Bestandsbauten auch Stromdirektheizungen mit PV. Biomethan oder in wenigen Fällen Wasserstoff kommen ebenfalls in Frage.

„In Gebäuden, die für Wärmenetzanschluss und Wärmepumpe nicht geeignet sind, werden Holzpellet-Heizungen Teil der Lösung sein.“

In Gebäuden, die für Wärmenetzanschluss und Wärmepumpe nicht geeignet sind, werden Holzpellet-Heizungen Teil der Lösung sein. Ihr Einsatz sollte aber gut abgewogen werden, da nachhaltig produzierte Biomasse nur begrenzt zur Verfügung steht und steigende Preise in Zukunft nicht ausgeschlossen werden können.

Deutschland ist vor dem Hintergrund der von Russland ausgelösten Energiekrise dank einer gemeinsamen, gesellschaftlichen Kraftanstrengung gut durch den letzten Winter gekommen. Wir setzen diesen Weg entschlossen fort, setzen auf effiziente Nutzung von Energie und bauen Erneuerbare Energien noch schneller aus, erneuern die Wasserstoffstrategie und arbeiten an einem Konzept für Restemissionen.

1. Okt 2025

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Wirtschaft

Die nächsten 24 Monate entscheiden: Deutschland im Transformationsfenster – Ein Beitrag von Prof. Dr. Henning Wilts

An den Begriff „Kreislaufwirtschaft“ haben die meisten Unternehmen lange Zeit einen gedanklichen Haken gemacht: Die eigenen Abfälle werden fachmännisch entsorgt, man hatte seine Hausaufgaben gemacht. Mit der Zeitenwende als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg und seitdem völlig veränderten geopolitischen Rahmenbedingungen hat sich jedoch auch das Verständnis von Kreislaufwirtschaft fundamental verändert: Von „Nice-to-have“ zur Schlüsselherausforderung eines auch mittel- und langfristig wettbewerbsfähigen Wirtschaftsstandorts, der sich schlagartig bewusst wurde, wie abhängig man doch ist von Rohstoffimporten – und der Bereitschaft vieler Länder, den Zugang zu diesen als strategisches Druckmittel zu nutzen. Dementsprechend gewinnen auch zirkuläre Geschäftsmodelle zunehmend an Bedeutung, die von Anfang an mitdenken, wie die Produkte – und damit auch die darin enthaltenen Rohstoffe – am Ende der Nutzungsphase wieder zurückkommen. Immer mehr Unternehmen experimentieren daher mit Pfandsystemen oder Leasingkonzepten – getrieben von der Idee, damit die Resilienz ihrer Rohstoffversorgung zu verbessern. Ein weiterer wichtiger Treiber sind die gesetzlichen Verpflichtungen der Unternehmen, ihre Prozesse klimaneutral aufzustellen – hier ist der Einsatz recycelter Rohstoffe natürlich nicht zum Nulltarif zu haben; auf lange Sicht sind die dafür notwendigen Technologien aber schon deutlich ausgereifter und die Kosten pro eingesparter Tonne CO2 bei entsprechender Skalierung niedriger. Aber obwohl das Thema Kreislaufwirtschaft damit immer stärker auch in den Strategieabteilungen der Unternehmen ankommt, faktisch fehlt es an einer selbsttragenden Innovationsdynamik. Noch immer beträgt das Verhältnis von recycelten Rohstoffen und Gesamtrohstoffbedarf gerade mal 13 Prozent; rechnerisch sind also 87 Prozent aller Rohstoffe noch immer Primärmaterial. Die dafür von vielen genannten Gründe sind einerseits rational: In wirtschaftlich schwierigen Zeiten fehlt es an finanziellen Ressourcen, um ausreichend in die Transformation zur zirkulären Wertschöpfung zu investieren. Gleichzeitig ist den meisten sehr bewusst, dass Deutschland damit droht, seine eigentliche hervorragende Ausgangsbedingungen in diesem zentralen Zukunftsmarkt zu verspielen. Die Bundesregierung hat vor diesem Hintergrund im Dezember 2024 ihre „Nationale Kreislaufwirtschaftsstrategie“ (NKWS) verabschiedet. Erklärtes Ziel ist es, die Transformation zur Kreislaufwirtschaft zu beschleunigen. Dafür benennt die Strategie ambitionierte Ziele, beispielsweise die faktische Halbierung des Bedarfs an primären Rohstoffen; im Kern aber vor allem über 130 konkrete Maßnahmen. Diese gehen weit über Abfallwirtschaft hinaus, sondern betreffen z. B. die fokussierte Digitalisierung im Recyclingsektor, innovative Finanzierungsmechanismen oder auch Mindestrezyklatquoten, um so einen sicheren Absatzmarkt für hochwertige Sekundärrohstoffe zu schaffen. Aber natürlich ist Papier geduldig und die eigentliche Herausforderung liegt in der jetzt anstehenden Umsetzung. Ein zentraler Schlüssel wird dabei sein, Allianzen zu schaffen – zwischen all den Akteuren, die in einer Kreislaufwirtschaft profitieren wollen von den erhofften positiven Effekten für Klimaschutz, einheimische Beschäftigung, Aufträgen für den Maschinenbau usw. Die in der NKWS angekündigte Plattform muss es daher schaffen, genau solche Allianzen zu bilden und sich nicht in endlosen Debatten über die 100 Prozent perfekte Lösung zu verlieren – denn die internationale Konkurrenz schläft nicht und es ist überhaupt nicht gegeben, dass die erhofften Vorteile tatsächlich am Standort Deutschland realisiert werden. Die nächsten 24 Monate werden daher maßgeblich darüber entscheiden, ob Deutschland am Ende zu den Gewinnern oder den Verlierern der zirkulären Transformation gehören wird.